Weit über Japans Grenzen hinaus sind Anime von Studio Ghibli wie „Chihiros Reise ins Zauberland“ bekannt. Dass jeder Ghibli-Film eine Botschaft mit sich trägt, ist den meisten Zuschauer*innen bewusst. Dass jedoch beinahe jedes Werk auch ein Statement zum Umweltschutz gibt und den Wunsch nach Verbesserung hat? Vermutlich eher nicht.

Studio Ghibli wurde 1985 in Tokio gegründet. Der bekannteste Name des Gründer-Quartetts ist dabei Hayao Miyazaki. Er gilt als Meister des Geschichtenerzählens. Viele seiner Ansichten spiegeln sich in den Ghibli-Filmen wider. Einige der bekanntesten Filme sind „Mein Nachbar Totoro“ (1988), „Prinzessin Mononoke“ (1997) und „Chihiros Reise ins Zauberland“ (2001). Mittlerweile zählen die Filme nicht nur zu Japans erfolgreichsten Anime, sondern genießen auch international großen Erfolg. „Chihiros Reise ins Zauberland“ gewann 2002 u.a. einen Academy Award und den Goldenen Bären. Es ist bis heute der Anime mit den meisten Auszeichnungen aller Zeiten.

Die Vielfalt des Anime-Storytellings

Die Film-Handlungen beinhalten meist Elemente, die in gewöhnlichen Kinderfilmen nicht vorkommen. So müssen die Protagonisten häufig extreme Hindernisse überwinden, zu denen u.a. auch Verlust und Tod gehören. Solche schwierigen Themen greifen westliche Kinderfilme normalerweise nicht auf, während japanische Anime generell dafür bekannt sind, diese sensibler darzustellen. In einer Studie über die ökologische Botschaft des Ghibli-Films sprechen die Autoren Sama Mumcu und Serap Yılmaz über die Themenvielfalt der Anime. Die „Würde des Lebens“ wird deutlich hervorgehoben, die im Zusammenspiel mit der Natur sowie den Auswirkungen des Menschen auf diese immer ein Hauptaugenmerk der Filme darstellt.

Hayao Miyazaki: Retter der Natur?

Der japanische Filmemacher Hayao Miyazaki © Internet Movie Data Base

Miyazakis Haltung zur Natur stützt sich u.a. auf ein Buch des japanischen Pflanzenbiologen Sasuke Nakao. Das Buch vergleicht die menschliche Kultur mit dicken, dunkelgrünen und glänzenden Blättern. Es geht vor allem darum, dass Menschen mit dem Wald verbunden und von ihm abhängig sind. Darum sollte der Mensch den Wald schützen, anstatt ihn zu zerstören. Diese Ideen erweckten in Miyazaki den Wunsch, auf Fülle und Reichtum der japanischen Umwelt hinzuweisen. Auch werden die Filme oft in Verbindung mit der japanischen Shinto-Religion gebracht. In dieser geht es vor allem um Beziehungen und deren Verbundenheit zwischen Geist und Materie. Der Mensch ist unweigerlich mit Umgebung und Umwelt verbunden. Miyazaki bzw. Studio Ghibli versuchen, diese Beziehung zwischen Menschen und Natur darzustellen – die guten und schlechten Aspekte.

In allen Filmen von Studio Ghibli können diese shintoistischen und biologischen Einflüsse Miyazakis beobachtet werden. Es wird z.B. großen Wert auf die gezeichnete Umgebung gelegt. Oft gilt der Mensch als Verursacher von Umweltproblemen. Bei manchen Filmen benötigt es etwas Hintergrundwissen, während die Umwelteinflüsse in vielen anderen Werken deutlich hervorstechen.

Was ein müder Naturgeist mit Umweltschutz zu tun hat

Studio Ghiblis Filme beschäftigten sich bereits seit der Gründung 1984 mit menschengemachter Zerstörung, z.B. in postapokalyptischen Welten. Aber was haben die drei bekanntesten Werke des Studios eigentlich mit der Farbe Grün und dem Thema Umweltschutz zu tun? Das schauen wir uns mal genauer an.

Mein Nachbar Totoro (1988)

Der Film spielt im Japan der Nachkriegszeit. Die Mädchen Satsuki und Mei ziehen mit ihrem Vater in ein baufälliges Haus aufs Land, solange die Mutter mit Tuberkulose im Krankenhaus liegt. Die Gegend ist umgeben von grünen Feldern, Gemüsegärten und saftigen grünen Wäldern. Die Lebensweise der Bewohner*innen wird bestimmt durch die sie umgebende Natur. Ein riesiger Kampferbaum steht mitten im Garten der Familie. Diese Bäume sollen Krankheiten heilen, Vitalität und Energie schenken. Inmitten des Baumes findet Mei Waldgeister, sogenannte Totoros. Je größer diese sind, desto gemütlicher und müder werden sie. Die Geister sammeln Eicheln und lassen Bäume aus dem Nichts wachsen. In Japan wurde Eichensammeln ab 1941 eine weit verbreitete Tätigkeit, die das Überleben sicherte. Vor allem Kinder wurden damit beauftragt, so viele Eicheln wie möglich zu sammeln, damit Tannin zum Ledergerben hergestellt werden konnte, Alkohol gebraut oder Tiere gefüttert werden konnten. Der deutsche Japanologe Klaus Kracht fand heraus, dass 1942 bis zu 23.000 Säcke Eicheln gesammelt wurden.

Der Umzug der Familie bedeutet eine Rückkehr zur Natur. Im Film wird deutlich, wie einfach und schön Natur sein kann, wenn sie kaum berührt und von den Bewohner*innen geehrt wird. Sie sichert das Überleben, indem sie Mais und Gemüse anbauen und sich nach den schweren Kriegsjahrenselbst versorgen können.

Prinzessin Mononoke (1997)

Ein uralter, mystischer Wald wird von Geistern bevölkert. Der Wald schimmert tiefgrün und braun. Kaum ein Lichtstrahl schafft es, den Boden zu erhellen. Die alten Bäume gelten als Geister-Mütter, die den Wald gesund halten. Menschen wagen sich kaum hinein. Die Handlung des Filmes ist ein Kampf zwischen Menschen und der Natur und der Frage, wer gewinnen wird. Diese Grenzen werden überschritten – und was dann? Darauf gibt der Film Antwort. Denn der Wald wird vom Menschen zerstört, um Platz zu machen für eine Fabrik. Dicker Rauch tritt nun an die Stelle eines vorher grünen, geschützten Waldes. Er wird braun, als seine Götter sterben. Die Protagonisten Ashitaka und San spielen dabei eine entscheidende Rolle. Sie versuchen, einen Krieg zwischen Geistern und Menschen zu verhindern.

Studio Ghibli stellt hier den tieferen Sinn eines ökologischen Systems dar, von dem wir alle ein Teil sind. Shinrin-Yoku ist die japanische Tradition des „Waldbadens“. Zeit im Wald zu verbringen verbessert die körperliche und seelische Gesundheit. Waldluft verringert Stresshormone, senkt den Blutdruck und verbessert die Herzfrequenz. Die Gesundheit des Waldes spielt nicht nur  bei „Prinzessin Mononoke“ eine entscheidende Rolle, sondern auch in Japan generell.

Chihiros Reise ins Zauberland (2001)

Das Mädchen Chihiro zieht mit ihren Eltern an einen neuen Ort. Auf dem Weg verfährt sich ihr Vater jedoch und die Familie tritt unbewusst in die Geisterwelt über. Ihre Eltern verwandeln sich durch Gier in Schweine. Chihiro ist gezwungen, sie zu retten, indem sie eine Arbeit im Badehaus annimmt. In der realen Welt wurden Natur und ihre Götter durch den Häuserbau zurückgedrängt. In der Geisterwelt jedoch ist die Natur allgegenwärtig. Auf den ersten Blick ist in diesem Film vor allem Wasser ein wichtiger Bestandteil. Jedoch zeigt sich die Umweltverschmutzung überall. Eine Szene sticht deutlich hervor. Ein völlig verdreckter Geist betritt das Badehaus und Chihiro muss ihn waschen. Ekelhafter grün-brauner Schleim tritt hervor, wo immer der Geist steht. Als das Mädchen ihn endlich von seinem Elend befreit, verliert er Dinge wie alte Fahrräder oder sonstigen Müll.

Diese Szene hebt die Umweltverschmutzung durch den Menschen hervor, die auch im ganzen Film allgegenwärtig ist. Ein Fluss ist ausgetrocknet und hält einen Geist gefangen. Der schmutzige Geist kann sich nicht mehr alleine von den Umwelteinflüssen befreien und nur durch gemeinsame, beinahe gewaltsame Arbeit gelingt es den Angestellten, ihn zu retten.

Und nun?

Studio Ghibli versucht, die Schönheit der Natur sowie die Zerbrechlichkeit des Ökosystems zu zeigen. Die Filme geben keine Lösungsvorschläge. Eher wird eine Welt dargestellt, in der der Mensch auf die Natur achtet und versucht, sie nicht zu zerstören. Das Hauptziel der Filme ist für Gründer Miyazaki, dass vor allem die jungen Zuschauer*innen die Welt verstehen, kennenlernen und schützen, in die sie hineingeboren wurden:

„Da diese Welt (von Animation) eingeschlossen, durch viele Werke der Kinder-und Jugendliteratur grundlegend beeinflusst werden, fühlte ich, dass wir die Basis unserer Arbeit auf Kinder übertragen und damit zeigen, dass es sich in dieser Welt zu leben lohnt.“ Hayao Miyazaki

Wenn ihr mehr erfahren möchtet über Studio Ghibli und die Darstellung des Umweltschutzes:

Titelbild © Internet Movie Data Base

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6 Kommentare
  1. Diana Bossert
    Diana Bossert sagte:

    Ich liebe die Studio Ghibli Filme! Auf viele Aspekte, die du hier erwähnst, habe ich noch gar nicht so sehr geachtet… Das werde ich auf jeden Fall nachholen 🙂 Danke dir für den interessanten Beitrag!

  2. Stella Enge
    Stella Enge sagte:

    Beim Anschauen der Filme habe ich tatsächlich noch nie darauf geachtet, was hinter der vielen grünen Natur noch alles so stecken könnte. Echt ein spannender Beitrag! Ich weiß schon, welche Filme auf die Liste fürs Wochenende gesetzt werden.. 🙂

  3. Sandra Amberg
    Sandra Amberg sagte:

    Toller Beitrag ? Den Film „Mein Nachbar Totoro“ kannte ich noch nicht und habe ihn direkt angeschaut. Wunderschön und mit dem richtigen Hintergrundwissen auch viel mehr als ein unterhaltsamer Kinderfilm. Vielen Dank!

  4. Ipek Ivecan
    Ipek Ivecan sagte:

    Ich kann den anderen Kommentaren nur zustimmen. „Chihiros Reise ins Zauberland“ und „Prinzessin Mononoke“ waren meine Lieblingsfilme als Kind und auch jetzt schau ich sie mir sehr sehr gerne an! Deine Analyse ist sehr interessant und ich werde auf jeden Fall mal darauf achten, wenn ich die Filme das nächste Mal schaue! 🙂

  5. Tong Zhao
    Tong Zhao sagte:

    Schöner Beitrag! Wenn ich Chihiros Reise ins Zauberland angeschaut habe, habe ich auch bemerkt, dass Grün und Umweltschutz eine wichtige Rolle spielen.
    Ich würde ein Film von Shinkai Makoto empfehlen, die auch mit Grün zu tun. Er heißt The Garden of Words. ?

  6. Benedikt Matt
    Benedikt Matt sagte:

    Ich muss gestehen, dass ich bisher keinen der Filme gesehen hatte – jetzt habe ich aber Prinzessin Mononoke direkt auf die Watchlist gesetzt. Allein die Stills sehen schon super aus, und nach deiner Beschreibung bin ich mir sicher, dass mir der Film gefällt – solche Aufarbeitungen, die für Kinder wie Erwachsene wertvoll sind, gibt es einfach viel zu selten!

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