Abenteuerliche Kreaturen mit übernatürlichen Kräften: Superhelden, Antihelden und Superschurken. Ein persönlicher Bericht über eine Farbe, die drei Protagonisten der modernen Comic-Szene geprägt hat.
Stundenlang hab‘ ich mich in mein Kinderzimmer zurückgezogen und durch die Abenteuer meiner Lieblingshelden geblättert. Mich in ihre Lage versetzt und mit ihnen die Welt gerettet. Comics begleiten mich seit meinem fünften Lebensjahr. Schurken griffen die Stadt an. „Helden dieser Welt, verteidigt die Schwächeren!“ Ein Kinoerlebnis im Kinderzimmer. Sie halfen mir, meine kreative Ader zu entdecken. Sie halfen mir, nach der Immigration in die BRD, recht schnell Zugang zur deutschen Sprache zu finden. Vor allem gaben sie mir wertvolle Impulse für eine diverse, vielfältige und vielschichtige Gesellschaft. Ich heiße Roham. Mein Name ist ein heroischer Name. Mein erstes Buch war ein Comic-Buch mit einem heroischen Protagonisten. Und sie alle sind ein Teil meiner Geschichte. Eine Geschichte, die mit Grün begleitet wird.
„Roham“
Der Name Roham taucht zum ersten Mal als eine Heldenfigur in dem Buch „Shahname“ (deutsch: Königsbuch) von Quasim Ferdosi auf. Das Buch ist eines der berühmtesten Werke der persischen Literatur und Weltliteratur. Es erzählt die mythische und zu einem Grad die historische Vergangenheit Persiens im siebten Jahrhundert. Als Sohn eines Königs und selbst mit übermenschlichen Kräften begünstigt, reitet „Roham“ in die Welt hinaus. Sein Gaul ist ein unsterblicher Begleiter. Er begleitet ihn treu an seiner Seite, bei allen Abenteuern der ärmeren Schicht zu helfen: Angefangen mit Gold, das manchmal geklaut war. Dann aber später mit Bildung, um ihnen Perspektiven zu bieten. Das gefällt einigen adligen Häusern nicht, was zu Auseinandersetzungen auf und neben dem Schlachtfeld führt. Bei der Figur samt seinem Begleiter gibt es interessante Aspekte, die auch bei anderen Heldenfiguren auftauchen. Da haben wir Robin Hood aus der englischen Sage, den Disney in grün gekleidet darstellt. Vor allem aber Herkules und Pegasus aus der griechischen Mythologie. Mein erstes Buch: Herkules erster Titanenkampf gegen den nemeischen Löwen. Herkules ist aber nicht nur eine Inspiration für mich, sondern für die gesamte moderne Comic-Szene.
Golden-Age
Das Golden-Age der Comics begann in den 1940er Jahren – mit den Action-Comics voraus, angefangen mit dem ersten Auftritt von Superman. Eine solche Action-Comic-Ausgabe hat die US-amerikanische Popkultur geprägt. Das erste Comic-Buch der Ausgabe ist heute über zwei Millionen US-Dollar wert. Schon an seinem ersten Tag als Superheld legt Superman eine Superleistung an den Tag! Er befreit einen fälschlich Verurteilten aus einer Todeszelle und schleudert einen prügelnden Ehemann gegen die Wand. Als wäre das nicht genug, zwingt er auch noch einen korrupten Präsidenten zum Rücktritt.
Superman
Supermans Charakter ist angelehnt an Herkules aus der griechischen Mythologie. Er ist ein Außerirdischer in menschlicher Gestalt, der zur Erde geschickt wurde. Seine Rolle für die Erdbewohner*innen ist ein offenes Geheimnis seiner Comic-Autoren Jerry Siegel und Joe Schuster. Er kann durch ein außerirdisches grünes Gestein, genannt „Kryptonit“, geschwächt und getötet werden. Jahrzehnte später in dem Comic-Buch „Superman (Volume 2) #54“ gibt es eine weitere Waffe, die ihm schaden kann. Darin und in weiteren Comic-Büchern aus dem sogenannten Silver-Age begegnet die stärkste Superhelden-Figur die gefährlichste menschengemachte Massenvernichtungswaffe: die Atombombe. Die grün-illustrierte Radioaktivität wurde gewählt, um Superhelden von dem simpel gehaltenen Golden-Age in das wissenschaftsgeprägte Silver-Age zu führen. Ich denke, der Einsatz dieser Waffe soll den menschlichen Zwang zur Kontrolle durch den roten Ausschalt-Knopf wiedergeben. Daneben steht der Aspekt, dass der Mensch seine menschliche Überlegenheit demonstrieren will.
Silver-Age
Die Superhelden-Geschichten des Golden-Age waren recht simpel. Thematisch ging es um soziale Ungerechtigkeit, kleine Ganoven und Gangster. Hier gewannen die Superhelden immer und galten als die Verkörperung von Tugend. Aus pädagogischer Sicht waren die Inhalte aber nicht anspruchsvoll genug. Das Silver-Age der Comics begann mit Hulk in den 1960ern. Aufgrund der Kritik wollte es das Thema der Wissenschaft in den Vordergrund stellen. Die grüne Figur Hulk verkörpert beides.
Hulk
Der eigentliche Name des Hulk lautet Bruce Banner. Als ein begnadeter Physiker und Wissenschaftler verlor er bei einem Experiment mit Radioaktivität die Kontrolle über das Geschehen. Die ausgelösten Gamma-Strahlen, die bis heute grün illustriert werden, verwandelten ihn in ein grünes aggressives Monster und einen Antihelden. Das Projizieren des ‚Versagens‘ auf der grünen Leinwand der Wissenschaft war ebenfalls ein Pioniergedanke des Silver-Age der Comics. Die Protagonist*innen des Silver-Age waren entweder selbst Wissenschaftler*innen oder wurden durch Wissenschaft zu Helden bzw. Antihelden oder Schurken. Das macht die grüne Figur Hulk für die Comic-Community und für mich unverzichtbar. Hulks Biografie wurde zum Vorbild vieler faszinierenden Superhelden. Darunter ist mein ultimativer Lieblingssuperheld, der am stärksten meine Geschichte geprägt hat: Spiderman.
Spiderman
Als Kind verlor der Junge Peter Parker beide Eltern und wurde deshalb bei seiner Tante und seinem Onkel groß. Sie sind etwas älter und versüßen seine Geschichte mit Lebensweisheiten: „Aus Großer Macht folgt große Verantwortung“. Diese Weisheit gibt der Onkel ihm auf seinen Weg zur Schwelle der Volljährigkeit. Sie ist seine letzte Weisheit. Am selben Tag wird der Onkel von einem bewaffneten Räuber erschossen. Irgendwie ist sie auch seine letzte für mich und meinen Lebensweg gewesen.
Bei einer Exkursion beißt eine in einem Labor gezüchtete radioaktive Spinne den Jungen und initiiert ihm ein tödliches Gift. Allein mit Willenskraft rettet er sich aus dieser misslichen Lage. Er wird von da an zu dem Superhelden, den so viele heute lieben. Das Faszinierendste für mich ist, dass Peter Parker aus seinem schwächsten Moment heraus seine größte Stärke gebildet hat. Manche Superhelden werden mit Superkräften geboren – wie Superman. Andere nicht… Das macht sie so komplex und interessant für mich.
Spidey (Spidermans Kosename) wurde nicht nur ‚Opfer‘ einer durch Wissenschaftler*innen genmanipulierten radioaktiven Spinne. Er studiert Physik an einer Universität. Ich erinnere mich, als wäre es erst gestern gewesen, wie fasziniert ich ihn in den illustrierten großen Vorlesungssälen begleitete. Als ich dann später die Schüler-Ingenieur-Akademie Stuttgart zum ersten Mal besuchte, war ich in Gedanken bei Spidey. Und als ich selbst das erste Mal einen Vorlesungssaal betrat, war das ein ganz besonderer Moment für mich.
Die Thematisierung der Wissenschaft in den Comics
Radioaktivität und Gammastrahlen werden ab dem Silver-Age ständig in Comics thematisiert und illustriert. Der Hauptgrund dafür sei die Paranoia des kalten Krieges, so die ehemalige Präsidentin des Comic-Verlags DC Comics, Janette Kahn. Jederzeit hätte ein Atomkrieg ausbrechen können. Auch Stan Lee äußerte sich gegenüber dem deutsch-französischen Kultursender Arte zu den grün-illustrierten Strahlungen. Die Comic-Autor-Legende und Schöpfer von Hulk und Spiderman findet, dass sie in Grün einfach cooler aussehen. Er könne eine Gammastrahlung gar nicht sehen und erkennen, aber wenn sie cool aussieht, verwendet er sie in seinen Comics. Dass die Gammastrahlen grün sind, ist also fiktional. Nach Stan Lee und Kahn werden Radioaktivität und Gammastrahlen eingesetzt, weil sie Unbehagen und Spannung mit sich bringen.
Die Medienwissenschaftlerin Professorin Susanne Marschall findet bei einem Interview mit Tim Richter deutliche Worte dafür. Das natürliche Grün sei grundsätzlich prädestiniert für Landschaftsbilder. Die Expertin für das bewegte Bild fügt noch hinzu: „Wir sind irritiert, wenn jemand eine grüne Hautfarbe hat. Wir denken an Gift und an Gefahr.“ Historisch hänge das mit unseren Vorfahren zusammen. Die Farbe Grün sei Indiz dafür gewesen, welche Nahrung genießbar oder giftig sein könnte.
Charakterisierung
Farben werden unterschiedlich wahrgenommen. Jede Farbe ist eine Informationsquelle. So gesehen, können Farben als Kommunikationsmittel eingesetzt werden – wie Zahlen oder Buchstaben. Durch sie bekommen Bilder mehr Informationsgehalt und die Leser*innen können so dem Kontext besser folgen. Nicht zuletzt deshalb spielen Farben eine sehr große Rolle in Comics. Natürlich bekommen auch Charaktere durch sie ihr Wiedererkennungsmerkmal. Abenteuerliche Kreaturen mit übernatürlichen Kräften: Superhelden, Antihelden und Superschurken. Das war ein Bericht über die Farbe Grün, die drei Protagonisten der modernen Comic-Szene geprägt hat. Kein Wunder also, dass ich noch heute ganz nostalgisch in Comis blättere…
Du hast bestimmt auch Superhelden, Helden oder Menschen aus deinem Umfeld, die dir interessante Denkimpulse gegeben haben. Erzähl mir davon gerne in den Kommentaren.
Titelbild © Diana Bossert
Illustrationen © Roham Bahramian
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Sehr interessannter Beitrag. War mir nicht klar, dass Comics so vielfältig sind.
Sehr cooler Beitrag. Ich freue mich auf den nächsten!
Obwohl ich mit Comics so gut wie nichts am Hut habe (zur Verteidigung: die Charaktere kenne ich :P), hat mir dein Beitrag zu lesen wirklich Spaß gemacht. Vor allem fand ich die Beschreibung wie du zu Comics gefunden hast total sympathisch.
Ich hätte nicht gedacht, dass ein Comic-Buch heute über zwei Millionen US-Dollar wert sein kann. Da hab ich die Comicszene schlichtweg unterschätzt… 🙂