Microsoft Windows trägt es buchstäblich im Namen. Doch auch Benutzer von Apple-Computern oder Linux-Distributionen verwenden sie täglich: virtuelle Fenster in digitale Welten. Heute sind sie in ihrer Existenz bedroht von immer kleineren mobilen Bildschirmen und der Vollbildhaftigkeit ihrer Apps. Aber ist das Comeback der Fenster vielleicht schon am Horizont?
In den 1970er Jahren sah die Welt der Computer noch ganz anders aus: Computer waren zimmergroße Rechenmaschinen, vorbehalten für große Unternehmen zur Verarbeitung von Zahlen und Daten. Der Apple I von 1976 war eine Computerplatine, die man selbst zu einem Computer zusammenbauen und an ein herkömmliches Fernsehgerät anschließen musste. Ein Jahr später wurde dann der erste fertig kaufbare Personal Computer vorgestellt und erregte Aufmerksamkeit bei den bisherigen Computergiganten wie IBM. Doch selbst der Apple II war kompliziert zu bedienen. Man musste weiterhin mit der Tastatur Befehle in den Computer eingeben. Und wie viele „Personal“ Dinge konnte man auf diesen teuren Geräten bis auf Tabellen, Berechnungen oder Schreiben von Texten schon erledigen?
IBM erkannte aber das Potential kleiner Rechenmaschinen gebaut aus Standardteilen und brauchte für das geheime Computerprojekt des Unternehmens ein Betriebssystem. Die IBM-Entwickler befragten einen jungen Softwarefirmenchef unter Geheimhaltungsvertrag, wer ihnen ein solches Betriebssystem liefern könne. Der verwies sie an den Chef von CP/M und warnte diesen vor, bald kämen ernstzunehmende Kunden auf ihn zu. Als IBM aber CP/M besuchte, flog der Firmenchef gerade mit seinem Privatflugzeug und IBM wandte sich wieder an den jungen Programmierer. Inzwischen hatte sich dieser etwas umgehört und eine „quick and dirty“-Kopie des CP/M-Operating Systems von einer benachbarten Softwareschmiede gekauft. Er nannte Q-DOS (steht für Quick and dirty Operating System) um zu MS-DOS – und Bill Gates verhandelte den nun als besten Deal der Geschichte bekannten Vertrag aus.
Wie klaut man ein Fenster?
Während Computer noch fast ausschließlich für Berechnungen und Datenverarbeitungen verwendet wurden, machte auch eine andere amerikanische Firma ein Wahnsinnsgeschäft: Xerox hielt wichtige Patente für ihren industriellen Fotokopierer und dominierte den Markt der Kopiermaschinen in der amerikanischen Geschäftswelt. Eine Kopie anzufertigen, hieß in Amerika das Dokument „zu xeroxen“. Weil diese Patente aber irgendwann auslaufen würden, startete Xerox im Silicon Valley eine Erfinder- und Entwicklungsschmiede, die auch mit modernen Computern experimentierte. Doch die Firmenchefs von Xerox in New York sahen nicht die Möglichkeit, Profit mit ihrer wichtigsten Entwicklung, dem “Xerox Alto” zu machen, und verwarfen das Entwicklungsprojekt.
Apples Mitbegründer Steve Jobs arbeitete gerade an seinem nächsten Computermodell, dem Macintosh, als er von seinen Kollegen überredet wurde, sich den Xerox Alto einmal zeigen zu lassen. Er war überwältigt von seiner graphischen Benutzeroberfläche und der Bedienung mit der Maus. Während er wenig später alle seine Softwareentwickler zu Xerox schickte, um sich die Umsetzung der Bedienoberfläche zeigen zu lassen, erfuhr auch Bill Gates von der Innovation und begann diese in sein MS-DOS einzubauen. Mit dem Macintosh 1984 und Windows 1.0 ein Jahr später in 1985 wurde das digitale Fenster geboren. Man konnte nun ohne große Programmierkenntnisse einen Computer mit Mauszeiger und Programmen in virtuellen Fenstern bedienen und verschiedene Programme bald gleichzeitig und nebeneinander betreiben.
Fenster, öffne dich!
Fenster und Mausbedienung wurden zum Standard der Computerbedienung, und die Metapher der Fenster wurde immer ausgefeilter. Mit Windows 2.03 konnte man die bisher nur nebeneinander angeordneten Fensterkacheln auch überlappen lassen. Eine Funktion und Natürlichkeit der Bedienung, welche der Macintosh von Anfang an besaß. Fenster wurden größenverstellbar, farbig und mit Windows Vista der Fensterrahmen aus Milchglas transparent.
2003 stellte Apple in macOS X Panther das Betriebssystemfeature “Exposé” vor, womit man sich einen Überblick über alle geöffneten Fenster verschaffen konnte. Seit 2009 snappt man in Windows 7 die Fenster in die Bildschirmecken, um sie perfekt nebeneinander auszurichten. Und in 2011 mit macOS X Lion verschwinden mit Fullscreen-Apps alle Ränder und Bedienelemente des Systems, wenn man sich voll auf seine Arbeit in einem Programm konzentrieren möchte. Aber Moment: Verschwindet so also auf Knopfdruck plötzlich das Fenster, wenn wir es in den Vollbildmodus versetzen? Und was ist seit 2007 los? Wurde uns das iPhone nicht neben dem “widescreen iPod with touch controls” auch als „breakthrough internet communication device“ angepriesen? Also als mobiles Gerät mit einem Fenster ins Internet? Wo sind auf den mobilen Geräten die Fenster hin verschwunden?
Wohin bist du verschwunden?
Jede App öffnet sich im Vollbild und lässt keinen Platz für verschiedene Fenster. Eine Zeit lang hat auch Microsoft versucht, mit Windows Mobile mit seinen Live Tiles den Fuß in die mobile Türe zu bekommen. Aber auch hier öffneten sich Apps im Vollbild und die Live Tiles waren nur größere App-Symbole, die schon kleine Informationshäppchen aus der App auf dem Homescreen anzeigten. Fenster sind hier jedoch weit und breit keine mehr zu finden. Das ist sicher so, weil man auf den kleinen Geräten keinen Platz für aufwendige Rahmen und mehrere Fenster hat. Vielleicht wurde deshalb 2010 das erste iPad nur als überdimensionierter iPod Touch bezeichnet. Weil man auch auf dem größeren Bildschirm vergebens nach Fenstern suchen musste? Auch Jahre später ist auf einem knapp 13“ iPad Pro ein Bild-in-Bild-YouTube-Video oder zwei nebeneinander gestellte Fullscreen-Apps das Höchste der Gefühle. Vielleicht lassen sich aber auch verschiebbare und größenverstellbare Fenster nicht gut mit Fingern auf Glasbildschirmen bedienen? Android-Tablets stellen schließlich auch nur großgezogene Smartphone-Apps auf ihren 16:9-Bildschirmen dar.
Jetzt, wo die mobilen Touchgeräte nahezu alle alltäglichen Computerfunktionen übernehmen, scheint es, als würden für viele Leute Fullscreen-Apps die alten Computerfenster vollends ablösen. Doch es besteht noch Hoffnung für die Zukunft von Windows, ach, ich meine von Computerfenstern.
Virtuelle Fenster im realen Raum
Bei der sommerlichen Entwicklerkonferenz zeigte Apple seine Vision vom Computer der Zukunft. Setzt man sich das Vision Pro-Headset auf, gelangt man nicht wie mit den bisherigen Brillen von HTC, Meta und Co. in eine virtuelle Welt, sondern sieht seine normale Umgebung durch digitale Gläser vor seinen Augen. Drückt man auf einen Knopf an der Brille, schwebt vor einem ein Homescreen mit verschiedenen Apps. Ist es also nur eine Adaption von Fullscreen-Apps auf ein neues, teures Gerät? Weit gefehlt: Sieht man eines der Appsymbole mit seinen Augen an und tippt Daumen und Zeigefinger aneinander, öffnet sich wie magisch vor einem ein Fenster mit der gewünschten Applikation. Es erscheint oder schwebt aber nicht irgendwo in der Luft, sondern schwebt fest platziert im Raum vor dem Benutzer. Bewegt man seinen Kopf oder sich selbst umher, bleibt das schwebende Fenster aber an Ort und Stelle. Öffnet man eine zweite oder dritte Webseite, so öffnen sich eine Vielzahl an magischen Fenstern um einen herum. “Spatial Computing” nennt Apple diese neue Benutzerumgebung. Und gibt dieser sehr beeindruckenden Technologie einen stolzen Preis. In einigen Jahren wird vielleicht aus “Vision Pro” wie bei den iPhone-Modellen im Laufe der Entwicklung dann ein günstigeres Vision SE und wir können gespannt voller Vorfreude sein, wenn man durch seine virtuellen Fenster vor den Augen wieder eine Vielzahl virtueller Fenster ansehen kann. Oder wie es bei Star Wars heißt: „Vision Wars: Return of the Window“.
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[…] Kurz wirst du wieder daran erinnert, dass du eigentlich nur vor dem Laptop sitzt und durch das Windows-Fenster auf die Website blickst. Aber nicht nur das, auch durch das Cookie-Fenster musst du erst einmal […]
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