Das Handwerk – es ist fast so alt wie die Menschheit selbst. Und wie die Menschheit, veränderte sich auch das Handwerk im Laufe der Jahrhunderte. Neue Handwerkskünste wurden erfunden, alte starben aus. Auch heute gibt es eine ganze Reihe von alten Handwerksberufen, die langsam verschwinden. Warum ist es überhaupt wichtig, die alten Handwerkskünste zu erhalten? Und was sagen Handwerker zu der Lage ihrer Gewerke?

Historische Darstellung eines Böttchers aus: Was willst du werden? Bilder aus dem Handwerkerleben. Berlin : Winckelmann 1880

Historische Darstellung eines Böttchers aus: Was willst du werden? Bilder aus dem Handwerkerleben. Berlin: Winckelmann 1880

In Deutschland gibt es rund 130 Ausbildungsberufe im Handwerk. Die meisten davon sind uns bekannt, etwa Bäcker, Zimmerer und Scherenschleifer. Wir haben eine Vorstellung davon, was diese Berufsgruppen machen. Andere, vor allem ältere Handwerke, sind uns weniger geläufig. Kaum ein junger Mensch weiß heute noch auf Anhieb, was ein Böttcher, Kürschner oder Drechsler macht. Der Böttcher oder auch Küfer etwa ist für die Herstellung von Behältern und Gefäßen wie Weinfässern zuständig. Ein Kürschner stellt Pelze her, und ein Drechsler kümmert sich unter anderem um aufwendig verzierte Treppengeländer aus Holz. Nun könnte man behaupten, dass in unserer industrialisierten Welt Berufe wie diese oder auch Gewerke wie der Pinsel- und Bürstenmacher oder der Holzspielzeugmacher einfach nicht mehr zeitgemäß sind – ganz so einfach ist es allerdings nicht.

Handwerk ist Kultur

Viele Handwerksberufe zählen zum sogenannten Kulturhandwerk. Das bedeutet, diese Handwerkskünste sind ein wesentlicher Bestandteil der europäischen Kultur und prägen unsere Gesellschaft und das Erscheinungsbild vieler Orte maßgeblich. Man stelle sich nur mal norddeutsche Küstenstädtchen ohne Reetdächer oder das Erzgebirge ohne seine geschnitzten Figuren vor. Genau aus diesem Grund nimmt die UNESCO seit 2013 auch traditionelle Handwerkstechniken in ihre Liste des immateriellen Kulturerbes auf. Bisher aufgenommen wurden beispielsweise das Reetdachdecker-, Flecht- und Drechslerhandwerk.

Ohne Handwerk keine Schlösser, Burgen oder Denkmäler

Aber nicht nur die UNESCO bemüht sich traditionelles Handwerk zu erhalten: Auch der Zentralverband der Deutschen Handwerker und die Deutsche Stiftung für Denkmalschutz setzen sich aktiv für die Bewahrung alter Handwerkskünste ein. Denn historische Gebäude, Denkmäler und Kulturgüter brauchen genau diese alten Handwerkstechniken, um auch in Zukunft erhalten bleiben zu können. Werden diese Handwerke nicht an die nächste Generation weitergegeben, gehen sie mit den demnächst in Rente gehenden Handwerkern verloren. Ohne dieses Wissen kann man jedoch so manche Parkettböden in Schlössern oder Sockel von Denkmälern nicht mehr fachgerecht restaurieren.

„Biologische Ausdünnung“

Historische Darstellung eines Buchbinders aus: Was willst du werden? Bilder aus dem Handwerkerleben. Berlin : Winckelmann 1880

Historische Darstellung eines Buchbinders aus: Was willst du werden? Bilder aus dem Handwerkerleben. Berlin: Winckelmann 1880

Schon heute gibt es in Deutschland in einigen Gewerken immer weniger Betriebe. Die Anzahl der Buchbinderbetriebe hat sich in den letzten 20 Jahren beispielsweise fast um ein Drittel reduziert – meist schließen die Betriebe, weil ihre Inhaber ins Rentenalter kommen. „Biologische Ausdünnung“ nennt dies Buchbinder Christfried Wenke. Wenke erlernte seinen Beruf vor über 60 Jahren, und auch wenn er selbst keine Lehrlinge mehr ausbildet, glaubt er doch, dass es Buchbinder wahrscheinlich immer geben wird. Schließlich werden Bücher auch noch in hundert Jahren für die Nachwelt erhalten werden müssen. Im Allgemeinen findet Wenke: „Es ist wichtig, dass alte Handwerksberufe erhalten bleiben.“ Und scherzt weiter: „Wir haben ja auch das dunkle Mittelalter, wo nichts aufgeschrieben wurde, überlebt. Ich bin zuversichtlich, dass Leute wieder die Haptik von Dingen kennenlernen und erkennen, wie schön Handwerksprodukte sind – schließlich sind es Unikate.“ Er glaube an ein erneutes Aufblühen seines Handwerks – und tatsächlich könnte Wenke mit seiner Hoffnung auf einen Aufschwung der Handwerksberufe richtig liegen.

Die Renaissance des Handwerks

Während sich bei einigen alten Handwerksberufen die Anzahl der Betriebe in den letzten Jahrzehnten stetig reduziert hat, erfahren wieder andere eine Art Renaissance. Vor allem das Arbeiten mit Holz scheint wieder beliebter zu werden. Eines dieser Gewerke, deren Anzahl an Betrieben sich seit 1998 wieder kontinuierlich gesteigert hat, ist das Kulturhandwerk des Geigenbauers. Anders als andere Handwerke ist und war der Geigenbau auch nie vom Aussterben bedroht, so Geigenbauerin Almut Schubert. „Der Beruf des Geigenbauers stirbt nie aus. Er ist nie ausgestorben, außer vielleicht in ganz, ganz kritischen historischen Situationen, aber da brach dann alles zusammen.“ Schubert hat zunächst studiert, fand dann aber doch den Weg zu ihrer eigentlichen Leidenschaft, den Streichinstrumenten, zurück. Das Berufsbild des Geigenbauers sei Beständig, sagt Schubert. Dies ergebe sich vor allem dadurch, dass Geigenbauer durch das gebaute Instrument daran beteiligt sind Musik entstehen zu lassen. „Mit Musik und dementsprechend auch Instrumenten beschäftigen sich Menschen schon immer. Sie sind überall hin tranportabel und kommunikativ, auch über Sprachgrenzen hinaus.“ Das Gewerk des Geigenbauers sei aufgrund seiner Beständigkeit ein sicherer und „vor allem auch ein toller Beruf für Frauen. Er ist körperlich nur bedingt anstrengend und gut mit einer Familie vereinbar. Man könnte ihn vom Küchentisch aus machen“, so Schubert. Weiter erzählt sie, dass nicht unbedingt das Handwerks selbst, sondern eher was aus ihm entsteht – in Schuberts Fall Musik – unsere Kultur und Gesellschaft prägen. Handwerksberufe machen unsere Kultur überhaupt erst möglich.

Man sieht also: Es ist wichtig, das Wissen der traditionellen Handwerksberufe zu bewahren und weiter zu geben. Denn ohne dieses Wissen wird es uns in der Zukunft nicht mehr möglich sein, unser Kulturerbe zu pflegen und aufrecht zu erhalten. Vielleicht ist es natürlich, dass es einige Gewerke in Zukunft immer weniger geben wird. Das ist der Lauf der Zeit, aber es ist von großer kultureller Bedeutung, dass das alte Handwerk nicht ganz verschwindet, sodass Menschen auch noch in hundert Jahren durch Altstädte mit Fachwerkfassaden und Reetdächern schlendern oder Bücher aus dem Mittelalter bewundern können. Nur so können wir das Gedächtnis der Vergangenheit bewahren.

 


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1 Antwort
  1. Laura Mitlewski
    Laura Mitlewski sagte:

    Liebe Franzi, ein wirklich schönes Fazit, das du hier ziehst. Ich habe mir neulich die alten Unterlagen meines Großvaters angesehen. Er war technischer Zeichner und ich konnte kaum glauben, zu was der Mensch – ganz ohne Computer – in der Lage ist. Ich frage mich, welches Handwerk, das heute noch aktuell ist, morgen möglicherweise ausgestorben ist.

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