Sie ist schön, schlank und von Kopf bis Fuß aus Kunststoff: Barbie. Für Feminist*innen ein (Alb)traum in Pink, für Kinder nach wie vor ein geliebter Klassiker. Wie ist die Puppe aus Plastik eigentlich entstanden? Und was hat dazu geführt, dass sich Form und Farbe der PVC-Figuren mit den Jahren wandelten?
Barbie ist nicht die erste Puppe aus Plastik ihrer Art. Ihre Vorgängerin stammt aus Deutschland – die Puppe Lilli. Zunächst existierte sie nur als tägliche Zeichnung des Karikaturisten Reinhard Beuthien in der Bild-Zeitung. Später entwickelte sich daraus eine plastische Puppe als Werbeprodukt für die Boulevardzeitung. Die Spielzeugfabrik O. & M. Hausser in Neustadt bei Coburg produzierte ab 1955 die Puppe Lilli – sie bestand aus Hartplastik und hatte einen beweglichen Kopf. Lilli gab es damals mit blonden, dunklen oder roten Haaren in zwei verschiedenen Größen, 19 und 30 Zentimetern. Sie war so erfolgreich, dass sie auch über Deutschland hinaus zum Verkauf angeboten wurde. Während eines Urlaubs in der Schweiz im Jahr 1956 entdeckte eine Amerikanerin namens Ruth Handler die Lilli-Puppe im Schaufenster eines Spielzeugladens. Die Mitbegründerin des Spielzeugkonzerns Mattel war so begeistert von der Puppe, dass sie eine solche auch in den USA auf den Markt bringen wollte.
„A new kind of doll from real life“
Zu Hause hatte Ruth Handler bereits ihre Tochter Barbara beobachtet, wie sie mit ihren Freundinnen Figuren aus Papier bastelte und mit diesen das Leben von Erwachsenen nachspielte. Ein weiterer Anstoß, eine Puppe wie Barbie zu entwickeln, die erwachsener aussah und der man Erwachsenenkleidung anziehen konnte. Am 9. März 1959 wird Barbie, benannt nach Ruth Handlers Tochter Barbara, auf der New Yorker Spielzeugmesse vorgestellt. Barbie heißt mit ganzem Namen eigentlich Barbara Millicent Roberts. Beworben wird sie als „teenage fashion model – a new kind of doll from real life“. 29 Zentimeter ist die Puppe aus Plastik groß. Von da an reist Barbie durch unzählige Kinderzimmer der Welt. Im ersten Jahr verkauft Mattel bereits 351.000 Barbies, zunächst nur in Amerika. 1964 kauft Mattel die Rechte an der Vorgängerin Lilli, woraufhin die Produktion in Deutschland eingestellt wird. Noch im selben Jahr kommt Barbie schließlich auch in deutsche Ladenregale. Ruth Handler formuliert ihre Intention folgendermaßen: „Ich entwarf Barbie, damit das Kind seine eigenen Zukunftsträume auf Barbie projizieren konnte.“
Unwirklich schön, sexistisch und konsumorientiert?
Die Barbie aus Plastik wurde mit einer Figur ausgestattet, die dem Schönheitsideal jener Zeit entsprach: lange, dünne Beine, Wespentaille, makellose Haut, große, blaue Augen und seidig blondes Haar. Doch über die Jahre kommt Kritik an der Puppe aus Plastik auf: Barbie verkörpere ein unrealistisches Körperbild und vermittle gefährliche Rollenbilder. Eine Studie der Universität Sussex von 2006 fand heraus, dass Mädchen zwischen fünf und acht Jahren, die mit Barbies spielten, ein geringeres Selbstbewusstsein in Bezug auf ihren Körper hatten und dünner sein wollten als andere Mädchen. So soll Barbie laut der Studie sogar Essstörungen auslösen können. Der Spielzeugkonzern Mattel wehrte sich gegen die Vorwürfe, schließlich sei Barbie immer noch ein Spielzeug und Mädchen dazu fähig, zwischen Spielzeug und Realität zu unterscheiden.
Auch das Rollen- und Frauenbild, das durch das Spielzeug Barbie vermittelt wird, steht in der Kritik. Die Genderforscherin Stevie Schmiedel, zugleich Gründerin der Organisation Pinkstinks, setzt sich seit 2012 gegen Sexismus und starre Genderrollen bei Spielzeugen und in der Werbung ein. Sie kritisiert geschlechterspezifische Spielzeuge wie Barbie, die Frauen auf ihre Figur und Schönheit reduzieren. Barbie lebt von und für ihre Konsumgüter, Barbie braucht die neueste Kleidung, ein ausgestattetes Haus und ein pinkes Cabrio.
Im Sommer 2013 eröffnete am Berliner Alexanderplatz das „Barbie Dreamhouse“, eine interaktive Erlebnisausstellung für Barbie-Fans. Viele Kritiker*innen protestierten dagegen, unter anderem auch die Genderforscherin Stevie Schmiedel. Sie teilte dem evangelischen Pressedienst mit:
„Das Bild der schlanken, blonden Frau wird als Erfolgserlebnis verkauft. Der Barbie-Wahn ist eine Belastung für die Kinder.“
Nun auch mit Hijab, Beinprothese und Hautkrankheit
Bis 1985 bestand Barbie vor allem aus dem Kunststoff Polyvinylchlorid, kurz PVC, später wurde eine Vielzahl von Kunststoffen für die Herstellung verwendet. Kunststoff ist leicht transformierbar, es können verschiedene Formen erschaffen werden. Doch den Vorteil des Werkstoffs Plastik, verschiedene Modelle und Erscheinungsbilder der Barbie produzieren zu können, entdeckte Mattel erst später. 2020 gibt es Barbie schließlich in verschiedenen Körperformen und -größen, Hauttönen, Frisuren, Haarfarben und -texturen. Auch mit Hijab, Beinprothese und Vitiligo, einer chronischen Hautkrankheit, gibt es die Puppe aus Plastik fortan. In dem Jahr äußert sich das Unternehmen Mattel zu ihrem erweiterten Angebot an Barbies, das sie seit 2015 stetig ausgebaut haben. Laut Mattel sollen Mädchen aus aller Welt eine Puppe finden, mit der sie sich identifizieren können und in der sie auch ihre Umwelt wiederfinden.
Barbie – sie ist weltweit bekannt, von Kindern geliebt, von vielen kritisiert. Doch eins muss man ihr lassen: Die Puppe aus Plastik verwandelt sich stetig weiter, während sie durch die Kinderzimmer der Nationen wandert.
Titelbild © Pixabay
Mehr zur Puppe Lilli findet Ihr hier.
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Ich musste sofort die Melodie vom Barbie-Lied mitsummen, als ich diese Überschrift gelesen hab! 🙂
Man kennt die blonde Barbie, ihr Traumhaus und natürlich ihren Ken – aber über ihre Entstehungsgeschichte weiß man eigentlich nichts. Deswegen fand ich deinen Artikel total spannend! Er beleuchtet sehr gut die Schattenseiten vom Konzept Barbie, aber auch wie der Konzern auf die Kritik und auf den aktuellen Zeitgeist reagiert. Dass es auch Barbies mit Hautkrankheiten und Prothesen gibt, wusste ich zum Beispiel gar nicht!