Sie sind klein, bunt und unzerstörbar. Sie halten fest zusammen. Aus ihnen kann eine ganze Welt geschaffen werden. Seit Jahrzehnten sind Legosteine aus Kinderzimmern nicht mehr wegzudenken. Wie die Plastiksteine zu Spieleklassikern wurden und warum manche sie für das genialste Spielzeug der Welt halten, erfährst du in diesem Beitrag.

Ich erinnere mich noch an die grüne Plastikkiste unter dem Bett meiner Schwester. Eine Kiste voller Möglichkeiten! Randvoll gefüllt mit eckigen, bunten Plastiksteinen, die zusammen alles ergeben konnten. Auf dem Teppich in ihrem Zimmer bauten wir aus ihnen ein ganzes Haus samt Dachschrägen, Fenstern und Eingangstreppe. Papa half uns tatkräftig. Beim Spielen lernten wir ein paar wichtige Grundlagen der Statik, wie kreativ man die kleinen Steine einsetzen kann – und wie verdammt weh es tut, wenn man barfuß auf einen der Steine tritt.

Ähnliche Erinnerungen wie diese verbinden wohl Menschen auf der ganzen Welt mit dem Spielzeug der Firma Lego. Denn seit Jahrzehnten sind Legosteine ein fester Bestandteil in Kinderzimmern rund um den Globus. Besonders beliebt sind die Plastiksteine in Europa und Nordamerika, mittlerweile erobern sie auch den asiatischen Kontinent. Aber wie kam es eigentlich dazu?

Wie Lego zu seinem Namen kam

Ole Kirk Christiansen mit Sohn Godtfred und Enkel Kjeld. Eine Welt aus LEGO

Drei Generationen auf einem Bild: Ole Kirk Christiansen mit Sohn Godtfred und Enkel Kjeld. Kjeld Kirk Christiansen ist noch immer in der Leitung des Familienunternehmens tätig. © Lego

Die Geschichte von Lego beginnt mit einem Tischler im dänischen Dorf Billund. Ole Kirk Christiansen betreibt seit 1916 eine kleine Schreinerei, die auf Hausbau und Haushaltsgegenstände spezialisiert ist. Aus den anfallenden Holzabfällen bastelt er hin und wieder für seine Söhne kleine Autos und anderes Spielzeug. Als die Wirtschaftskrise seinen Betrieb in finanzielle Schwierigkeiten treibt, beschließt er 1932, seine ganze Produktion auf Holzspielzeug auszurichten. Statt Trittleitern und Bügelbrettern fertigt er nun Miniaturhäuser, Lastwagen mit Rädern aus ausgedienten Jo-Jos und Holztiere, die man an einer Schnur hinter sich herziehen kann. Damals ist ihm wohl noch nicht klar, dass er mit dieser Entscheidung den Grundstein für ein Unternehmen legt, das einmal zu den größten Spielwarenherstellern der Welt zählen wird.

Zwei Jahre später schreibt Christiansen einen Wettbewerb aus, um einen Namen für seine Spielwarenfirma zu finden. Der Preis ist eine Flasche Rotwein. Er überreicht sie sich schließlich selbst, als er den Geistesblitz hat: Lego. Der Name leitet sich vom dänischen „leg godt“ ab, was so viel heißt wie „spiel gut“. Unter diesem Namen führt Christansen das Unternehmen auch durch die deutsche Besatzung Dänemarks, einen Fabrikbrand, finanzielle Engpässe und andere schwierige Zeiten.

Die Geburtsstunde des Legosteins

Im Jahr 1947 entdeckt Christiansen auf einer Messe in Kopenhagen eine neuartige Kunststoff-Spritzgussmaschine, die frisch in Dänemark eingetroffen ist. Er ist fasziniert von den vielen Möglichkeiten, die die Maschine bietet – und von den simplen Plastiksteinen, die zur Demonstration der Maschine gegossen werden. Kurzerhand investiert er eine Menge Geld, wird zum Besitzer einer der ersten Spritzgussmaschinen des Landes und beginnt, mit Spielzeug aus Kunststoff zu experimentieren. Im Zuge dessen produziert er winzige Plastikteddybären, Rasseln und Traktoren aus zahlreichen Plastik-Einzelteilen.

Das Patent für den Legostein mit Röhrensystem. Eine Welt aus LEGO

Godtfred Kirk Christiansens Patent für das Steck-Röhrensystem hebt Lego von anderen Klemmbausteinen ab. Es ist mittlerweile ausgelaufen. © Wikimedia Commons

Aber auch die Idee der Plastiksteine, aus denen man einfach alles bauen kann, lässt ihn nicht los. Ab 1949 stellt Christiansen daher aus Celluloseacetat die Klemmbausteine her, für die Lego berühmt werden soll. Durch Noppen auf der Oberseite lassen sich die Bausteine beliebig ineinander stecken und kombinieren, wodurch sie genauso vielseitig sind wie der Kunststoff, aus dem sie bestehen. Das Spielprinzip ist damals aber nicht neu. Lego selbst orientiert sich an einem Design des britischen Spielzeugmachers Hilary Page. Die ersten Legosteine nach diesem Vorbild sind innen allerdings noch hohl, weshalb sie nicht wirklich stabil zusammenhalten.

Das ändert sich, als Oles Sohn Godtfred – mittlerweile erwachsen und Teilhaber der Firma – das charakteristische Röhrensystem für die Unterseite der Legosteine erfindet. Dieses gibt den Plastiksteinen genug Halt, um fest auf den Noppen des jeweils darunterliegenden Steins zu stecken. Am 28. Juli 1958 meldet Godtfred das dazugehörige Patent an. Es ist die Geburtsstunde des Legosteins, wie wir ihn heute immer noch kennen.

Eine Welt aus Lego – das System hinter dem Erfolg

Der klassische, rechteckige Legostein mit acht Noppen entspricht den Maßen eines normalen Backsteins, nur siebenfach verkleinert. Außer dieser Standardgröße gibt es Legosteine mittlerweile in vielfältigen Formen, Größen und Funktionen. Lego Duplo zum Beispiel wurde speziell für Kleinkinder geschaffen: Diese Bausteine sind doppelt so groß wie die normalen und daher nicht so leicht zu verschlucken. Daneben gibt es flache Bauplatten, transparente Fenster-Teile, flexible Scharniere, funktionelle Liftarme, rollende Reifen (Lego zählt tatsächlich zu den größten Reifenherstellern der Welt) und natürlich die berühmten Legomännchen oder Minifigs. Das Besondere daran: Durch das spezielle Röhrensystem und die genormten Noppen sind so gut wie alle dieser Teile miteinander kombinierbar. Und weil sich die Maße des Grunddesigns seit den 1960er Jahren nicht verändert haben, lässt sich ein 60 Jahre alter Legostein immer noch problemlos mit einem zusammenstecken, den man heute im Laden kaufen kann.

Star-Wars-Figur BB-8 komplett aus Legosteinen nachgebaut. Eine Welt aus LEGO

Den Droiden BB-8 aus dem Star-Wars-Universum kann man vollständig aus Lego nachbauen. © Svenja Uhl

Die meisten dieser Teile sind in Sets zu kaufen, die verschiedene Themenbereiche abdecken – von Feuerwehrstationen oder Krankenhäusern bis hin zu Burgen und Schlössern. Auch Piratenschiffe, Space-Shuttles, Rennwagen, Ninjas, Drachen oder Pferderanches sind im Angebot. Zu den beliebtesten gehören aber wohl die Lizenzprodukte, die Motive aus Werken wie Harry Potter, Spider-Man oder Disneyfilmen abbilden. Allen voran: Star Wars mit aktuell über 400 erhältlichen Lego-Sets.

Fans können heute aber auch eigene Ideen und Designs einsenden. Mit Glück und viel öffentlicher Zustimmung wird daraus ein offizielles Set, das man im Geschäft kaufen kann. Der Fantasie sind dabei keine Grenzen gesetzt. Dank Hsinwei Chi aus Taiwan kann man zum Beispiel ein klassisches Jazz-Quartett samt Trompete, Kontrabass, Konzertflügel und Schlagzeug aus Legosteinen zusammensetzen. Auch Vincent van Goghs berühmtes Gemälde Sternennacht wurde auf Vorschlag des Hongkonger Fans Truman Cheng in ein Lego-Set verwandelt.

Dieses Lego-Set bildet das Gemälde "Sternennacht" von Vicent van Gogh. Es wurde von einem Fan designt und wird nun offiziell verkauft. Eine Welt aus Lego

Dieses Lego-Set verwandelt das Gemälde Sternennacht von Vicent van Gogh in ein 3D-Modell. Es wurde von einem Fan designt und wird nun offiziell verkauft. © Lego

Woraus wird ein Legostein gemacht?

Während die allerersten Legosteine noch aus Celluloseacetat hergestellt wurden, bestehen seit 1963 fast alle Legosteine aus ABS (Acrylnitril-Butadien-Styrol-Copolymer). Das ist ein sehr stabiler, thermoplastischer Kunststoff, der als feuchtigkeitsabweisend, kratzfest und wärmebeständig gilt. Trotz seiner Robustheit lässt er sich einfach verarbeiten und lackieren, was ihn zu einem echten Allrounder macht – genau wie der Legostein selbst einer ist. In seiner erstarrten Form ist ABS abriebfest und erzeugt dadurch kein Mikroplastik. Da man es einschmelzen kann, ist das Material prinzipiell auch recycelbar.

Vor drei Jahren kündigte Lego allerdings an, in Zukunft auf nachhaltigere Materialien setzen zu wollen. Bis 2030 sollen Produkte aus erneuerbaren oder recycelten Stoffen bestehen. Diese Stoffe müssen aber erst noch entwickelt werden und dürfen den herkömmlichen Legosteinen in ihrer Qualität nicht nachstehen. Im Moment experimentiert das Unternehmen mit Prototypen aus recycelten PET-Flaschen, die sich noch in der Testphase befinden. Erste Bauteile aus Bioplastik sind dagegen schon auf dem Markt: Seit 2018 kann man biegsame Elemente, wie (passenderweise) Bäume, Sträucher und andere Pflanzen, aus Bio-PE (Bio-Polyethylen) kaufen. Das Material wird aus brasilianischem Zuckerrohr hergestellt und ist biologisch abbaubar. Der Gedanke mag zwar löblich sein, aber ob abbaubare Legosteine überhaupt sinnvoll sind, bleibt umstritten.

Lego – „das genialste Spielzeug der Welt“

Aber egal, ob aus ABS, Bio-PE, PET oder einer anderen Buchstabenkombination – eines ist eindeutig: Dass er aus Plastik ist, hat der Beliebtheit des Legosteins bisher nicht geschadet. Heutzutage sind ihm ganze Themenparks und Filmreihen gewidmet, die Kinder in aller Welt dazu animieren sollen, ihre Eltern um Lego anzubetteln. Im Jahr 2020 war die Firma mit 5,9 Milliarden Euro sogar der umsatzstärkste Spielzeughersteller weltweit und schlug damit auch Barbiepuppenfabrikant Mattel und das deutsche Unternehmen Playmobil. Aber warum ist das so?

Um herauszufinden, was Lego so beliebt macht, habe ich in meinem Umfeld mal nachgefragt. Für Marlon, den zehnjährigen Bruder einer Freundin und eingefleischten Lego-Fan, ist die Antwort klar: „Man kann damit alles bauen!“ Es macht ihm großen Spaß, schwierige Sets zusammenzufügen, denn er mag die Herausforderung einer komplizierten Anleitung. Sollte die ungenau oder unvollständig sein, improvisiert er auch mal und wird kreativ. Marlons Lieblingsset ist ein orangefarbener, ferngesteuerter Lamborghini. „Aber es gibt auch noch so viele Sets, die ich noch nicht gebaut habe.“

Der Eingang zu einem LEGO-Shop in Frankfurt. Eine Welt aus LEGO

Dieser Lego-Shop in Frankfurt ist sehr gut besucht. Die Plastiksteine begeistern Jung und Alt. © Svenja Uhl

Lego zieht aber nicht nur Kinder in seinen Bann. Auf der letzten Familienfeier erzählte mein frisch in Rente gegangener Onkel, er bastele gerade an einem James-Bond-Auto aus Lego. Und für den norwegischen Schriftsteller Jostein Gaarder ist Lego gar „das genialste Spielzeug der Welt“. In seinem philosophischen Roman „Sofies Welt“ benutzt er Legosteine als eine Metapher für die Atomlehre des griechischen Denkers Demokrit. Denn wie Atome sind auch Legosteine unteilbar, lassen sich beliebig kombinieren und können so eine ganze Welt erschaffen.

Nach all dieser Recherche habe ich selbst wieder Lust bekommen, meine eigene Welt aus Lego zu erschaffen. Leider besitze ich die grüne Plastikkiste voller Möglichkeiten schon lange nicht mehr. Wahrscheinlich gehört sie nun einem anderen Kind, das sich daraus seine eigene Welt aus Lego baut und dabei hoffentlich nie auf einen Stein tritt.

© Titelbild: Unsplash

 

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1 Antwort
  1. Lea Sachs
    Lea Sachs sagte:

    Kindheitsliebe und großer Hass beim Tritt auf die Steinchen.
    Sehr interessant zu erfahren, wie alles angefangen hat!

Kommentare sind deaktiviert.