Wir leben in einer digitalisierten Welt, in der alles vernetzt ist. Die alltäglichsten Dinge wie Kommunikation oder das Lesen eines Buches finden mittlerweile größtenteils über digitale Endgeräte statt. Doch verdrängen Smartphones, Tablets und Co. mit ihren Funktionen deren analoge Alternativen? Ergänzen sie diese nur oder werden wir in naher Zukunft sogar ein Revival des Papiers erleben?
Ob nun das Lesen eines Buches auf dem E-Book-Reader, das Schreiben von dutzenden, wenn nicht gar hunderten Nachrichten pro Tag auf dem Smartphone, Kommunikation via E-Mail oder der Terminkalender, der nur noch virtuell existiert. Wir alle nutzen sie jeden Tag und kennen nur zu gut die digitalen Gegenspieler des herkömmlichen Papiers. Im Zuge der Digitalisierung unserer Welt scheint kaum noch jemand Briefe zu schreiben oder tatsächlich richtige Bücher zu besitzen. Studierende bringen Literatur nicht mehr ausgedruckt mit ins Seminar, sondern als PDF auf dem Laptop. Völlig selbstverständlich und soweit auch ganz normal. Das alles spart natürlich Aufwand und Geld.
Papier liegt wieder voll im Trend
Doch entgegen der Wahrnehmung, dass keiner mehr zum Papier zu greifen scheint, geht der Trend mittlerweile wieder zurück zum Analogen. Das beste Beispiel ist das Buch: Hier zeigt sich bezogen auf die USA und Großbritannien, dass die Verkaufszahlen von E-Book-Readern im Jahr 2011 ihren Höchststand erreichten, jedoch in den darauffolgenden fünf Jahren um 40 Prozent sanken. Für Bücher steigen sie seit Jahren wieder stetig an. Einer der Hauptgründe dürfte wohl die Entwicklung des auch hierzulande längst bekannten Trends des „Digital Detox“ sein. Menschen verbringen schlichtweg zu viel Zeit vor dem Bildschirm und gönnen sich mit dieser digitalen Entgiftung eine Auszeit. Auch das Notizbuch oder der Kalender in haptischer Form sind trotz Digitalisierung aus unserer Welt nicht wegzudenken. So tendieren immer mehr Menschen dazu, ihre Gedanken und Ideen in Form eines sogenannten „Bullet Journals“ auf Papier zu strukturieren, statt die vermeintlich leichtere digitale Lösung anzustreben. Gemäß dem Leitspruch „The Analog Method for the Digital Age“ werden diese speziellen Notizbücher mittlerweile sehr erfolgreich vertrieben. Sie kombinieren dabei digitale Denkweisen mit dem analogen Strukturieren von Notizen.
Die greifbare Erfahrung
Der österreichische Grafiker Michele Falchetto ist ebenfalls Entwickler eines ähnlichen Notizbuches, das vernetztes Denken mit dem analogen Papier verbindet. Er betont, dass es beim Niederschreiben auf Papier um das Fühlen des Papiers und die greifbare Erfahrung geht, etwas mit Tinte auf das Papier zu bringen. Es sei ein Instrument, das Raum zum Denken schaffe, der im digitalen Zeitalter immer weniger vorhanden sei. Dieser einzigartigen Erfahrung kommt, laut Falchetto, kein einziges digitales Werkzeug nahe. So ist es auch beim Buch. Das Gleiten der Finger über die Seiten hinweg, das Geräusch beim Umblättern. Der Geruch der Druckerschwärze. Vielleicht ein schönes Cover oder eine spezielle Optik, ein individuell gestaltetes Lesezeichen. Oder aber einfach das schöne Bücherregal, das zeigt, welche Sammlung im Laufe der Jahre entstanden ist. All diese Eigenschaften machen Bücher so besonders. Und wenn man ehrlich ist, hat es ein E-Book-Reader da schwer, mitzuhalten.
Ähnlich ist dies auch bei zwei längst totgeglaubten Schriftstücken, dem Brief und dem Tagebuch. Es ist keine Überraschung, dass die greifbare Erfahrung den beiden im Vergleich zum Digitalen gewisse Vorteile beschert. Die Annahme, niemand würde mehr Briefe oder Tagebücher schreiben, ist so also nicht wahr. Während digitale Adaptionen oft eher praktische Zwecke erfüllen, geht es beim Brief oder Tagebuch um haptische, kreative, aber vor allem emotionale Aspekte.
Das Papier holt auf
Wie man sieht, herrscht das Zeitalter der Verfechter von digitalen Medien, das uns vermeintlich endlose Vorteile gegenüber dem klassischen Papier verspricht. Doch das ist längst veraltet. Denn das Papier holt auf. Vor allem beim Kostenfaktor und dem Thema Umwelt. Zwar sind E-Books in vielen Fällen billiger als gedruckte Bücher. Bei Büchern machen, laut Matthias Koeffler, Herausgeber der Brancheninfo Langendorfs Dienst, aber vor allem die Bereiche Lektorat, Marketing und Vertrieb und weniger der eigentliche Druck die Hauptkosten aus. Und das sind Bereiche, die gleichermaßen sowohl digital als auch analog anfallen. Die Produktionskosten beider Versionen gestalten sich daher also nicht so unterschiedlich, wie so oft vermutet. Im akademischen Bereich, also vor allem bei wissenschaftlichen Arbeiten, seien E-Books oftmals sogar teurer als das gedruckte Wort. Dies hängt schlichtweg damit zusammen, dass digitale Versionen sich dort größerer Beliebtheit erfreuen.
Zeitung lesen für den Klimaschutz?
Wie unter anderem folgendes Video des Bayerischen Rundfunks zeigt, sind digitale Adaptionen oft klimaschonender als deren gedruckte Alternativen. Durch Langzeitspeicherung von Dateianhängen beispielsweise kann aber auch eine E-Mail schnell eine viel höhere CO2-Bilanz vorweisen als ein einfacher, wenn auch handschriftlich geschriebener Brief. Des Weiteren wirkt sich ein E-Book-Reader zwar grundsätzlich positiver auf die Klimabilanz aus als ein gedrucktes Buch (etwa ein Zehntel des CO2-Ausstoßes). Wie andere Quellen jedoch belegen, kommt es auch hier auf die Lesesituation an. Wenn es darum geht, Formate online mit dem Computer zu lesen statt sie auf einen E-Book-Reader zu überspielen, sieht die Bilanz hier deutlich negativer aus. Studien zeigen, dass sich ein E-Book-Reader darüber hinaus im Vergleich zum herkömmlichen Papier erst ab einem Papierverbrauch von mehreren tausend Seiten pro Jahr auch tatsächlich lohnt.
Als passendes Beispiel für den immer noch weit verbreiteten Irrglauben, digital wäre in jedem Fall klimaschonender als analog, kann die Papierzeitung genannt werden. Laut Greenpeace kann diese sogar ökologischer sein als eine elektronische, wenn sie mindestens eine halbe Stunde oder von mehr als drei Personen gelesen wird. Denn online steigt der Umweltschaden mit der Lesedauer. Sollen wir jetzt also die gedruckte Zeitung lesen für den Klimaschutz? Nicht wirklich. Letztendlich wird es eine persönliche Präferenz bleiben, ob man sich nun für digital oder analog entscheidet. Die Unterschiede zwischen beiden Formen sind jedenfalls bezüglich Umwelt und Kosten nicht so groß, wie vielleicht zunächst von vielen vermutet.
Der digitalen Ablenkung trotzen
Papier ist trotz zahlreicher Modernisierungs- und Digitalisierungsentwicklungen in unserer Gesellschaft nicht aus unserem Alltag wegzudenken. Nach wie vor finden viele Menschen den Weg zurück zum Papier. Sie schreiben Notizen in ein Notizbuch statt auf dem Smartphone, benutzen einen gebundenen Kalender statt die Kalender-App oder greifen zum guten alten Buch aus Papier und pflegen eine Büchersammlung im Regal statt auf dem Bildschirm. Vielleicht weil sie sich der steigenden Dominanz des Technischen oder Digitalen in unserer Welt ein Stück weit entziehen wollen. Oder aber das haptische Feedback, die „Freiheit der leeren Seite“ oder einfach das Gefühl beim Schreiben mit Tinte zurückgewinnen wollen. Papier in seinen vielfältigen Formen gibt Raum für Kreativität und Produktivität, regt zum Denken an und hilft uns schließlich, uns auf das Wesentliche zu konzentrieren, ohne dabei digital abgelenkt zu werden. Oder um es wie Michele Falchetto zu formulieren: Das Notizbuch habe einen Nachteil, der zugleich sein größter Vorteil sei, nämlich, dass man keine E-Mails bekommen kann.
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Auf jeden Fall ein interessanter Beitrag, danke dafür! Bisher dachte ich ehrlich gesagt auch, dass die digitalen Varianten zu Papier deutlich umweltschonender wären. Trotzdem nutze ich selbst am liebsten Notizbücher und Kalender aus Papier, drucke meine Unitexte meistens aus und lese noch sehr gerne richtige Bücher und Magazine. Nun zu wissen, dass man deshalb kein ganz so schlechtes Gewissen haben muss, beruhigt irgendwie 😀 🙂