Mbongeni Buthelezi: Plastische Gemälde

Heute kennt man Mbongeni Buthelezi in Galerien von Stuttgart bis Vermont. Doch vor 24 Jahren konnte sich der bettelarme Kunststudent nicht mal Farben leisten. Aus Not erfand er eine neue Malmethode – mit geschmolzenem Plastik. In seinem Atelier verwandelt er mit einer Heißluftpistole und wilder Fantasie Plastikmüll in imposante Porträts, die ihn zu Weltruhm brachten.

Mbongeni Buthelezi ist ein südafrikanischer Künstler, der seit drei Jahrzehnten Plastiktüten und Verpackungen in bunte Streifen zerschneidet und sie mit einer elektrischen Heißluftpistole auf verschiedenen Leinwänden (von Gittern bis hin zu größeren Hartplastikteilen) einschmilzt. Mit dieser einzigartigen Methode schafft er Porträts, die komplett aus Kunststoff bestehen und wie Ölgemälde aussehen. Bis zu 5.000 Plastikstreifen verarbeitet Buthelezi für die Technik, bei der Plastik wie ein Pinselstrich aussieht.

Kuhfiguren aus Lehm

Diese künstlerische Odyssee hatte allerdings bescheidene Anfänge. Sie begann in den 1970er Jahren in der ländlichen Provinz KwaZulu-Natal im Osten Südafrikas. Der junge Mbongeni wuchs in bitterer Armut auf, spielte und arbeitete mit den Rindern seines Vaters. Irgendwann begann er, Spielzeugautos aus Draht und Kuhfiguren aus Lehm zu formen, und die Liebe zum Handwerk nahm Gestalt an.

Die Rinder waren ein wichtiger Teil in Buthelezis Leben. Aber die Plastikverschmutzung, die Südafrika damals und heute immer noch plagt, hat viele von ihnen getötet. Die Abfälle waren so weit verbreitet, dass die Kühe schließlich Plastik fraßen und daran starben. Südafrikas Verschmutzungsituation hat sich seit Buthelezis Kindheit kaum verbessert.

Der Künstler Mbongeni Buthelezi und eines seiner Kunstwerke.  Bild © Ihsaan Haffejee

Not macht erfinderisch

Als in Südafrika noch die Apartheid herrschte, schrieb sich der 22-jährige Buthelezi an einer Gemeinschaftskunstschule in Johannesburg ein. Die ersten Jahre waren für den Künstler nicht angenehm. Er verbrachte sie in tiefster Armut. Von seinem ländlichen Zuhause reiste er nach Johannesburg. Dort kam er mit zwei Decken, einem kleinen Gaskocher, einem Kissen und einem Radio an. Eine der Decken diente ihm als Matratze, die andere als Zudecke. Von zu Hause erhielt er wöchentlich nicht mehr als 30 Südafrikanische Rand – das entsprach damals etwas 23 D-Mark.

Einige Freund*innen und Tutor*innen halfen, wo sie nur konnten, aber seine Universitätsjahre verbrachte er trotzdem im Kampf ums Überleben. Er konnte sich nicht einmal das Unterrichtsmaterial leisten. In New Frame erinnert er sich an diese Zeit wie folgt:

„I had nothing. Absolutely nothing. I would scavenge for leftover paints in the other students’ bins, and would be horrified at what they thought. I would always feel bad for stealing from someone without them knowing. But I had to, because I couldn’t afford it.“

Von der Mülldeponie ins Atelier

Der Mangel an Ressourcen erwies sich jedoch als ziemlich ergiebig. Seine Gemeindeschule erhielt keine staatliche Unterstützung, so dass sie die Schüler*innen dazu anregte, Collagen aus alten Zeitschriften zu erstellen. Ohne Zugang zu diesen traditionellen Materialien war für die künstlerische Arbeit viel Kreativität erforderlich, wodurch Buthelezi seine Sichtweise auf die Kunst und das Leben erweiterte.

Eines Tages in seinem letzten Studienjahr stand er auf dem Balkon seiner Hochschule und grübelte über seine Abschlussarbeit. Unter ihm befand sich ein Laden mit einem riesigen Müllberg. Die knalligen Farben der Plastiktüten und Verpackungen erinnerten an die schönsten Farbpaletten. Schließlich sammelte Buthelezi einen Haufen zusammen und brachte ihn in sein Zimmer, wo das Material wochenlang auf die Umwandlung in ein Kunstwerk wartete.

Der Künstler Mbongeni Buthelezi in seinem Atelier in Booysens, Johannesburg.  Bild © Ihsaan Haffejee

Die Erleuchtung kam einen Monat später in Form des Hausmeisters der Kunsthochschule und seiner Heißluftpistole. Denn Buthelezi wusste, dass Kunststoff schmilzt, wenn er erhitzt wird. Er bat ihn, seine Pistole ausprobieren zu dürfen. Durch die Verwendung von Heißluft anstelle von Flammen werden keine giftigen Dämpfe in die Atmosphäre freigesetzt. Es handelt sich also um eine umweltfreundliche Methode. Obwohl er sich in der ersten Phase der Erprobung der neuen Methode alle zehn Fingernägel verbrannte, war der junge, ausgehungerte Künstler nicht mehr zu bremsen. Er war fest entschlossen, seinen neuen Weg zu gehen.

Buthelezi hielt manchmal sogar auf der Autobahn an, um einen bestimmten Farbton von Plastik zu holen, von dem er wusste, dass er ihn brauchte. Mit der Zeit und viel Übung wurde er zum Meister und fand heraus, dass zum Beispiel das Rot von Coca-Cola-Verpackungen beim „Malen“ lila wird, während sich Weiß in ein rostiges Braun verwandelt.

Während er die Straßen von Johannesburg säuberte, füllte er sein College-Zimmer mit neuen Gemälden.  Thematisch sind diese Porträts primär biografischer Natur, mit Motiven aus seiner Kindheit, Szenen aus dem täglichen Leben und der afrikanischen Geschichte. Wenn man heute seine Bilder bestaunt, bemerkt man nicht einmal, dass für diese plastischen Gemälde keine teuren Öl- oder Acrylfarben verwendet wurden.“Ich benutze Abfall, um etwas Wunderschönes daraus zu machen. Ich sammle etwas, das keinen Wert hat, und gebe ihm neues Leben. Das ist es, was wir mit uns selbst und unserem Leben machen können“, so Buthelezi in Brand South Africa.

Der Durchbruch zum Ruhm

Als er seinen Abschluss machte, besaß er in seinem kleinen College-Zimmer in Jabulani nicht viel mehr als etwa 30 seiner Plastik-Kunstwerke. Diese Bilder fielen jedoch dem südafrikanischen Kunststoffverband auf, der sie damals für ungefähr 7.500 Euro aufkaufte. Ein paar Jahre später sah seine Schwester in der Zeitschrift YOU eine Ausschreibung für einen Kunstwettbewerb in Pretoria, Südafrika. Der Preis: ein brandneuer Ford Fiesta. Doch Buthelezi hatte nur ein Tag gehabt, um was zu basteln. Dennoch hat er trotz der Zeitbeschränkung gewonnen.

Mbongeni Buthelezi und seine plastischen Gemälde

Buthelezi mit seinen Heißluftpistolen. Bild © Ihsaan Haffejee

Der wirkliche Durchbruch folgte 1998, als er ausgewählt wurde, Südafrika bei einer internationalen Ausstellung in Amerika zu vertreten. Das Thema: Künstlerische Interpretationen von Emanzipation. Sie wurde in New York vom Museum für afrikanische Kunst ausgerichtet. Buthelezi war ein Hit, und alle seine Kunstwerke wurden aufgekauft – für damals etwa 18.000 Euro. Eins folgte auf das andere. In den nächsten Jahren verbreitete sich Buthelezis Name schnell und gewann zunächst in amerikanischen, dann in internationalen Kunstkreisen an Bedeutung. Heute schmücken Mbongeni Buthelezis Werke nicht nur zahlreiche Galerien auf der ganzen Welt, sondern vermitteln auch Hoffnung und weisen darauf hin, dass wir eine bessere Zukunft schaffen können – mit dem, was wir bereits haben.

 

Titelbild © Ihsaan Haffejee

 

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2 Kommentare
  1. Anna
    Anna sagte:

    Wow, sehr eindrucksvoll. Ich konnte mir durch deine Beschreibung sehr gut vorstellen, wie der Künstler gelebt haben muss. Tolle Idee den Fluch in einen Segen umzuwandeln. Ich wünsche dem Künstler nur das Beste!
    P.S.: Ich liebe auch diesen Hocker 😀

  2. Svenja Uhl
    Svenja Uhl sagte:

    Eine wirklich inspirierende Story! Die Gemälde von Buthelezi sind wirklich beeindruckend, ich bin mir sicher, da sind viele seiner schwierigen Erfahrungen mit eingeflossen. Ich frage mich, ob er damals gewusst hat, dass das Schmelzen von Plastik mit Heißluft nicht gesundheitsschädigend ist, oder ob er das für die Kunst in Kauf genommen hätte.

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