Die Initiative Rote Tasche legte im Jahr 2007 den Grundstein für die Einführung des Equal Pay Days in Deutschland. Damit soll auf den Verdienstunterschied zwischen Männern und Frauen – den sogenannten Gender Pay Gap – aufmerksam gemacht werden. In Deutschland liegt dieser momentan bei 21 Prozent. Der Equal Pay Day bezeichnet den Tag im aktuellen Jahr, bis zu dem Frauen unbezahlt gearbeitet hätten, wenn sie denselben Bruttostundenlohn verdienen würden wie Männer. Aber heißt das wirklich, dass Frauen in Deutschland mehr als ein Fünftel weniger verdienen als ihre männlichen Kollegen?

Jein. Das Statistische Bundesamt berechnet zwei verschiedene Zahlen – den unbereinigten Gender Pay Gap und den bereinigten Gender Pay Gap. Während für den unbereinigten Gender Pay Gap der durchschnittliche Bruttostundenlohn von Frauen dem von Männern gegenübergestellt wird, bezieht der bereinigte Gender Pay Gap weitere Faktoren in die Berechnung mit ein. Hier ist das Ergebnis dann ein anderes: sechs Prozent statt 21 Prozent. Der Equal Pay Day 2019 hätte somit schon am 22. Januar und nicht am 18. März stattgefunden. Aber welche Zahl stimmt denn nun? Und woher kommt überhaupt der Verdienstunterschied, wenn in Deutschland Frauen und Männer per Gesetz gleichgestellt sind?

Der unbereinigte Gender Pay Gap

Der Equal Pay Day am 18. März 2019 wurde auf Grundlage des Verdienstunterschieds zwischen Frauen und Männern im Jahr 2018 berechnet. Vergleicht man den durchschnittlichen Bruttostundenlohn von Männern (21,60 €) mit dem durchschnittlichen Bruttostundenlohn von Frauen (17,09 €), ergibt sich eine Lohnlücke von 21 Prozent. Dieser prozentuale Unterschied stagniert seit 2016 und ist seit 2006 von 23 Prozent auf 21 Prozent gesunken. Allerdings werden bei dieser Berechnung die sogenannten ursächlichen Faktoren für den Verdienstunterschied ausgeklammert.

Der bereinigte Gender Pay Gap

Diese ursächlichen Faktoren werden nur in den bereinigten Gender Pay Gap miteinbezogen. Da die Datenerhebung und -auswertung ziemlich aufwändig ist, legt das Statistische Bundesamt diese Zahlen nur alle vier Jahre vor. Die aktuellsten Ergebnisse sind aus dem Jahr 2014. Laut Statistischem Bundesamt stechen vor allem die folgenden drei Faktoren als Ursachen für den Gender Pay Gap in Deutschland hervor:

Teilzeitbeschäftigung

Fast jede zweite erwerbstätige Frau in Deutschland (47 Prozent) ist teilzeitbeschäftigt. Bei den Männern sind es dagegen nur neun Prozent. Als Gründe dafür gab die Mehrheit der Frauen an, wegen der Betreuung von Kindern oder Pflegebedürftigen (31 Prozent) sowie anderer familiärer oder persönlicher Verpflichtungen (18 Prozent) in Teilzeit zu arbeiten. Ganz anders sieht es dagegen bei den Männern aus. Hier gaben 25 Prozent an, wegen einer parallellaufenden Ausbildung oder beruflichen Fortbildung in Teilzeit tätig zu sein. Es zeigt sich also, dass Frauen eher wegen unbezahlter Verpflichtungen in Teilzeit arbeiten, während Männer diese Art der Beschäftigung häufiger dazu nutzen, ihre Karrierechancen zu verbessern.

Branche und Beruf

Die zweite Hauptursache für den Verdienstunterschied zwischen Männern und Frauen liegt vor allem im gewählten Beruf bzw. der Branche. Frauen sind immer noch häufiger in schlechter bezahlten Berufen tätig als Männer. So arbeiten sie öfter in der Pflege oder Erziehung und seltener in den gut bezahlten MINT-Berufen. Laut dem Stepstone Gehaltsreport lag das Durchschnittseinkommen 2018 in Pflegeberufen bei 38.510 €, während Ingenieure 66.958 € verdienten. Aber auch innerhalb derselben Branche und desselben Berufs gibt es Unterschiede. Nach Statista bekam eine Krankenpflegerin 2018 ein durchschnittliches Jahresgehalt von 36.155 €, während ihre männlichen Kollegen 39.998 € verdienten.

Karriere

Der dritte Faktor für den Gender Pay Gap kann als Folge der ersten beiden Faktoren gesehen werden. Da Frauen häufiger in schlechter bezahlten Berufen arbeiten, entscheiden sich Paare wahrscheinlich eher für eine Teilzeitbeschäftigung der Frau, wenn Angehörige oder Kinder betreut werden müssen. Durch die Unterbrechung oder Reduzierung der Beschäftigung kommt es zu Einbußen bei der Einkommens- und Karriereentwicklung, weshalb Frauen auch weniger oft Führungspositionen erreichen als Männer.

Rechnet man diese Faktoren aus dem Verdienstunterschied heraus, bleiben sechs Prozent übrig, die nicht erklärbar sind. Dieser bereinigte Gender Pay Gap misst also die Lohnlücke zwischen Männern und Frauen mit vergleichbaren Qualifikationen, Tätigkeiten und Erwerbsbiografien.

Der Equal Pay Day

Aber welche Zahl ist denn nun die richtige? Kritiker meinen, dass der unbereinigte Gender Pay Gap Äpfel mit Birnen vergleicht. Vor allem bemängeln sie die Methodik, durchschnittliche Bruttogehälter gegenüberzustellen. Da rund dreiviertel des Verdienstunterschieds durch die ursächlichen Faktoren erklärbar sind, scheint nur bei den verbleibenden sechs Prozent eine „tatsächliche“ Benachteiligung aufgrund des Geschlechts stattzufinden. Diese könne mit der „schlechteren Verhandlungsfähigkeit“ von Frauen in Lohnverhandlungen erklärt werden. Hierbei liege die Verantwortung also bei den Frauen selbst, genauso wie in der Berufswahl oder der Entscheidung, in Teilzeit zu arbeiten.

Der Equal Pay Day Deutschland (EPD), eine Initiative des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und des BPW Germany, nimmt dagegen Bezug auf den unbereinigten Gender Pay Gap. Frauen in Deutschland seien strukurell benachteiligt, denn obwohl sie statistisch gesehen besser ausgebildet seien als Männer, verdienen sie weniger. Für die Behebung der Ursachen sieht der Equal Pay Day Deutschland auch nicht die Frauen selbst in der Verantwortung, sondern setzt auf Politik und Gesellschaft. Der EPD sieht als Ursachen für den Verdienstunterschied unter anderem Rollenstereotype, die die Berufswahl beeinflussen und fordert die Aufwertung von frauentypischen Berufen. Diese Berufe seien zweifelsfrei wichtig für die Gesellschaft und müssen besser bezahlt werden. Ebenso könnte die Kindererziehung und Pflege von Angehörigen als Arbeit betrachtet werden. Auch diese – unbezahlte Arbeit – erfüllt einen wichtigen gesellschaftlichen Zweck.

Die finanzielle Benachteiligung von Frauen – egal ob durch unbereinigten oder bereinigten Gender Pay Gap – zieht sich nicht nur durch die Erwerbstätigkeit von Frauen, sondern schlägt sich auch in der Rentenphase nieder. So sind Frauen häufiger von Altersarmut betroffen als Männer. Der Equal Pay Day versucht auf diese Benachteiligung aufmerksam zu machen und eine Debatte in der Öffentlichkeit anzustoßen. Das öffentliche Interesse dafür wächst von Jahr zu Jahr – 2018 fanden 1.000 Aktionen in Deutschland statt und generierten eine Menge Aufmerksamkeit. 2020 wird der Equal Pay Day am 17. März stattfinden – Mind the Gap!

 


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4 Kommentare
  1. Friederike Schmidt
    Friederike Schmidt sagte:

    Schöner und informativer Text 🙂 Ich finde es wichtig, auch auf den bereinigten Gender Pay Gap hinzuweisen. Kein Unternehmer würde noch Männer einstellen, wenn er die gleiche Arbeit 21 % günstiger bekommen könnte. Die oftmals unterschiedliche Bezahlung von Männern und Frauen lässt sich wohl trotzdem nicht leugnen. Ändern kann man die Vergangenheit sowieso nicht, aber es ist wichtig, dass sich in Zukunft mehr tut für Frauen und vor allem dann auch für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf – die hängt nämlich ohne Zweifel damit zusammen. Schön also, dass das Thema also auch auf unserem Blog vertreten ist :)))

  2. Franziska Sieb
    Franziska Sieb sagte:

    Ein guter und wichtiger Beitrag! Vielen Menschen ist gar nicht bewusst, dass es einen unbereinigten und bereinigten Gender Pay Gap gibt. Viel zu selten wird hierauf in den Medien hingewiesen. Deswegen finde ich es besonders gut, dass das Thema auf unserem Blog Beachtung findet. Trotzdem müsste meiner Ansicht nach mehr unternommen werden, um den Gender Pay Gap zu schließen. Frauen sollten für die gleiche Arbeit auch den gleichen Lohn erhalten! Und auch gesellschaftlich muss umgedacht werden: Mädchen müssen von klein auf beigebracht bekommen, dass es in Ordnung ist auch mal Forderungen zustellen, um beispielsweise genauso selbstbewusst wie Männer in Gehaltsverhandlungen zu gehen. Leider werden selbstbewusste Frauen mit einem klaren Bewusstsein für ihr Können häufig noch immer als unangenehm, egoistisch und eingebildet empfunden. Bei Männern ist das ganz anders. Es wird also Zeit für ein Umdenken!

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