Riesige Containerschiffe, vollbeladene Frachtdampfer, die am Hafenufer liegen, ein Dutzend bunte Container, die sich am Hafen in die Höhe stapeln, viel Lärm und Unmengen an Plastikmüll, der ans Ufer geschwemmt wird. Daran denkt man vermutlich, stellt man sich den größten Hafen Europas, Rotterdam, vor. Doch das täuscht.
Seit dem 4. Juli 2018 treiben insgesamt 28 sechseckige grüne Plastikinseln auf der Neuen Maas. Wie ein grüner Teppich liegen die Recycled Islands im Rotterdamer Hafenareal und ergeben zusammen eine rund 140 Quadratmeter große Parklandschaft. Dafür verantwortlich ist die niederländische ‚Recycled Island Foundation‘. Sie setzt an strategischen Punkten der Maas-Mündung schwimmende Fallen ein, um an der Wasseroberfläche treibenden Plastikmüll einzusaugen.
Der Strom der Maas spült den treibenden Plastikabfall unter die speziell gefertigten Plastikfallen. Unter diesen befindet sich eine Netzkonstruktion, die dabei hilft, den Plastikmüll auch zu fangen, wenn sich die Stromrichtung des Flusses ändert. Geleert werden die Fallen regelmäßig von der ‚Recycled Island Foundation‘. Von Fußbällen über PET-Flaschen bis hin zu Mikroplastik wurden bisher schon einige Plastikschätze aus der Maas gefischt. Die Stiftung sortiert den Plastikfang nach reinen Materialien, um ihn anschließend zu recyclen.
Eine Lösung aus Plastik für Plastik
Innovativ ist: Aus dem eingesammelten Plastikmüll entsteht das Baumaterial für die sechseckigen Inseln des sogenannten ‚Floating Parks‘. Dieser besteht aus neu gegossenen, sechseckigen Plastikinseln, die mit Pflanzen, Gräsern und Bäumen begrünt werden. Ein spezieller UV-Schutz sorgt dafür, dass sich die Inseln in der Sonne nicht zu Mikroplastik zersetzen und in den Fluss gelangen. Es ist eine Lösung aus Plastik für Plastik, die bitter nötig ist: Forscher*innen des World Wide Fund For Nature (WWF) sagen vorher, dass bis 2050 eine Vervierfachung der Plastikkonzentration in den Meeren drohe.
Letzter Stopp vor dem offenen Meer
Der Hauptverantwortliche für die schwimmenden Recycled Islands am Hafen Rotterdams ist Ramon Knoester. Er startete die ‚Recycled Island Foundation‘ in Kooperation mit der Stadt Rotterdam. Im Rotterdamer Hafenareal bietet die ‚Recycled Island Foundation‘ eine Lösung für den Umgang mit Plastikmüll in Häfen. Wie Knoester in einem Interview mit Deutschlandfunk Kultur erzählt, arbeitet die Stiftung zusammen mit Hafen-Dienstleistern, Recycling-Firmen, Forschungsinstituten, Biolog*innen und Designer*innen. Die Mission: Plastik aus der Neuen Maas zu fischen, bevor dieses das Meer erreicht. „Das meiste Plastik kommt über die Flüsse ins Meer. Also müssen wir bei den Flüssen anfangen“, so Knoester.
Die Zahl ist beachtlich: Mehr als 1.000 Kubikmeter Plastikmüll gelangen jährlich über die Neue Maas in die Nordsee. Rotterdam ist der letzte urbane Stopp vor dem offenen Meer und spielt somit eine entscheidende Rolle für die Verschmutzung der Nordsee. Dies bewegte Knoester dazu, die ‚Recycled Island Foundation‘ in Rotterdam ins Leben zu rufen.
Das Ziel? Biodiversität und vor allem der Schutz der Umwelt. Außerdem soll die Lebensqualität der Stadt verbessert werden, denn die Stadt Rotterdam setzte zunächst auf spektakuläre Bauprojekte südlich der Maas, wodurch eine lebendige, grüne Stadt auf der Strecke blieb. So wurden mit dem ‚Floating Park‘ vor allem mehr Grünflächen am Hafen geschaffen. Überhaupt verspricht sich die Stadt Rotterdam von der schwimmenden Parklandschaft auch eine bessere Wasserqualität und eine grüne Uferzone, ganz im Sinne einer modernen Stadtplanung.
Rückzugsort für Mensch und Tier
Mit dem Projekt wird nicht nur die Plastikverschmutzung in offenen Gewässern gestoppt. Die Parklandschaft dient zudem als Naherholungsplatz für Hafenbesucher*innen und Anwohner*innen. Inmitten eines der umtriebigsten Häfen Europas, zwischen Hochhäusern und modernen Bauten, bieten vereinzelte Inseln mit Sitzmöglichkeiten einen Ort zum Verweilen.
Die schwimmenden Plastikinseln erfüllen aber auch und vor allem eine ökologische Funktion. Durch die unterschiedlichen Pflanzenarten entwickelt sich eine erstaunliche Artenvielfalt. So sind die begrünten Inseln Rückzugsorte für Vögel, Insekten und Fische. Durch die raue Struktur und etliche Spalten auf der Unterseite der Inseln können sich außerdem Algen und Wasserpflanzen anheften. Dies bietet auch Fischen eine sichere Umgebung, um ihre Eier abzulegen.
Der ‚Floating Park‘ geht weltweit als Beispiel voran
Die Stadt Rotterdam möchte mit diesem Projekt Vorbild für weitere Hafenstädte sein und zu einem bewussteren Umgang mit Plastik anregen. Um der Plastifizierung der Ozeane auch künftig entgegenzuwirken, sind weitere Projekte geplant. Bislang ist das ‚Floating Park‘-Projekt am Hafen Rotterdams laut der ‚Recycled Islands Foundation‘ weltweit einzigartig. Noch. Denn einige Städte wurden bereits auf das Projekt aufmerksam. „Wir verfolgen ein Projekt in Antwerpen, in Brüssel und in Frankreich. Seit kurzem sind wir auch in Indonesien, da ist der Plastikmüll noch ein viel größeres Problem“, erzählt Knoester dem Deutschlandfunk Kultur.
Das Bauen eines schwimmenden Parks ist in Rotterdam jedoch keine Premiere. Der ‚Recycled Park‘ liegt neben den ‚Floating Pavillons‘, drei transparenten Halbkugeln, die am Hafen Rotterdams schwimmen und als Erlebniszentrum für Besucher*innen dienen. Künftig soll es sogar eine ‚Floating Farm‘ geben, auf der Kühe Milch produzieren. Aus Plastikmüll können somit auch nützliche und vor allem schöne Dinge entstehen. Wir bleiben gespannt auf schwimmende Kuhställe und können uns solange als Besucher*in des ‚Floating Parks‘ auf den schwimmenden Inseln im Hafen Rotterdams entspannen!
Titelbild: © Recycled Island Foundation
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Ich finde die Idee der Islands wirklich innovativ. Aus Plastikmüll im Meer einen Erholungsort zu schaffen finde ich eine super Idee die sich in vielen Städten am Meer durchsetzen könnte. Auch die Fallen könnten zukünftig in Flüssen zum Einsatz kommen. Ich finde es toll wie manche Menschen sich für unsere Natur einsetzten und mit Kreativität und Geschick derartige Erfindungen erschaffen!
Vielen Dank für den interessanten Beitrag, Amelie! Verrückt, welche kreativen Ideen entstehen und zum Glück auch schon umgesetzt werden. Besonders schön zu sehen, finde ich, dass die Recycled Islands auch von der Natur und den Tieren so gut angenommen werden. Ich bin gespannt, ob diese Ideen bald noch häufiger umgesetzt werden und auch ob das Projekt Floating Farm bald seinen Weg in die Praxis findet.
Ich bin definitiv ein Fan davon verschiedene Ideen in einem Konzept zu vereinen.
Echt cool, dass man als Besucher*in indirekt ein Projekt unterstützt, das versucht unsere Flüsse und damit auch Weltmeere zu säubern.
Allerdings frage ich mich manchmal, ob wir nicht mehr an der Ursache des Problems arbeiten sollten? Es scheint, als würden wir durch derartige Projekte unser schlechtes Gewissen beruhigen.