Die wohl schönste Zeit des Lebens: Das Studium. Wenn Eltern, Verwandte oder Bekannte von ihrer Studienzeit erzählen, hört man oft Sprüche wie: „Das war die geilste Zeit meines Lebens“ oder „Endlich war ich frei und konnte wirklich das machen, worauf ich Lust hatte“. Irgendwie klingt das heute alles etwas anders. Vormittags Uni, nachmittags Job – das ist das Leben vieler Studierenden.
68 Prozent der Studierenden haben laut der Sozialerhebung 2016 einen Nebenjob. Mehr als die Hälfte davon ist auf den eigenen Verdienst angewiesen, um den Lebensunterhalt zu finanzieren. Nicht jeder bekommt BAföG oder kann von den Eltern finanziell unterstützt werden. Dazu kommt, dass in vielen Universitätsstädten die Mieten immer teurer werden. Auch in Tübingen ist man schnell 400 Euro für ein kleines Zimmer los, und im Kühlschrank herrscht noch gähnende Leere. Wer an Studentenjobs denkt, dem kommen zuerst die klassischen Kellner-Jobs in den Kopf. Die Schichten sind meistens abends und lassen sich flexibel um das Studium herum koordinieren. Kellnern wird aber immer unattraktiver, denn der Nebenjob muss nicht nur den Geldbeutel füllen, sondern auch gut im Lebenslauf aussehen. Bei der Sozialerhebung geben 53 Prozent der Befragten als Motiv für ihre Jobwahl das Sammeln von praktischer Erfahrung an.
Arbeitslosigkeit während des Studiums können sich die Wenigsten leisten
Im Studium wird der Bezug zur Praxis immer präsenter. Jedes Werkstück oder Projekt soll im Hinblick auf das spätere Berufsleben erstellt werden. Jeden Tag landen E-Mails mit Stellenausschreibungen im Postfach – ein Job ist besser als der andere. Dazu kommt, dass gerade die Zeit im Masterstudium rasend schnell vorbei geht. Kaum hat man mit dem Studieren angefangen, muss man sich schon Gedanken um die Abschlussarbeit und den Berufsweg machen. Die Wenigsten ziehen eine wissenschaftliche Laufbahn in Betracht. Es ist also nur logisch, dass schon während des Studiums nach einer passenden Arbeitsstelle Ausschau gehalten wird. Wer sich gut anstellt, wird vielleicht übernommen oder sammelt zumindest wichtige praktische Erfahrungen, um sich auf weitere Stellen zu bewerben.
Das könnt ihr für den Berufseinstieg gut gebrauchen
Der Masterstudiengang Medienwissenschaft der Eberhard Karls Universität Tübingen legt einen starken Fokus auf die Praxis. Um den Studierenden mögliche Berufe aufzuzeigen, wird sogar ein Seminar zum Thema Berufsfelder der Medienwissenschaft angeboten. In unterschiedlichsten Medien werden Werkstücke erstellt und wissenschaftlich reflektiert. Es wird darauf geachtet, dass so viele Werkstücke wie möglich veröffentlicht werden, um den Studierenden die Möglichkeit zu bieten, diese bei späteren Bewerbungen anzugeben. Auf der einen Seite bietet der Studiengang unheimlich viele Chancen sich auszuprobieren und an sich zu wachsen, aber gleichzeitig immer mit dem Hinweis: „Das könnt ihr für den Berufseinstieg gut gebrauchen“. Bei einer kleinen, nicht repräsentativen Umfrage unter den Medienwissenschaftlerinnen und Medienwissenschaftlern an der Uni Tübingen geben die Studierenden sehr unterschiedliche Antworten auf Fragen zum Thema Studium und Arbeit. Trotzdem spiegelt diese Umfrage das Stimmungsbild der Studierenden wider.
„Ich mache die Jobs, weil sie mir Spaß machen“
Tanja Miller möchte nach dem Studium Journalistin werden und arbeitet als freie Mitarbeiterin für das Tübinger Wochenblatt, die Südwest Presse und als HiWi bei MediaBubble. „Das Tolle an den drei Jobs ist, dass ich sehr flexibel bin und ich sie mit der Uni gut vereinbaren kann“, betont Tanja Miller. „Ich mache die Jobs, weil sie mir Spaß machen. Ich sehe sie auch weniger als Arbeit an, sondern eher als etwas, womit ich Erfahrung sammeln und mich ausprobieren kann“, erklärt sie. Ihr Studium steht für sie trotzdem an erster Stelle. Auch für Mai Tran hat das Studium die höchste Priorität. Sie arbeitet in der Marketing- und Kommunikationsabteilung bei Bosch Sensortec. „Den Job mache ich zum einen des Geldes wegen, weil man hier in Tübingen einfach viel für die Wohnung zahlen muss, aber klar sammle ich auch Erfahrungen“, so Mai Tran. „Einfach mal den Fuß in einem Großunternehmen zu haben, ist auf jeden Fall vorteilhaft, und auch die ganze Verantwortung, die ich bekomme. So viel Verantwortung hatte ich noch in keinem Job. Ich habe eigene Projekte, die ich durchführen darf, das macht mir Spaß.“
Friederike Schmidt arbeitet in der internen Kommunikation, 15 bis 20 Stunden die Woche. „Die Praxiserfahrung fand ich schon wichtig, vor allem so einen richtigen Arbeitsalltag nebenher zu haben, fand ich ganz cool. Aber definitiv mache ich das auch wegen des Geldes, um meine Wohnung zu bezahlen und um finanziell unabhängig zu sein“. Die Arbeit bestimmt bei ihr aber mehr den Alltag, als das Studium. Wenn es in der Uni mehr zu tun gib, kann sie ihre Arbeit auch auf andere Tage verschieben. Für die Studierenden der Medienwissenschaft an der Universität Tübingen ist die Arbeit wichtig, aber nicht immer wichtiger als das Studium. Trotzdem steht für alle fest, dass man bei der Arbeit neben dem Studium so viel Erfahrung wie möglich sammeln sollte, um im Anschluss bestmöglich auf den späteren Berufsweg vorbereitet zu sein.
Sich trotz Bologna dem Studiengang hingeben
Auch wenn die Arbeit mehr Raum im Alltag der Studierenden einnimmt, ist die Studienzeit unvergesslich. An der Uni hat man die Chance, an sich zu wachsen, sich auszuprobieren und Erfahrungen zu sammeln. Natürlich haben die Studierenden dafür seit der Bologna-Reform einen strafferen Zeitplan und es ist kaum möglich, gleichzeitig in andere Fachbereiche einzutauchen. Trotzdem besteht die Möglichkeit, sich seinem Studiengang voll hinzugeben und an den unterschiedlichsten Projekten außerhalb der Seminare mitzuwirken. Wer jedoch schon während des Studiums viel arbeitet, dem fehlt die Zeit sich an den verschiedenen universitären Projekten zu beteiligen und sich auszuprobieren. Dafür haben die arbeitenden Studierenden die Chance, sich in ihrem Job zu verwirklichen und sich auf diese Weise weiterzubilden.
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Sehr interessanter Beitrag. Wenn ich an meinen durch Job, Prakiktum und Uni vollgestopften Terminkalender denke, während mein Onkel vor dreißig Jahren dreißig Semester fröhlich vor sich hin studiert hat, da merkt man: Es hat sich viel verändert. Dabei würde ich mich viel lieber voll und ganz dem Studium widmen ohne nervöse Gedanken an die Zukunft. Da wäre eine BAFöG-Reform oder gar das bedingungslose Grundeinkommen möglicherweise eine Lösung, um sich insbesondere ohne Geldsorgen während des Studiums vollends ausprobieren zu können.