Ob Nudeln, Säfte, Zahnbürsten oder Spielzeug – beinahe jedes Produkt, das in Supermärkten und Einkaufsläden angeboten wird, lässt sich bereits vor dem Kauf mal durch ein kleines oder großflächiges Fenster begutachten. Aber wofür braucht es das Verpackungsfenster und was passiert mit ihm in Zeiten des Klimawandels? 

Es ist Freitagmittag und ich stehe in meinem Lieblings-Rewe vor meinem Lieblings-Regal. Es ist der Ort, an dem ich kaufen kann, was ich am liebsten koche und esse, das Grundnahrungsmittel und essenziellste Lebensmittel innerhalb der Studierendenküchen deutschlandweit – Nudeln. Vor allem die dunkelblauen Packungen der Marke Barilla, in meinem Bekanntenkreis vor allem bekannt für die verhältnismäßig hohen Preise und ansehnliche Nudelqualität, lösen üblicherweise Gefühle des Glücks in mir aus. Hier bekomme ich schon vor dem Kauf einen kleinen Einblick in Größe, Farbe und Form des Hartweizengrieß-Produkts meiner Wahl. Doch nun stehe ich in besagter Abteilung vor besagtem Regal und habe keinen Durchblick mehr – denn Barilla verzichtet aus Umweltschutzgründen in Zukunft auf das Nudelfenster.  

Ein wenig enttäuscht stelle ich die nun fensterlose Verpackung zurück ins Regal. Eigentlich liegt mir Umweltschutz sehr am Herzen, und dennoch beginne ich mich nun zu fragen, wofür ich die paar Euro mehr zahlen sollte, wenn ich das Produkt vorher nicht begutachten kann. Ist es wirklich das Fenster in der Verpackung, das mich dazu bewegt, mehr Geld in meinen Einkauf zu investieren?  

 

Verpackungen mit verschieden geformten Fenstern

Fenster, die sich ihrer Form oder Funktion anpassen. © Stefanie Schleicher

Die Fenster zum Essen(-tiellen)

Wenn man in einen der gängigen Supermärkte läuft, stellt man schnell fest: hier ist beinahe alles einsehbar. Beinahe jede Hülle hat hier eine Art Fenster – mal aus Plastik oder durchscheinendem Papier, mal einfach als Loch in der Pappe. Von Obst- und Gemüsepackungen über Käse- und Wurstpackungen bis hin zu Kosmetikartikeln und Spielzeug – beinahe jede Hülle hat hier in irgendeiner Form eine Art Fenster. Aber woher kommen die praktischen Sichtfenster eigentlich?

Die Produktdesignerin Yun Xiang, die nach ihrem erfolgreich abgeschlossenen Produktdesign-Bachelor anfing bei der Firma SAP im Bereich UX-Design zu arbeiten, klärt mich darüber auf, welche drei besonders wichtigen Funktionen das Fenster in Verpackungen besitzt: Zum einen möchten die Produktionsfirmen ihr Produkt visuell vorführen, damit die Kauflust der Kund*innen angeregt werde. Doch auch die Käufer*innen sollten von dem Fenster profitieren, sie dürften kontrollieren, ob das Verpackte auch wirklich frisch ist, ob es ihren Anforderungen entspricht. Insgesamt solle so das Vertrauen der Käufer*innen in das Produkt gesteigert werden.  

Ein paar Ausnahmen gibt es bei Fenstern in Verpackungen schon – zum Beispiel sollten leicht zerbrechliche, empfindliche, verderbliche oder vertrauliche Gegenstände keinem Licht oder einer zu instabilen Verpackung ausgesetzt sein. Hier muss man offensichtlich der Bebilderung und Beschreibung auf der Packung vertrauen. Anders ist es jedoch bei Spielzeugen, Bäckereiprodukten und bereits essfertigen Lebensmitteln wie Salaten oder vorgekochter Pasta – bei diesen Produkten könne man Xiang zufolge beim Packungsdesign auf gar keinen Fall auf das Fenster verzichten. Diese Produktarten bräuchten geradezu die somit generierte Aufmerksamkeit und Möglichkeit der Frischekontrolle, um gute Verkaufszahlen zu erreichen. 

 

Verpackungen mit Löchern als Fenstern

Fenster, die keine sind (materiallos). © Stefanie Schleicher

Ich sehe, also kaufe ich

Wie sehr die Verpackung von Produkten generell Kaufentscheidungen im Supermarkt beeinflussen kann, wurde bereits im Jahr 2011 im Rahmen der „FFI Studie Shopper 2011“ untersucht. Die Forscher*innen fanden heraus, dass wir uns für 63 Prozent aller unserer Käufe erst während des Einkaufens endgültig entscheiden. Einer der maßgeblichsten beobachteten Einflussfaktoren solcher spontaner Kaufentscheide war hierbei die Verpackung. Produkt und Packung würden als Einheit wahrgenommen, und wenn man das Produkt hierbei auch noch sehen könne, löse das ein besonderes Gefühl von Sicherheit aus, meint Xiang. 

Zehn Jahre später wird in Deutschland der Höhepunkt der Verpackungsnutzung in den Industrien erreicht: ca. 16 Millionen Tonnen Verpackungsmaterial werden 2021 genutzt – und dann weggeworfen. Kein Wunder also, dass große Konzerne wie Barilla oder Hasbro langsam aber sicher in eine plastikfreie Richtung umsteuern. Denn auch bei Kund*innen gewinnt das Material des Produkts für deren Kaufentscheidungen an Wert. Verändert sich dadurch die Rolle der Verpackungen und ihrer Fenster? 

„Ich denke, die Produktverpackung sollte eine unterstützende Rolle für den Wert des Produkts spielen. Das heißt, der Wert des Produkts sollte in der Qualität des Produkts selbst liegen, die Verpackung ist eher ein Marketinginstrument. Ich bin der Meinung, wenn die Qualität des Produkts selbst gut genug ist, werde ich es nochmal kaufen, also wenn das Produkt selbst eine starke Anziehungskraft auf mich hat und mich an sich binden kann. Und wenn ein Produkt dann auch noch ein gutes Verpackungsdesign hat, bin ich auch bereit, es zu probieren“, sagt Xiang. Und auch in einer Studie eines österreichischen Marktforschungsunternehmens aus dem Jahr 2020 konnte beobachtet werden, dass dem Design von Packungen im Vergleich zu 2011 weniger Bedeutung geschenkt wird, das Material wiegt stattdessen auf. 

Zurück in die Verpackungsfensterzukunft!

Die Zahlen machen deutlich: in Zukunft werden sich unsere Verpackungsfenster verändern müssen. Es gibt tatsächlich bereits verschiedene Ersatzmöglichkeiten für das Plastikfenster – darunter transparente Papierfenster, Verpackungen aus Biomaterial wie beispielsweise Calgina (was aus Algen produziert wird) oder biologisch abbaubare Folien aus Materialien wie Polymilchsäure (PLA), Polyhydroxyalkanoaten (PHA) oder Polymeren auf Stärkebasis. Nur dauert die Umsetzung etwas. Doch Produktdesignerin Xiang ist sich sicher: „Ich glaube, dass Biomaterialien in Zukunft in großem Umfang für Verpackungen verwendet werden. Und auch die Gestaltung von Fenstern in Verpackungen wird als umweltfreundlich angesehen werden, wenn Plastik vermieden werden kann. Ein gutes Fensterdesign ist letztendlich nicht nur ästhetisch, sondern spart auch Material.“

Titelbild: © Stefanie Schleicher

 

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