Meist sieht man sie nicht, aber man sieht, ob sie da waren: Reinigungskräfte. Sie halten unsere Büros, Toiletten oder auch Krankenhauszimmer sauber. Dafür sorgt Bilge Yīlmaz (33) seit sieben Jahren, zuletzt in den Kliniken der Universitätsstadt Tübingen.
Wir treffen uns im Keller des Krankenhauses. Die Wände sind betongrau, die Decken niedrig. Der Aufenthaltsraum ist hell und mit braunen modernen Holzmöbeln ausgestattet. Frau Yīlmaz ist nervös, es ist ihr erstes Interview. Sie antwortet teilweise auf Türkisch, ihre stellvertretende Vorgesetzte Cicek Basdas übersetzt für sie. Auch ihre Chefin Bianca Kasper unterstützt ihre Angestellte. Frau Basdas bemerkt: „Man könnte den Standort unserer Büros auch mit Anerkennung in Verbindung bringen. Aber mich stört die Lage nicht, wir arbeiten sowieso in den oberen Stockwerken auf den Stationen. Hauptsache, wir haben Büros.“ In der Klinik muss Bilge Yīlmaz genau wissen, wie sie mit Keimen und unterschiedlichsten Arten von Verunreinigungen umgehen muss, und trägt damit eine große Verantwortung.
Wie sind Sie zu der Stelle als Reinigungskraft gekommen?
Ich habe mich gezielt bei den Kliniken beworben, weil mich das Feld interessiert hat. Zuerst habe ich in der zugehörigen Hotelbetreuung angefangen, dann war ich in der Unterhaltsreinigung und jetzt arbeite ich in der Krankenhausreinigung. In der Türkei hatte ich vorher keinen Beruf.
In welchen Bereichen arbeiten Sie in der Klinik?
Ich bin in der OP-Reinigung, der Rufbereitschaft und dem GMP-Bereich (Good Manufacturing Practice). Im GMP-Bereich wird mit Stammzellen gearbeitet, das ist das sensibelste Gebiet. Hier gelten die höchsten Anforderungen an uns, es muss alles täglich desinfiziert werden. Die Führungskräfte haben entschieden, dass ich dafür geeignet bin, weil ich verlässlich bin und genau genug arbeite. Man kann hier nicht alles schnell schnell machen. Wenn ich Rufbereitschaft habe, desinfiziere ich Räume, in denen zuvor ein infektiöser Patient war. Dafür muss man wissen, wie man mit welchen Keimen umgeht und mit welchem Mittel man putzen muss. Ich interessiere mich immer für Neues, und diese Eigenschaft braucht man in unserem Beruf auch.
Mit welchen Problemen haben Sie in diesem Job zu kämpfen?
Es ist schwierig, die kranken Kinder oder Krebspatienten zu sehen, aber ansonsten macht mir die Arbeit Spaß.
Was sind die positiven Aspekte an Ihrem Beruf als Reinigungskraft?
Ich habe nette Arbeitskollegen und tolle Führungskräfte. Gegenseitigen Respekt erwarte ich und bekomme ich von allen. Meine Arbeit hier ist mit viel Verantwortung verbunden.
Bianca Kasper, ihre Chefin, wirft ein: Es ist eine sehr wichtige Arbeit. Man sieht nie, ob der Arzt da ist oder nicht. Aber man sieht immer, ob die Reinigungskraft da war oder nicht.
„Meine Familie und meine Freunde waren zuerst nicht begeistert.“
Erzählen Sie Menschen, die Sie gerade erst kennen lernen, von Ihrem Beruf?
Ja, ich erzähle das einfach so. Ich bin zufrieden in meinem Beruf und schäme mich nicht dafür. Manchmal sind die Reaktionen der anderen gut, manchmal eher nicht so.
Was war die schlimmste Reaktion, die Sie bis jetzt erlebt haben?
Wenn Sie in türkischen Kreisen sagen, dass Sie Reinigungskraft sind, sehen manche das als niedrige Arbeit an. Vielleicht liegt es an der Nationalität oder dem Gedanken, man habe nichts gelernt. Meiner Familie und meinen Freunden habe ich davon erzählt, und zuerst waren auch sie nicht begeistert. Aber wir motivieren uns selbst, denn wir machen unsere Arbeit gerne.
Haben Sie das Gefühl, dass Ihre Arbeit jetzt anerkannt wird?
Ja, jetzt erkennen alle meine Arbeit an. Auch alle Klinikmitarbeiter begegnen uns immer mit Respekt.
„Jeder sollte begreifen, wie wichtig unsere Arbeit ist.“
Welche unbegründeten Vorurteile haben Ihrer Meinung nach Menschen über Reinigungskräfte?
Viele denken, die Reinigung sei einfach und das könne jeder machen, denn man braucht ja keine Ausbildung. Es ist für sie kein Beruf, man hat damit keine Zukunft. Klar kann es jeder machen, aber erst, wenn man es gelernt und die entsprechenden Schulungen besucht hat, um in speziellen Bereichen im Krankenhaus arbeiten zu können.
Bianca Kasper: Es gehört schon einiges dazu. Allein, wie meine Mitarbeiter Schutzkleidung anlegen und sich in den Operations- und GMP-Bereich ein- und ausschleusen müssen. Darin sieht man aus wie ein Astronaut im Vollanzug. Sie müssen genau wissen, was sie tun und das können nicht alle.
Wünschen Sie sich, dass Ihre Arbeit auch von denjenigen anerkannt wird, die ein negatives Bild von Reinigungskräften haben?
Ja, jeder sollte begreifen, wie wichtig unsere Arbeit gerade im GMP-Bereich ist. Wir arbeiten dort auch mit Blutspenden und radioaktivem Material der Radiopharmazie. Es muss alles keimfrei sein, und ich muss vorsichtig mit den Stoffen umgehen. Zur Sicherheit haben wir aber ein Dosimeter und den Partikelalarm in den Räumen.
Ist Ihnen in diesen sensiblen Bereichen einmal etwas passiert?
Einmal wurde der Alarm in der Radiopharmazie ausgelöst und meine Strahlendosis musste kontrolliert werden. Ich habe mir Sorgen gemacht, zu viel von der Radioaktivität abbekommen zu haben.
Wie sehen Sie Ihre Zukunftsperspektiven?
Wegen des Verdienstes mache ich mir keine Sorgen. Ich habe zwei kleine Kinder, und wenn sich mit ihnen alles eingespielt hat, will ich noch etwas anderes machen. Deshalb besuche ich gerade einen Deutschkurs. Entweder will ich weiter im Reinigungsbereich arbeiten oder etwas ganz anderes machen, da habe ich mich aber noch nicht festgelegt. Besonders die weiteren GMP-Bereiche der Klinik interessieren mich.
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Spätestens seit dem „Tatortreiniger“ wissen wir, wie viel Wissen und Chemie hinter dem „Saubermachen“ stecken. Trotzdem ist es immer wieder wichtig, solche Berufe ins Licht zu rücken, denn sie werden noch viel zu oft abwertend abgetan. Diese körperliche Arbeit hat unseren vollsten Respekt und die größte Anerkennung verdient. Danke also an dich, Luisa :)!
Thank you for this informative interview! It is always interesting to read about professions and/or services which people tend to take for granted. As you point out in your interview, just because such professions do not require lengthy education does not mean they do not require meticulousness and skill. Especially in the hospital context, one might argue that such work is crucial in supporting the work of more recognized professions, such as doctors and nurses.
Danke, dass du zeigst, was hinter einen so stigmatisierten Beruf eigentlich steckt. Nein, nicht jeder kann putzen und nicht jeder kann Taxi fahren! Floskeln wie: „Ich studiere Kunst und danach werde ich Putzfrau“ sind deshalb wirklich nervig. Ich fand es interessant zu sehen, wie viel Spaß ihr die Arbeit macht und auf was man in der Klinik achten muss. Besonders, dass sie es schwer findet die kranken Kinder zu sehen oder die Gefahr von Radioaktivität zeigen, dass es kein leichter Job ist.
Schade, dass es für solche Tätigkeiten teils noch an der angebrachten Wertschätzung mangelt! Abgesehen davon hat jeder Beruf, bei dem die Strahlendosis des Arbeitnehmers nach einem Zwischenfall kontrolliert werden muss, meinen größten Respekt verdient! :O