Leuchtende Erdbeeren, knackige Tomaten, duftende Melonen. Hat sich nicht jeder mal im Winter an leckerem Obst und Gemüse erfreut, das eigentlich keine Saison hat? Das ist nur möglich, weil zur Herstellung Plastik eingesetzt wird – in allen Formen und Farben. Warum Plastik in der Landwirtschaft unverzichtbar ist und was Wale und Mikroplastik damit zu tun haben.

Plasticulture, agroplastics oder Agrarkunststoffe – die Begriffe rund um das Thema sind zahlreich, bezeichnen aber ein- und dasselbe: Produkte aus Kunststoff, die in der landwirtschaftlichen Produktion und Verarbeitung verwendet werden.

Obst und Gemüse durch Plastik?

Gemüse aus Plastik, das klingt erstmal seltsam. Tatsächlich wird Plastik in der Landwirtschaft schon seit den 1950er Jahren eingesetzt und mittlerweile massenhaft genutzt. Am häufigsten unterstützen die Plastikprodukte weltweit Obst- und Gemüsebauer*innen. Ob es die Netze über den Obstplantagen sind, die Beeren und Tomaten in weißen Kunststoffgewächshäusern, die Vliese über den Spargelreihen oder in Folie eingeschlagene Grasballen – überall ist Plastik mit dabei. Auch kleinere Kunststoffgegenstände wie Erntekisten, Pflanztöpfe oder Bewässerungssysteme gehören für Landwirt*innen zur Plastik-Grundausstattung.

Was Plastik auf dem Erdbeerfeld zu suchen hat

Plastik begleitet die Erdbeerpflänzchen von klein auf bis zur fertigen Frucht. Sie wachsen unter Mulchfolien heran: dünne, dunkle Kunststofffolien, die den Boden vor Unkraut und schlechtem Wetter schützen. Zudem reduzieren sie den Bedarf an Wasser und die Nutzung von Düngemittel und Pestiziden.

Erdbeeren im Gewächshaus

Endlose Reihen an Erdbeeren, von Mulchfolien geschützt. ©Pixabay

Unsere knackigen Tomaten wachsen in Plastik-Gewächshäusern vor sich hin. Diese bieten ihnen eine ähnliche Schutzfunktion. Zudem können damit Ernte- und Anbauzeiten ausgeweitet, die Landwirtschaft somit produktiver und effizienter gemacht werden. Auch die Tierwelt profitiert: Gras oder Mais wird in Plastikballen gefüllt und so mithilfe der Plastikfolie gesundes Tierfutter für den Winter konserviert.

In Plastikfolie eingepackte Heuballen

Heuballen sehen wir am Ende des Sommers häufig, eingewickelt in Plastik. ©Pixabay

Zu Besuch in Europas Gemüsegarten

Während Asien weltweit der Spitzenreiter beim Einsatz von Plastik auf den Feldern ist, hat im Mittelmeerraum Spanien die Nase vorn. Als Hauptproduzent von Europas Gemüse ist das Land der größte Nutzer von Agrarplastik. Mit den besten Voraussetzungen durch die vielen Sonnenstunden stehen an der spanischen Südküste die Hälfte aller Kunststoffgewächshäuser in ganz Europa.

El mar de plástico – das Plastikmeer – wird die gigantische weiße Fläche in Spanien genannt. Die rund 31.000 Hektar der andalusischen Provinz Almería sind mit Gewächshäusern aus weißen Plastikplanen bedeckt und umfassen eine Fläche von umgerechnet 44.000 Fußballfeldern. In keiner anderen europäischen Region wächst so viel Gemüse wie unter den spanischen Plastikplanen. Am beliebtesten sind die Erzeugnisse in Deutschland, dem größten Abnehmer aus Europas Gemüsegarten.

Paprika + Plastik = Problem

Zwölf Millionen Tonnen Plastik werden jährlich auf der ganzen Welt eingesetzt, um landwirtschaftliche Produkte zu erzeugen. Das entspricht circa 3,5 Prozent der weltweiten Plastikerzeugung. Was auf den ersten Blick wie ein unbedeutender kleiner Teil des Puzzles scheint, hat gravierende Auswirkungen. Da Lebensmittelerzeugung zum Großteil auf Böden stattfindet, besteht die Gefahr, dass sich Plastikfolien zu Kleinteilen und schließlich zu Mikroplastik zersetzen. Gelangt dies durch Bodenbearbeitung oder über Düngemittel und Klärschlamm in den Boden, kommt es zusammen mit giftigen Zusatzstoffen und Weichmachern auch in die Lebensmittel und in unseren Körper. Was kaum jemand weiß: In landwirtschaftlich genutzten Böden sind oft größere Mengen an schädlichem Mikroplastik zu finden als in den Weltmeeren, warnt ein aktueller Bericht der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen.

Eine weitere Gefahr droht dem Meeresleben. Plastikteile gelangen von den Feldern durch Wind oder Flüsse in die Ozeane und können zum Tod von Meerestieren führen, wenn sie diese verschlucken. Als im spanischen Murcia ein toter Wal mit 29 Kilogramm Plastik im Magen angeschwemmt wurde, warf das nicht nur ein schlechtes Licht auf die Plasticulture, sondern auch auf die spanischen Gemüsebauer*innen.

Agrarplastik ist zudem ein kleiner Klimakiller. Im konventionellen Einsatz sind die Gewächshäuser und Folien erdölbasiert. Werden sie erzeugt oder verbrannt, gelangen Treibhausgase in die Umwelt. Dazu kommt, dass die Kunststoffe schlecht recycelbar sind und regelmäßig von falscher Entsorgung berichtet wird. Angesichts dessen, dass ein fünfzigprozentiger Anstieg der weltweiten Nachfrage von Folien und Kunststoffen bis 2030 prognostiziert wird, ist die andere Seite der Plastikmedaille eine düstere.

Von A wie Alternativen bis Z wie Zügeln

Für die Probleme von Plastik in der Landwirtschaft gibt es kein plötzliches Allheilmittel. Es gibt jedoch Ansätze, um den Verbrauch von Agrarplastik zu zügeln oder das Material zu ersetzen. Neben der Forschung mit Papier und Zellulose gibt es bereits organische Alternativen zu den Mulchfolien wie Holzspäne, Laub, Stroh oder andere biologisch abbaubare Stoffe. Auch die allseits beliebten Gewächshäuser werden teilweise aus Glas oder recyceltem, haltbaren Kunststoff hergestellt. Diese sind zwar anfänglich teurer, rentieren sich aber durch Stabilität und Haltbarkeit.

Zusätzliche Forderungen und Wünsche an die Weltlandwirtschaft gibt es viele: Plastikverbrennungen verbieten, Einwegprodukte abschaffen, Herstellerverantwortung erhöhen und eine Kennzeichnungspflicht einführen. Initiativen von Landwirt*innen oder Unternehmen setzen sich auch oft freiwillige Standards und rüsten ihre Betriebe um. Trotzdem sind internationale Regelungen notwendig, die für die gesamte Weltlandwirtschaft verpflichtend sind wie z.B. verbindliche Abkommen zum Abfallmanagement oder das Verbot bestimmter Materialien. Das Ziel ist es nicht nur, weniger Plastik zu nutzen, sondern eine Kreislaufwirtschaft für Plastik in der Landwirtschaft zu etablieren.

Was tun am Ende der Nahrungskette?

Mit dem Wissen, dass die konventionelle Landwirtschaft eine Plasticulture ist, kann man als Verbraucher*in den Saisonkalender studieren und den Essensplan häufiger mit den klassischen Erntezeiten abgleichen. Ein weiterer Indikator für das richtige Maß der Plastikverwendung sind Bio-Kennzeichnungen wie z.B. das deutsche Demeter-Siegel. Demeter hat klare Vorgaben, welche recycelten Kunststoffe in welchem Anbau verwendet werden dürfen. Bei der nächsten Begegnung mit den Erdbeeren im Supermarkt lohnt sich also ein Blick auf das Kleingedruckte.

 

Titelbild: ©kallerna via Wikimedia Commons

 

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4 Kommentare
  1. Lea Scherm
    Lea Scherm sagte:

    Sehr informativer Artikel mit vielen spannenden Zahlen und Fakten! Über die Plastikverpackungen im Supermarkt macht man sich oft Gedanken, doch welche Mengen an Plastik bereits während des Anbaus von Obst und Gemüse entstehen, war mir so nicht bewusst. Umso wichtiger ist es, darauf aufmerksam zu machen bzw. sich als Verbraucher*in zu informieren, welche Möglichkeiten es gibt, diese Mengen an Plastik in der Landwirtschaft zu reduzieren.

  2. Luca Matusch
    Luca Matusch sagte:

    Gut recherchierter und sehr lesenswerter Artikel!
    Gerade im Ozean ist Plastik ja ein bekanntes Problem.
    Aber beim Gemüse machen sich die Leute über Mikroplastik leider noch nicht so viele Gedanken.

  3. Nicola Wolfer
    Nicola Wolfer sagte:

    Da der Artikel sowohl die Sonnen- als auch die Schattenseite der Verwendung von Plastik in der Landwirtschaft thematisiert, beinhaltet er viele wichtige Informationen, die zum Nachdenken anregen. Es bleibt zu hoffen, dass weiter an nachhaltigeren Alternativen geforscht wird. Bis dahin muss der/die Endverbraucher*in einen Blick auf das Kleingedruckte werfen.

  4. Katharina Sauer
    Katharina Sauer sagte:

    Sehr spannender Artikel, vielen Dank für die Recherche und Aufarbeitung Pauline! Neben den vielen interessanten Fakten ist mir vor allem die Prognose im Kopf geblieben, dass bis 2030 die Nachfrage an Folien und Kunststoffen um 50% ansteigen soll – absolut schockierend.
    Außerdem musste ich an Spaziergänge denken, bei denen man aufgetürmte Heuballen sehen kann. Ein vollkommen gewohntes Bild für mich, aber an die Plastik-Verpackung der Heuballen habe ich bisher nie gedacht.

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