Luise Morgeneyer ist 25 Jahre alt und seit vielen Jahren Bloggerin. Und jetzt? Nach acht Jahren online ist sie nun offline! Ihre Texte finden sich in Leinen, Papier und Druckerschwärze wieder. Luise ist jetzt Buchautorin.

Ihren Onlineblog Kleinstadtcarrie.net hat sie im Jahr 2010 gestartet. Aus ihrem Jugendzimmer heraus, in der Nähe von Dresden, veröffentlicht sie Texte über Gefühle, das Leben und ihre persönlichen Träume. Diese Träume sind auch der Grund für die Namensgebung Kleinstadtcarrie, da dieser von Carrie Bradshaw, der Hauptdarstellerin der US-Serie Sex and the City, inspiriert wurde. Über die Jahre hat Luise fast 900 Blogeinträgen geschrieben, in denen sie über ihre Gefühle, aber auch ganz persönlichen Ängste, verlorene und neugewonnene Freundschaften und die Liebe zum Leben schreibt. Luise verpackt dabei Emotionen in ihrem ganz eigenen Schreibstil. Durch Metaphern lässt sich beim Lesen die Trauer, Freude und auch der Spaß greifbar nachempfinden. Doch im Laufe der Zeit ist Luise erwachsen geworden und mit ihr auch ihre Träume und Ziele. Diese haben sich so weit entwickelt, dass sie sich dazu entschieden hat, ihren Blog Kleinstadtcarrie offline zu nehmen. Die Liebe zu ihren Texten und der innere Drang nach einem neuen Schritt hatte sie dazu bewegt, innerhalb von zehn Monaten ein Buch auf den Markt zu bringen.

Luise Morgeneyer

Sie selbst hat sich verändert, die gedruckten Buchstaben auf dem Papier sollten aber bleiben. Die Vorstellungen der großen Verlage stimmten mit der Luises nicht überein, weshalb sie mit Eva Burdack zusammen den handgeschrieben Verlag gründete. Gemeinsam haben sie das Buch Wurzeln zu Blüten veröffentlicht. Luise liefert hierfür die geschriebenen Worte und Eva übernimmt die Gestaltung. Was treibt die zwei an, in einer schnelllebigen, digitalen Welt ein altes Medium wiederzubeleben? Die Sehnsucht nach etwas haptischem, langanhaltendem und nach Entschleunigung. Sie sind der Meinung, unsere Generation ist auf der Suche nach etwas Neuem. Dabei sind sie sich sicher, dass dies auch etwas Altes sein kann – ein Buch. In einem Gespräch mit Luise habe ich über ihre Entscheidung, der Onlinewelt den Rücken zu zuwenden und ihre Einstellung zu gedrucktem Papier gesprochen.

Was sind deine Hauptbeweggründe gewesen, den Blog offline zu nehmen und ein Buch zu veröffentlichen?

Ich bin aus der Branche gewachsen, beziehungsweise hat sich diese verändert. Es stand schnell fest, ein Buch daraus zu machen, weil ich den Blog nicht einfach nur löschen wollte. So kann man die Texte noch lesen, wenn man das möchte. Ich liebe Bücher und ich dachte, das wäre ein schönes erstes Projekt.

Du schreibst ein Dankbarkeits- und ein Notizbuch. Glaubst du, das hat deine Liebe zu Büchern beeinflusst?

Das Schreiben gehört zu meinem Leben einfach dazu, ich schreibe auch immer viel Tagebuch. Andere Leute lesen eben und ich schreibe. Es ist dabei ganz gleich, ob das mein Tagebuch oder Dankbarkeitsbuch ist oder eben mein Blog war.

Wovon ist der Titel deines Buches Wurzeln zu Blüten inspiriert?

Tatsächlich habe ich sehr lange überlegt. Naheliegend wäre Kleinstadtcarrie gewesen, das wollte ich aber nicht. Meine groben Gedanken, wie den Leineneinband und die Texteinteilung nach Jahren, waren mir sehr wichtig. Das hätte aber alles nicht zu Kleinstadtcarrie gepasst.

6. Kapitel – Rhododendron, Foto: Amelie Behringer

Beim Lesen der Texte kam der Herbariumsgedanke dann Stück für Stück. Dabei ist mir aufgefallen, dass das Blumenmotiv viel öfter eine Rolle gespielt hat und das tut es auch immer noch. Wir hatten erst Wurzeln und Blüten, aber wenn man meinen Werdegang betrachtet, passt der Titel jetzt. Zum Beispiel habe ich sehr lange an Dresden gehangen und habe dort meine Wurzeln. Irgendwann bin ich dort rausgewachsen und danach gab es eine Zeit, in dem ich geblüht oder mich so gefühlt habe. Es gab aber auch ein Jahr, in dem es mir nicht so gut ging. Das Blumenmotiv spiegelt das sehr gut wider, deswegen Wurzeln zu Blüten.

Ich liebe das Buch sehr…

Wie blickst du auf die Texte zurück? Ist es für dich fremd oder greifbar, dass du das mal warst?

Es ist fremd. Ich weiß aber: Ich war das, es nachzufühlen fällt mir aber eher schwer. Im Entwicklungsprozess des Buches gab es viele Entscheidungen zu fällen. Darunter, was ich erzählen möchte und was soll die Onlinewelt vergessen soll. Die uralten Texte sind diese Wurzeln, das war mein Anfang. Irgendwo hat ein kleines Teenagermädchen entschieden, ich hau einfach mal raus, was ich in diesem Moment gefühlt habe.

Das Buch gibt es nur auf gedrucktem Papier. Wieso hast du dich gegen eine E-Book-Version des Buches entschieden?

Die Texte als E-Book rauszubringen, wäre nochmal dasselbe wie der Blog gewesen. Im Einleitungstext des Buches beschreibe ich das ganz gut. Für mich war es wichtig, die Jugend und diesen Lebensabschnitt „abschließen“ zu können. Es klingt vielleicht sehr altmodisch, aber es ist schöner, wenn man Buchseiten drumherum hat. Man kann sich das Buch hinstellen und es wertschätzen, dass die Zeiten so sind und es so waren. Wir als handgeschrieben Verlag werden oft gefragt, ob das E-Book noch kommt, aber ich kann es mir nicht vorstellen. Das Buch und der Verlag sollen im krassen Kontrast zu meiner Arbeit stehen. Wir hätten ja auch ein total modernes Buchprojekt machen können, bei dem mein Gesicht auf dem Einband ist. Es gibt bewusst keine Fotos von mir darin, weil das Thema Entschleunigung im Fokus stehen soll: Also ich lege jetzt das Handy weg, ich lese das Buch und muss nicht auf einem Display schauen. Ich liebe das Buch sehr und der Kontrast war mir wichtig.

Man verliert sich so ein bisschen im Detail, was ich schön finde. Ich arbeite sehr gerne so.

Luise Morgeneyer mit ihrem Buch Wurzeln zu Blüten

Was sind aus deiner Erfahrung heraus die Vor- und Nachteile des Mediumwechsels?

Da gibt es super viele. Es ist aber kein Vor- oder Nachteil, eher ein Unterschied. Im Print dauert alles länger. Man kann viel intensiver daran arbeiten. Bei Instagram hingegen postet man einfach permanent Inhalte, das ist echt extrem. Ständig wird erwartet, dass etwas Neues kommt. Im Buchprojekt sind zehn Monate eine relativ kurze Zeit für das was wir da gemacht haben, ohne zu wissen, was wir da eigentlich tun (lacht). Gleichzeitig ist es super viel Zeit, die konnten wir uns vor allem für das Manuskript nehmen. Klar hatte ich alle Texte schon fertig. Trotzdem haben wir monatelang daran gearbeitet, weil man jedes Wort nochmal umdenken kann. Man verliert sich so ein bisschen im Detail, was ich schön finde. Ich arbeite sehr gerne so.

Fehlt dir jetzt ohne den Blog etwas?

Ja, das direkte Feedback. Klar bekomme ich Briefe, Nachrichten bei Instagram und E-Mails, aber dieser direkte Austausch unter einem Blogpost ist nicht mehr da. Der Rückhalt, den ich auf dem Blog immer hatte, ist weg. Dort wurde mir täglich kommuniziert, dass den Leuten gefällt, was ich da tue. Wie sehr mir die Community fehlt, wurde mir aber erst ein halbes Jahr später so richtig bewusst. Aktuell bin ich nur auf Instagram unterwegs und merke, dass mir das nicht reicht. Ich habe wirklich acht Jahre lang gebloggt. Es war permanent in meinem Kopf und in meinem Herzen. Der Gedanke, was kommt als nächstes, war immer präsent. Ich habe meine Gefühle meist zeitgleich verarbeitet.Natürlich wollte ich das, aber es war auch ein gewisser Druck dahinter etwas zu veröffentlichen. Dieser Druck, ständig kreativ sein zu müssen, ist jetzt weg. Ich dachte, es wird eine Erlösung sein, aber tatsächlich fehlt es mir eher.

Wie geht es für dich in Zukunft weiter? Können wir noch mehr bedrucktes Papier erwarten?

Wir haben in den letzten Wochen lange überlegt, wo wir genau hinwollen. Für mich ist es schwierig zu sagen: ich schreibe jetzt noch ein Buch. Dafür habe ich zu viele andere Projekte in jedem Lebensbereich. Es wird bald eine kleine Produktneuheit geben, die zu Wurzeln zu Blütengehört. In diesem Jahr kommt auch noch ein neues Buchprojekt, aber da habe ich nicht so viel daran geschrieben.

Du bleibst also eher bei der Offline-Welt?

Tatsächlich ist es wirklich 50/50. Ich komme von der Online Welt nicht los (lacht). Es ist ja auch schön und macht Spaß.

 

Luise hat die oben genannte Produktneuheit inzwischen veröffentlicht. Es handelt sich hierbei um Postkarten, welche aus ökologisch abbaubarem Samenpapier hergestellt sind. Wiederum ein passender Aspekt zum Thema Entschleunigung. Falls ihr euch für Postkarten interessiert gibt es hier noch einen Artikel rund um das Thema.


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2 Kommentare
  1. Robert Galiard
    Robert Galiard sagte:

    Blogs sind eine tolle Sache, doch sie sind auch Schwankungen unterworfen, wandeln sich permanent und wirken stets temporär. Ein Buch hat da schon mehr Bestand. Interessant fand ich auch den Aspekt des Feedbacks, das online natürlich viel direkter, unmittelbarer und häufig auch weniger reflektiert geäußert wird.
    Dennoch würde ich mich Luises Schlusswort anschließen.. es kommt auf das richtige Verhältnis an. Schönes Interview!

  2. Franziska Sieb
    Franziska Sieb sagte:

    Was für ein hoch aktuelles Thema in einer Zeit, in welcher immer mehr Blogger und Volgger der ersten Stunde ihre Seiten drastisch umstellen oder wie Luise sogar ganz aufgeben. Durch das Internet sind die Möglichkeiten für ein kreatives Outlet quasi unendlich, aber auch viel schnelllebiger geworden, viele Creator fühlen sich von der Frequenz der Beiträge, die sie in ihren Augen liefern müssen, unter Druck gesetzt. Umso schöner finde, ich es zu sehen, wie Kreative wie Luise es schaffen ihr Leben auch wieder zu entschleunigen. Ein super cooles Projekt und ein tolles Interview!

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