Vor elf Jahren erschien der letzte Band der Harry-Potter-Reihe. Um das Buch so schnell wie möglich lesen zu können, erkundigte man sich damals, in welchen Buchhandlungen der Verkauf bereits ab Mitternacht stattfinden würde. Mit Gleichgesinnten stand man in der Schlange und konnte es nicht abwarten, das Buch in den Händen zu halten. Neben der Autorin und dem Verlag konnten sich auch Druckereien über diesen großen Erfolg freuen. Doch wie sieht das heute aus? Wer druckt denn noch?
Als die ersten E-Book-Reader 2006 erschienen, wurde vom Aussterben der gedruckten Bücher gesprochen. Eine Revolution im Leseverhalten wurde angekündigt und man fürchtete sich davor, dass Bücherläden aus dem Stadtbild verschwinden würden. Außerdem erreicht die zunehmende Digitalisierung auch die Druckindustrie: Die sogenannte digitale Transformation sorgt dafür, dass sich Geschäftsmodelle und auch Berufsbilder verändern. Horst Huber, der CEO der Werk II GmbH, die sich auf Crossmedia Marketing spezialisiert hat, stellte zu der digitalen Transformation einige Thesen auf, die gut veranschaulichen worum es sich dabei handelt.
“Es wird alles digitalisiert, was sich digitalisieren lässt”
In vielen Bereichen bemerken wir die Digitalisierung kaum und in anderen wiederum sehr gut; Geldtransfer über das Internet ist inzwischen gang und gäbe. In der Druckbranche ist die Digitalisierung auch schon seit langem im Gange: Postscript, PDF mit Farbprofilen, Digitaldruck etc. sind Technologien, die die Digitalisierung in Vorstufe und Druck bis heute vorangetrieben haben. Auch das Bestellen von Visitenkarten oder Fotoabzügen machen wir inzwischen bequem von daheim aus. Onlinedruckereien machen es möglich: Es wird alles digitalisiert, was sich digitalisieren lässt!
„Wenn Schichtwechsel war, wurden stichprobenartig unsere Mitarbeiter durchsucht.“
In Ulm befindet sich eine Filiale des europäischen Marktführer im Schwarz-Weiß-Buchdruck, die CPI Ebner & Spiegel GmbH. Hier arbeiten etwa 320 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die vor allem Bücher und Kalender für Verlage im In- und Ausland herstellen. Das Unternehmen hat eine lange Tradition und kann auf eine Gründung im Jahr 1817 zurückblicken. Alfred Öhle erzählt, wie es war, 2008 einen Roman zu drucken, auf den ganz Deutschland wartete. In diesem Jahr erschien der letzte Harry-Potter-Band und die Bücher wurden in den Druckereien der CPIEbner & Spiegel GmbH gedruckt. Das war natürlich etwas besonderes und auch kein alltäglicher Auftrag. Dabei herrschten besondere Sicherheitsvorkehrungen und wenn Schichtwechsel war, wurden stichprobenartig die Mitarbeitende durchsucht, damit keine Textausschnitte nach draußen gebracht wurden. Aber das war zum Glück nie der Fall – eine fristlose Kündigung hätte sonst gedroht.
„Gebunden, verpackt und verplombt!“
Ein Druckauftrag wie der des letzten Potter-Bandes, der eine Erstauflage von drei Millionen Exemplaren hatte, ist auch für eine erfahrenes Unternehmen eine Herausforderung. Der Ablauf eines Druckvorgangs dieser Größenordnung muss durchgetaktet sein, damit das Auslieferungsdatum an die Buchläden eingehalten werden kann. Nachdem die Textdatein in der Druckerei angekommen sind, werden sie zunächst geprüft und anschließend auf Druckplatten gebracht. Das Papier, dass für die Harry-Potter-Bücher verwendet wurde, war eine Sonderanfertigung, die nach den Vorstellungen der Autorin und des Verlags in Deutschland hergestellt wurde. Nach dem Druck wird gebunden, verpackt und verplombt und zu guter Letzt ausgeliefert. Um die Buchläden rechtzeitig auszustatten, wurde damals sogar an mehreren Standorten gedruckt.
Renommierte Unternehmen, die eine gewisse Mitarbeiteranzahl und genügend Kontakte zu Verlagshäusern haben, haben es sicherlich etwas leichter als kleine Geschäfte, die meist von einem kleinen Team geführt werden. Horst Huber prophezeit für die Druckindustrie, dass Marketing und Kommunikationsabteilungen von Unternehmen sich noch stärker auf die digitale Kommunikation konzentrieren werden. Print würde dabei ein wichtiger Bestandteil bleiben, der zukünftig allerdings „zugekauft“ wird. „Haus-und-Hof“-Drucklieferanten können sich aber nur dann etablieren, wenn sie den billigen Onlinedruckereien durch Qualität und Einmaligkeit den Rang ablaufen. Die günstigen Preise können nämlich nur durch standardisierte Produkte und daher wenige Alleinstellungsmerkmal realisiert werden.
Crossmedia Marketing ist das Resultat der digitalen Transformation
Jemand, den diese Prophezeiungen direkt betreffen, ist der Druckerei-Geschäftsführer Michael Krüger, der seit etwa 15 Jahren eine kleine Druckerei führt. Aus einem Hobby ist die Druckerei entstanden, die maßgeschneiderte Visitenkarten und Printmedien anbietet, die man so im Internet nicht bestellen kann. Krüger bedauert, dass viele Unternehmen vor der digitalen Transformation davon laufen. Druckereien sollten ein Gespür für aktuelle, digitale Trends entwickeln, um damit interagieren zu können. Vor allem der Marketingmix eines Unternehmens kann eine Chance sein, schließlich ist Crossmedia Marketing das Resultat der digitalen Transformation. Viele Kundinnen und Kunden nutzen beispielsweise Print-Kataloge, bevor sie online bestellen. Der Onlineshop profitiert also erheblich von Print.
Kunden erkennen, dass es sich um etwas Besonderes handelt
Krüger befürchtet nicht, dass Druckereien in den kommenden zwanzig Jahren verschwinden werden. Doch weist er darauf hin, dass manche Anbieter von der Bildfläche verschwinden werden, denn nicht alle verstehen die Empfehlung einer anderen Papiersorte als Kundenservice. Außerdem wird in zwanzig Jahren niemand mehr von Onlinedruckereien sprechen, weil bis dahin natürlich alle Druckereien online tätig sein werden. Es wird also kein Alleinstellungsmerkmal mehr sein. Vielmehr wird es wieder verschiedene, kleine Nischen geben, die sich auf besondere Dinge spezialisieren. Beim Letterpress könne man das zum Beispiel heute schon beobachten. Bei diesem Verfahren wird mit Farbe gedruckt und gleichzeitig wird das Druckbild (z. B. Text oder grafische Elemente) tiefgeprägt – so entsteht der charakteristische Letterpress-Look. Vor gut 15 Jahren war dieses Handwerk nicht mehr existent, doch heute kann man wieder Sonderanfertigungen in Auftrag geben – da kosten dann 100 Visitenkarten allerdings 250 Euro statt 10 Euro. Die Kundinnen und Kunden erkennen, dass es sich um etwas Besonderes handelt.
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Ich hoffe, dass es Printprodukte auch in Zukunft geben wird. Papier bleibt ein spannendes, vielseitiges und schönes Material, bei dem ich es bedauern würde, wenn es verschwinden würde. Aber ich bin auch gespannt, welche Nischenprodukte und unterschiedlichen Drucktechniken sich noch entwickeln werden 😉