Hinter dem Synonym „Fräulein Schwarz“ verbirgt sich die 28-jährige Bloggerin und YouTuberin Wiebke Jahns. Auf Instagram bekommen Ausschnitte aus alten Tageszeitungen ein neues Leben mit poetischer Tiefe direkt aus ihrem Herzen eingehaucht. Ähnlich wie in den berühmten Textcollagen von Herta Müller würfelt sie unter ihrer Rubrik „Ein Gedicht“ Überschriften, Werbeslogans, einzelne Wörter und Textkonstruktionen wie ein schon immer zusammengehörendes Puzzle zusammen. Sie inspiriert, motiviert und regt Menschen damit zum Nachdenken an. Im Interview erzählt sie uns, wie sie auf die Idee gekommen ist und wie sie ein aussterbendes Medium als Kunstobjekt wieder in unsere digitalisierte Welt zurückholt.

Wie würdest du dich selbst beschreiben?

Trotz ihrer Auftritte im Social Web dreht sich im Leben der jungen Mutter viel um das analoge Medium Papier. So schreibt sie Einkaufs- und To Do-Listen auf Papier, liest Printzeitung und Bücher, benutzt Kartons zum Ordnen, bastelt mit den Kindern kleine Papierkunstwerke und organisiert sich „wie eine analoge Oma“ mit einem Papierkalender. Sogar einige Möbel sind in ihrer Hamburger Wohnung aus Pappe. Sie selbst bezeichnet es als Lieblingsmaterial und so nutzt sie es auch gerne als kreatives Gestaltungselement und Kunstform für ihre Onlineinhalte.

Ich bin Wiebke Jahns, lebe derzeit in Hamburg mit meinem Mann und meinem Sohn. Es fällt mir gar nicht so leicht, etwas über mich zu erzählen, weil ich mich nicht in Schubladen stecken lassen möchte. Ich habe mich schon als Kind gerne kreativ ausgelassen: malen, basteln, kneten, Geschichten schreiben, Theaterstücke und Tänze ausdenken und aufführen. Oft rede ich schneller als ich denke oder so wirr, wie es bei mir im Kopf eben zu geht. Dabei bin ich im Herzen eigentlich ordentlich. Das sieht man nur außen nicht.

Wie bist du auf den Namen Fräulein Schwarz gekommen?

Ich habe mich im Rahmen meiner Bachelorarbeit mit dem Thema „Zeitgenössischer Pessimismus und Schwarzmalerei“ beschäftigt und damit quasi einen neuen fiktiven Sudiengang erfunden und multimedial inszeniert. Als Rechercheplattform und um produktiv zu sein, habe ich angefangen als „Fräulein Schwarz“ zu bloggen. Es kommt also ursprünglich von der Schwarzmalerei. So pessimistisch bin ich aber gar nicht mehr. Auch wenn der Name nicht mehr Programm ist, ist er doch geblieben. Und auch, wenn ich mittlerweile gar kein Fräulein mehr bin, wird der Name bleiben.

Wie würdest du dein Verhältnis zu Papier beschreiben?

Ich organisiere mich wie eine analoge Oma mit einem Papierkalender. Fehldrucke dürfen nicht weggeschmissen werden: Einkaufslisten, Kinderkunstwerke, To Do-Listen und sogar ein Content-Kalender werden noch zu Papier gebracht. Kartons kann man zum Ordnunghalten verwenden. Ich habe sogar Möbel aus Pappe und lese Bücher generell als Printversion. Papier scheint dann wohl mein Lieblingsmaterial zu sein.

Wie genau würdest du deine Kunst beschreiben?

Während ich die Gedankenschnipsel mache, bin ich oft im Tunnel oder Flow, wenn man das so nennen will. Für mich ist es sehr einfach und intuitiv und irgendwie auch meditativ. Das Ergebnis ist manchmal skurril, oft witzig oder regt zum Nachdenken an. Ich klebe zusammen, was für mich logisch zusammengehört. Erst schneide ich in einer oder mehreren Zeitungen ganz viele Überschriften aus, die mich ansprechen. Dann breite ich sie auf dem Tisch aus und kombiniere sie untereinander. Es entsteht auch nie nur ein Gedicht, sondern immer mehrere, die dann aufgeklebt werden. Ich nenne meine Kunst Gedichte, auch wenn es manchmal nur ein Satz ist.

Wie kamst du auf die Idee?

In einem Seminar in meinem Bachelorstudium Medienkunst/Mediengestaltung in Weimar hat eine Dozentin Tageszeitungen mitgebracht, und wir konnten damit machen, was wir wollten. An dem Nachmittag sind meine ersten Text-Collagen entstanden. Fortgeführt habe ich das aber erst später. Ich weiß gar nicht mehr genau wann. Früher habe ich mal Comics gemalt, weil es mich einfach so überkam. So ähnlich ist es jetzt manchmal mit den Gedichten aus Zeitungsschnipseln. Außerdem finde ich es gut, dass man darin auch Botschaften oder Zweideutigkeiten verstecken oder sich positionieren kann, wie man zu bestimmten Themen steht.

Was inspiriert dich für einen neuen Spruch? Welche Themen sind dir wichtig?

Das sind zuerst einmal die Texte selbst, wie ich sie in den Zeitschriften vorfinde. Ich habe auch Zeitschriften geschenkt bekommen, die ich nicht selber gelesen habe. Das finde ich dann besonders inspirierend. Ich habe mal eine ganze Serie Gedichte nur zum Thema Tod und Trauer gemacht und daraus ein Schreibritual entwickelt. Dasselbe habe ich auch zu Schwangerschaft und Geburt gemacht. Das Thema „Lebensübergänge“ fasziniert mich schon irgendwie. Die Geburt als Start- und der Tod als Endpunkt des Lebens auf dieser Erde bieten unglaublich viel Potenzial für eigene Gedanken.

 

Was genau löst die Faszination bei diesen Themen in dir aus?

Ursprünglich habe ich angefangen, mich mit dem Thema „Tod“ zu beschäftigen, weil ich Angst davor hatte und mich dann in verschiedenen Hochschulprojekten damit konfrontiert und auseinandergesetzt habe. Ebenso sind Schwangerschaft und Geburt bei vielen Frauen sehr angstbehaftet. Ich möchte nicht mit Angst durchs Leben gehen. Wenn ich mich zum Beispiel in meiner Gedankenschnipselkunst damit beschäftige, ist das auch irgendwie selbsttherapeutisch.

Warum nutzt du Social Media als Medium deiner Kunst?

Ich denke, man findet die passenden Botschaften im Leben zum richtigen Zeitpunkt. Manchmal schreiben mir Menschen, die sich meine Bilder auf Instagram oder ein Video auf YouTube angesehen haben, sehr bewegende Nachrichten. Ich möchte gar keine erfolgreiche Influencerin sein, die nicht allen Menschen antworten kann. Ich finde es toll, wenn ich bei einem Menschen einen Nerv treffe oder ihm sogar helfen kann, weil ich irgendwas in diese Internet-Welt geblasen habe, was dann Anklang findet.

Vielen Dank für das Gespräch, Wiebke Jahns.

 

Die Bilder zeigen einige von Wiebkes Lieblingsgedichten.

 


 

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