Trauerorte sind für viele Menschen ein wichtiger Bestandteil des Trauerprozesses und des Gedenkens. Mit der Digitalisierung verlagert sich dieser Prozess oftmals ins Internet. Dort bieten virtuelle Gedenkseiten neue Orte und Möglichkeiten, um sich an Verstorbene zu erinnern. Inzwischen kann der Friedhofsbesuch auch per Mausklick stattfinden und das Niederlegen von Blumensträußen wird durch das Anzünden einer digitalen Kerze ersetzt. 

Ein Friedhof ist ein sozialer und gemeinschaftlicher Raum, in dem sich Trauernde begegnen und untereinander Trost finden können. Im Zeitalter der Digitalisierung verändert sich allerdings die traditionelle Funktion des Friedhofs als zentraler Trauer- und Gedenkort. Das Erinnern an geliebte Menschen erfolgt heute an ganz unterschiedlichen Orten und in unterschiedlichen Formen. Traueranzeigen, Kondolenzbücher, Beerdigungen, Trauerfeiern und der Friedhof – all diese verschiedenen Medien, Veranstaltungen und Orte führen Menschen in ihrer Trauer um Verstorbene zusammen.  

Seit der Durchsetzung des Internets hat sich die Art des Trauerns stark verändert. Nicht die Traurigkeit oder die Emotionen als solche, wohl aber den Umgang mit der Trauer. Die Menschen haben neue und vielfältige Wege entdeckt, die Trauer mit anderen zu teilen und den Verlust zu verarbeiten. Während sich früher die Möglichkeiten des Austausches über Trauerfälle auf Briefe, Telegramme oder Telefonate beschränkten, bietet sich im Onlinezeitalter eine prinzipiell unbegrenzte und weltweit zugängliche Anteilnahme.

Das Gesicht der virtuellen Grabpflege

Mittlerweile gibt es unzählige Seiten im Internet, auf denen Angehörige sich in ihrem Trauerprozess digital miteinander vernetzen und ihre Gedanken teilen können. Einige bekanntere Beispiele hierfür sind Gedenkseiten.de, MyMemorial24.de oder InFrieden.de. Diese Seiten werden von den Betreibern oft als „virtuelle Friedhöfe“ bezeichnet und die einzelne Gedenkseite einer verstorbenen Person als das „virtuelle Grab“. Viele dieser Webseiten bieten die Möglichkeit, individuelle Gedenkseiten zu Verstorbenen zu erstellen und diese zu gestalten. Auf Solium.de können Hinterbliebene das virtuelle Grab von Verstorbenen sogar auf unterschiedlichen digitalen Friedhöfen platzieren. Das Grab kann hier auch jederzeit umziehen, an einen anderen virtuellen Ort auf dieser Gedenkseite. 

Das virtuelle Grab kann auf verschiedenen virtuellen Friedhöfen eingerichtet werden.

Lieber auf den „Berg der Ruhe“ oder in die „Halle der Seelen“? Hier ist für jeden Geschmack eine letzte Ruhestätte dabei. Screenshot von Solium.de

Im Regelfall enthalten die Gedenkseiten neben dem Namen und einigen demographischen Daten wie Geburts- und Sterbedatum auch ein Bild der verstorbenen Person. Es können auch sehr persönliche Texte eingefügt werden, die Geschichten oder Anekdoten aus dem Leben der Verstorbenen erzählen. Besucher*innen dieser Webseiten können beispielsweise in einem digitalen Kondolenzbuch eigene Botschaften an die Verstorbenen oder Hinterbliebenen richten. Bilder können ebenfalls auf kreative und individuelle Weise in diese Seiten eingebettet werden und zeigen gemeinsame Erlebnisse oder besondere Momente. Verwandte, Bekannte und Freund*innen können diese Seiten mitgestalten und private Erinnerungen untereinander teilen oder ihre Botschaften und Gedanken an die Verstorbenen ins Jenseits senden. Durch diese vielen fotografischen und sehr persönlichen Erinnerungen entfaltet das Gedenkprofil eine besondere Erinnerungskraft. Es entsteht eine Art Retrospektive, die das Leben der Verstorbenen charakterisiert und erzählt. 

m digitalen Kondolenzbuch können Besucher Botschaften an Hinterbliebene oder an die Verstorbenen ins Jenseits richten.

Im digitalen Kondolenzbuch können Besucher Botschaften an Hinterbliebene oder an die Verstorbenen ins Jenseits richten. Screenshot von Gedenkseiten.de

Revolution oder Verlust traditioneller Trauerkultur?

Auf einigen dieser digitalen Gedenkseiten und Friedhöfe finden sich Bewertungen und Rankings. Sie spiegeln die Beliebtheit bestimmter Seiten durch die Anzahl der entzündeten Kerzen, Kommentare oder geteilten Erinnerungen wider. Auf Gedenkseiten.de wurden bereits über drei Millionen virtuelle Kerzen für Verstorbene entzündet und einige Profile verzeichnen über sechs Millionen Aufrufe. Durch eine hohe Anzahl an Aufrufen steigt eine Gedenkseite im Ranking und erhöht damit ihre Sichtbarkeit. Sie wird dann beispielsweise in der Kategorie „meist besucht” besonders weit oben angezeigt. Dies kann den Verstorbenen zwar einerseits Aufmerksamkeit und Wertschätzung verschaffen, jedoch besteht dabei auch die Gefahr, dass der Wert des Gedenkens von quantitativen Metriken abhängig gemacht wird. Die eigentliche Idee dieser Plattformen, einen Raum für Anteilnahme und Trauer zu schaffen, könnte dabei verloren gehen.  

Sparpotenzial und Authentizitätsrisiken digitaler Gedenkkultur

Finanziert werden diese Gedenkseiten häufig durch Werbung, und so ist das Anlegen eines solchen virtuellen Grabes meist kostenlos. Auf manchen Seiten gibt es zusätzlich die Möglichkeit ein kostenpflichtiges Premium-Abonnement abzuschließen. Nutzer*innen erhalten damit Zugriff auf vielfältigere Gestaltungsmöglichkeiten und schalten weitere Features frei. So erhalten sie mit diesem Abo beispielsweise eine werbefreie Gedenkseite und können bis zu 400 Bilder hochladen. Die Kosten eines realen Grabes setzen sich aus den Grabnutzungs- und den Beisetzungsgebühren zusammen. Laut dem Bundesverband Deutscher Bestatter e.V. belaufen sich die grundsätzlichen Kosten hier je nach Bestattungs- und Grabart auf ungefähr 2.000 bis 4.000 Euro. Auf dem digitalen Friedhof Solium.de erhalten Hinterbliebene ein Premium-Abonnement zu einem Jahrespreis von 23,99 Euro. Im direkten Vergleich liegen die Kosten für ein digitales Premium-Grab also in einem deutlich niedrigeren Preissegment.  

Trotz vieler positiver Aspekte der digitalen Gedenkseiten gehen mit ihnen auch einige Herausforderungen einher. Während die Authentizität der Grabstätten auf realen Friedhöfen durch ihre physische Präsenz gesichert ist, gilt es bei Friedhöfen im Internet sicherzustellen, dass die geteilten Erinnerungen echt und authentisch sind. Hier müssen Datenschutzrichtlinien gewährleisten, dass persönliche Daten und Erinnerungen der Verstorbenen und ihrer Angehörigen geschützt und vor allem wahr sind.

Digitale Friedhöfe verändern die Art und Weise, wie wir online trauern und Verstorbenen gedenken. Sie bieten neue Möglichkeiten der Partizipation und Vernetzung von Trauernden im digitalen Raum. Während reale Friedhöfe eine physische und greifbare Erinnerungskultur vermitteln, fördern digitale Gedenkseiten die langfristige Bewahrung des Andenkens durch eine ortsunabhängige Speicherung von Erinnerungen. Gleichzeitig ergeben sich hierbei auch Herausforderungen, insbesondere hinsichtlich der Kommerzialisierung, der Authentizität und des Datenschutzes. Solange die digitalen Friedhöfe durch bezahlbare Geschäftsmodelle und moderne Technologie unterstützt werden, bieten die Profile den Hinterbliebenen auch in Zukunft einen dauerhaften Ort für Trauer und Gedenken. 

Beitragsbild: iStockphoto.com / Brankospeis

 

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