Unsere Vorstellungen von Kunstschaffenden bilden oft einen romantischen Gegenentwurf zum modernen Arbeitsverständnis. Aber wie viel Arbeit steckt in der Kunst wirklich – und wie verändert sich gerade auch das Kunstgewerbe? Eine Annäherung an das Verhältnis zwischen Kunst und Arbeit mit dem Schweizer Fotokünstler Sebastiano Bucca.
Sebastiano Bucca scannt „leuchtende Luft“. Mit offenem Scanner-Deckel fängt der Schweizer Fotokünstler das Licht von unterschiedlichen Scheinwerfern im Raum ein und hält so eine farbige „Lichtwelt“ fest. Die Inspiration für seine Kunstwerke findet Sebastiano Bucca durch seine Neugier auf Technologien. „Erst wenn ich das Prinzip in etwa verstanden habe, suche ich nach Grenzen. Was ist damit möglich, was kann ich damit auch noch machen?“ Über seine Lichtbilder sagt der 54-jährige Künstler: „Ich wollte wissen, ob ich ohne Fotoapparat fotografieren kann.“
Wie viel Arbeit in der Kunst steckt und wie viel Künstlerromantik am Ende übrig bleibt, beantwortet Sebastiano Bucca im Interview über die Kunst als Arbeit und die Arbeit mit der Kunst.
1. Kunst und Arbeit
Karl Valentin hat gesagt „Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit“ – Ist Kunst für Sie Arbeit?
Für mich ja. Die kreative Arbeit, die meist nicht als Arbeit empfunden wird, ist oft nur ein kleiner Teil des Prozesses. Um ein Werk in die vollendete Form und in einen Ausdruck zu bringen, braucht man Fleiß und Geduld. Und der Weg dorthin ist geprägt durch das Scheitern und dem wieder von vorne beginnen.
2. Arbeitszeit
Lässt sich Kunstarbeit in einen zeitlichen Rahmen setzen?
Ich arbeite zeitlich konzentriert an einem Projekt, dies kann zwei oder drei Wochen am Stück sein. Danach pausiert es, bis die Muse mich wieder packt und dann kommt wieder ein Block.
3. Kreativität
Wann entsteht für Sie Kreativität? Wann Produktivität?
Die Ideen sprudeln in der Langeweile und gehen mit den Gedanken vom Hundertsten ins Tausendste. Eine reelle Ausführung entsteht bei mir meist nur unter Druck, das heißt die Ausstellung naht. Dann entscheide ich mich, was ich aus einer Idee wirklich ausführen werde oder kann.
4. Selbstbestimmung
Bedeutet das mehr Freiheit oder mehr Risiko?
Freiheit mit Risiko! Mit einem Werk exponiert sich der Künstler. Es ist ein Statement. Es braucht Mut dies zu tun. Und je mutiger oder radikaler man ist, desto mehr Aufmerksamkeit oder auch Ablehnung erhält man. Lob und Kritik auszuhalten ist oft schön und gut, aber nicht immer einfach.
5. Funktion von Kunst
Müssen Sie Ihre Arbeit gegenüber dem Publikum legitimieren?
Für mich kann Kunst alles und muss nichts. Sie kann die Augen und den Geist öffnen. Und auch ein Thema in einem anderen Licht zeigen. Utopisch, humorvoll oder auch mahnend. Legitimieren tu ich nichts. Meist versuche ich die Leute mit Humor an die Werke zu führen. Manche hören zu, andere berührt es nicht. Dies ist auch ok so.
6. Kunststudium
Lässt sich Kunst an Hochschulen lehren?
Mein Werdegang ist der autodidaktische Weg. Ich habe Vermessungszeichner gelernt. Grafiker, Webdesign und die Fotografie habe ich in Kursen gelernt oder mir autodidaktisch beigebracht. Ich finde ein Studium bringt viele Vorteile. Weniger für die kunsthandwerkliche Arbeit, sondern mehr für die künstlerische und inhaltliche Zusammenhänge eines Kunstprozesses von der Idee, den Gedanken, der Relevanz, bis zur möglichen Ausführung, Verkauf und die Positionierung als Künstler im Kunstmarkt. Verbindungen und Kontakte sind wichtig. Wie komme ich zu Geld für ein Projekt? Oft legitimiert ein Hochschulabschluss, nebst einer guten Idee eines Werkes, dass man Gelder für sein Werk erhält. Die Beherrschung des Kunsthandwerkes wird oft an den Hochschulen gar nicht mehr gelehrt und ich glaube, dies ist im heutigen Kunstmarkt oft auch zweitrangig. Gewisse Künstler lassen ja für sich arbeiten.
7. Lebensunterhalt
Was ist dran an der brotlosen Kunst?
Meine Brotjobs sind: ein Teilzeit-Pensum als künstlerischer Leiter in der Galerie Mauritiushof in Bad Zurzach (CH). Zudem betreibe ich eine Firma für Fine Art Printing (Kunstdruck) und Fotografie und biete Dienstleistung für Künstler, Galerien und Museen an für Reproduktionen von Kunstwerken auf Papier.
8. Individualität
Was bedeuten ungewöhnliche Werkzeuge wie ein Scanner für Sie?
Wichtig in der zeitgenössischen Kunst ist der Ausdruck, die Botschaft, der Inhalt oder der Kontext zum täglichen Geschehen. Ich arbeite mit Scannern. Damit suche ich meine eigene Sprache, mein Statement, unique zu sein.
Mehr zum Thema und weitere spannende Beiträge gibt es auf unserem Blog Under Construction. Außerdem halten wir unsere Leserinnen und Leser auf Facebook und Instagram auf dem Laufenden.
Mir gefällt es gut, wie du deinen Artikel durch die gelben Farbkleckse auflockerst. Es passt wunderbar zu deinem Thema. Spannend finde ich auch die Texte, die in den Klecksen stehen und dann seine Antworten darauf. Sehr gelungen!