„Tu das Drastische und reduziere das Plastische“, schrieb ein unbekannter Autor. Das gilt auch für den Lebensmittelhandel. Jedoch ist das ambitionierte Ziel nicht an einem Tag zu erreichen. Dafür ist Plastik noch zu fest in den Strukturen etabliert. Folgt mir auf eine kleine Tour durch Deutschlands Supermärkte und deren teils außergewöhnliche Verpackungsalternativen.
Eine der populärsten Methoden, auf Plastik zu verzichten, sind Unverpackt-Stationen oder -Läden. Das Prinzip ist einfach: Anstatt trockene Lebensmittel wie Linsen, Gummibärchen oder Mehl in (Plastik)-Tüten zu kaufen, füllt man sie einfach selbst ab. Nur die Menge, die man braucht. Alles in ein Glas, das nach Gebrauch wieder im Pfandautomaten verschwindet. Als Verpackungsalternative bieten manche Supermärkte eigene Systeme zum Abfüllen an, passende Gläser inklusive. Bis zu 90 Artikel können Kund*innen so bedarfsgerecht und nachhaltig einkaufen. Was sich nach einer praktikablen Lösung anhört, hat auch eine Kehrseite. Denn Verpackungen aus Glas sind deutlich schwerer als herkömmliche Verpackungen aus Papier oder Plastik. Das führt in der Logistik zu einem höheren Verbrauch an Treibstoffen, einem deutlichen Minuspunkt in der Ökobilanz. Zudem ist die Herstellung von Glas (in jeglicher Form) mit einem hohen Energieverbrauch verbunden – geschuldet den hohen Temperaturen beim Einschmelzen der Bestandteile.
Das Vorbild einer Himbeere
Weiter geht unsere Expedition ins Verpackungsreich. Der erste Eindruck zählt und bleibt: Das gilt auch beim Einkaufen. Der Gedanke von Nachhaltigkeit und einer ökologischen Verträglichkeit ist seit einiger Zeit eine Welle, auf der der gesamte Lebensmittelhandel gerne reitet. Deshalb gibt es viele verschiedene Ansätze, das enorme Volumen an Abfällen jeglicher Art in den Filialen zu reduzieren. An dieser Stelle kommt das Vorbild einer Himbeere ins Spiel. Die saisonalen Verkaufslieblinge leuchten den Kund*innen schon von Weitem entgegen, sobald sie einen Laden betreten. Die Himbeeren liegen unverpackt in Kartons aus Pappe. Einerseits dem Produkt geschuldet, andererseits liegt in den Pappschalen auch ein großer, nachhaltiger Vorteil. Pappe wird zu mehr als 80 Prozent aus Altpapier hergestellt und geht fast vollständig wieder in den Verwertungskreislauf. Das gilt nicht nur für offene Produkte: Auch sogenannte konstruktive Innenausstattungen, die das Produkt in der Verpackung fixieren, können vielfach durch Pappe ersetzt werden.
Leuchtend gelb blüht die Lösung: Die Silphie-Pflanze
In der Silphie-Pflanze steckt eine kleine Sensation auf unserer Verpackungstour. Das gelbblühende Gewächs stammt eigentlich aus Nordamerika, wird vorwiegend zur Energiegewinnung für Biogas genutzt, ist insektenfreundlich und speichert CO2 im Boden. Spannend – aber wo liegt der Bezug zum Plastik? In den Pflanzenfasern. Die können nämlich für die Herstellung von alternativen Verpackungen genutzt werden. Dabei sind sie besonders ressourceneffizient, sparen Transportwege und können, anders als Plastik, regional angebaut werden. Bislang noch in der Pilotphase, soll der Wertstoff weiterentwickelt und resistent gegen Wasser und Fett gemacht werden. Verwandt mit der pflanzlichen Idee ist auch die Entwicklung von Bioplastik – Kunststoffen aus biologischen Rohstoffen. Damit eröffnen sich künftig Paletten an Möglichkeiten für Verpackungsalternativen, die Plastik weiter aus den Supermärkten verdrängen könnten. Bislang findet man Silphie-Verpackungen bei Kresse, bald jedoch auch bei Äpfeln, Tomaten und Champignons.
Einfach geschmacklos: Schutzfilme für Avocado & Co.
Warum glänzt ein Apfel so schön? Die Antwort liegt in einer natürlichen Wachsschicht, die von der Pflanze gegen Insekten und Austrocknung gebildet wird. Dieser Gedanke wurde auch im Kampf gegen Plastik aufgegriffen. Fetthaltige Substanzen, gewonnen aus Traubenkernen, Tomatenschalen oder Obststielen, bilden eine zweite Haut auf Lebensmitteln wie etwa einer Avocado. Einfach, unsichtbar, geschmacksneutral und biologisch abbaubar schützt die Schicht vor Verderb, Transportschäden oder Verunreinigung. Damit können Produkte ohne künstliche Umverpackung wie Folie in die Auslage der Supermärkte gelangen. Eine andere, sprichwörtlich grüne Lösung verbirgt sich in Algen. Die geben sogenannte Vielfachzucker her, aus denen ebenfalls eine Schutzschicht hergestellt werden kann. Unterm Strich eine alles andere als geschmacklose Lösung im Kampf gegen Plastik!
Die Plastikfolie – offensichtlich unverzichtbar?
Ein kontroverser Klassiker der populären Plastikfamilie ist die Folie. Im Lebensmittelhandel sind viele Produkte darin eingepackt. Sie sichert Ware auf den Logistikwegen und ist als praktische Allzweckwaffe etabliert. Klingt unverzichtbar, oder? Die Antwort lautet ja. Auf Folie kann man nicht verzichten. Aber es muss nicht immer Plastik sein: Von Großkonzernen bis Start-ups entwickeln viele praktikable Verpackungsalternativen. Eine Möglichkeit sind Folien aus Holzfasern. Zutatenliste: Zellulose, Wasser, Glycerin und Bindemittel. Einziges Problem sind bislang die Kosten: Zellulose aus der Forstwirtschaft ist etwa dreimal so teuer wie Mineralöl, der Grundstoff für herkömmliches Plastik. Dem stehen wasserlösliche Folienalternativen entgegen. Ähnlich den Schutzfilmen für Obst und Gemüse sind Algen der Stoff plastikfreier Träume und im Alltag auch schon angekommen: Viele Spülmaschinentabs sind in solche Folien eingepackt.
Der Handel im Wandel
Ob Unverpackt-Station, Schutzfilm aus Algen oder Pappe als Konkurrent zum Plastik, die Vielfalt an Alternativen zu herkömmlicher Verpackung ist groß geworden. Der Lebensmittelhandel hat das Gebot der Zeit aufgenommen und immer mehr findige Alternativen ersetzen die diabolischen Verpackungen aus chemischen Granulaten. Auch wenn viele Lösungen noch nicht ausgereift sind, jede Lösung hat Potenzial und wird sich im Lauf der Zeit weiterentwickeln oder vom Markt verschwinden. Es ist aber klar erkennbar, dass Handelsunternehmen viele Ressourcen in die Nachhaltigkeit investieren und mehr geschlossene Kreisläufe etablieren. Allerdings ist die Realität auch eine Nadel, die die Seifenblase einer plastikfreien Welt zum Platzen bringt. In einigen Bereichen der Lieferketten und der Logistik ist Plastik nicht oder nur schwer zu ersetzen. Daher ist der aktuelle Fokus, sich auf Lebensmittel und die Supermärkte zu konzentrieren, der richtige Weg. Dieser ist zwar bereits beschritten, aber der Handel noch lange nicht am Ziel.
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Klar gibt es teilweise keine Alternative zum Plastik im Transport o.ä. – die Frage ist aber, ob das einfach so hingenommen wird oder ob auch nach anderen, umweltfreundlicheren Methoden geforscht bzw. damit herumexperimentiert wird. Das Problem ist doch meistens, dass gar keine besseren Lösungen gefunden werden, weil der aktuelle Weg zwar schlecht für die Umwelt, aber einfach billig ist. Ohne mehr und strikte Regelungen aus der Politik oder eine Veränderung im stetigen Profitmaximierungsdrang der Lieferkette wird es m.M.n. zu keinen umweltfreundlichen Lösungen kommen.
Sehr spannender Artikel. Insbesondere das mit der Silphie-Pflanze. Interessant das Pflanzenfasern für die Herstellung von alternativen Verpackungen genutzt werden.
Ich weiß garnicht warum die Plastikfolie so beliebt ist? Bei mir im Haushalt kommt sie nur selten zum Einsatz. Aber bestimmt gibt es genug Leute die sie exzessiv benutzen…
Ich bin immer wieder erstaunt, wie viel Plastikmüll entsteht, wenn man die Einkäufe zu Hause ausräumt. Vielleicht ist die Silphie-Pflanze ja wirklich irgendwann die Lösung…