Livestream, Gedenkseite, Kundenportal und Diashow – wer denkt da nicht sofort an ein Bestattungsunternehmen? Die ersten gewerblichen Bestatter im 19. Jahrhundert waren meist Schreiner, die neben der Sargproduktion auch Beerdigungen abhielten. Heute ist Bestatter ein Dienstleistungs-Beruf mit dem Fokus, den Angehörigen organisatorisch bei der Beerdigung beizustehen. Für diesen Service kommen nun auch digitale Medien zum Einsatz.
Ich bin zu Gast beim Bestattungsdienst Rilling & Partner in Tübingen und möchte erfahren, welche Medien im Alltag eines Bestattenden genutzt werden und was alles möglich ist. Schon das Logo vor dem Haus und der Eingangsbereich mit überraschend bunten Farben zeigen ein ganz anderes Bild vom Bestattenden als ich erwartet hätte. Farbige Bilder und symbolische Gegenstände scheinen eine wichtige Rolle in diesem Haus zu spielen. Auf dem Bürotisch für Trauergespräche steht eine Kerze und in einer Schale liegen geschliffene Handschmeichler zum Anfassen, Drücken und Herumdrehen in der Hand. Sie sollen aufgewühlten Angehörigen eine gewisse Ruhe verleihen. Auf den ersten Blick scheint hier viel Wert auf das Haptische und Analoge gelegt zu werden. Ich spreche mit Johannes Müller, dem Marketing-Manager von Rilling & Partner über das Unternehmen. Entspannt und mit ruhiger Stimme erklärt er, dass die Arbeit auf Persönlichkeit, Nähe, Vertrauen und Face-to-Face-Kontakt basiert.
Bestattung – digital?
Rilling & Partner organisiert sich ganz klassisch per Telefon, E-Mail und virtuellem Fax mit Kunden und anderen Dienstleistungsunternehmen. Ergänzend steht den Angehörigen ein Kundenportal zur Verfügung, um immer erreichbar zu sein. Damit können die Kunden jederzeit selbst Adressen hinterlegen und zum Beispiel auch Musik für die Trauerfeier raussuchen. Die meisten Angehörigen bevorzugen allerdings persönliche Gespräche.
„Es ist ein Teil von unserer Philosophie, dass man sagt: Man kann hier im Gespräch am Besten alles durchsprechen und planen. Man kann zum Beispiel Geschwister, die sonst nicht so viel miteinander zu tun haben, hier auf einem viel neutraleren Boden zusammenbringen.“
Digital wird es mit dem Medienangebot einer eigenen Gedenkseite, wie es viele Bestatter mittlerweile anbieten. Hier können Angehörige Datum und Ort der Trauerfeier hinterlegen sowie Karten, Bilder und Videos der Verstorbenen hochladen. So werden Verwandte und Freund*innen informiert und die Seite gibt ihnen die Möglichkeit, jederorts Abschied zu nehmen. Besucher*innen der Seite können symbolisch eine Kerze anzünden und eine Nachricht hinterlassen, um ihre Trauer und Anteilnahme auszudrücken. Dieses Angebot kommt momentan vor allem bei Angehörigen junger Verstorbener sehr gut an. Sprich solchen, die zu Lebzeiten schon selbst viel online aktiv waren.
Bestattung – live!
Bei der kleinen Führung durch das Haus kommen wir an verzierten Särgen und Urnen in allen Formen und Farben vorbei: so zum Beispiel an einem Sarg, dessen Deckel mit einem Fluss aus Kieselsteinen verziert ist oder einer Urne mit Schmetterlingen. Dass der Beruf ursprünglich handwerklich war, ist deutlich zu sehen. Für mich als Medienwissenschaftlerin wird es vor allem in der Trauerhalle des „Hauses des Übergangs“ interessant. Der halbrunde Raum ist architektonisch und akustisch durchdacht gestaltet. Zunächst läuft man auf eine graue Betonwand zu, die allerdings in ein helles Dachfenster mit buntem Blumenmuster mündet. Im Verlauf des Tages wandert das Licht durch den Raum und projiziert das Blumenbild schließlich auf die Betonwand.
Meine Aufmerksamkeit gilt jedoch der festmontierten Kamera an der hinteren Wand und dem, was sich hinter einer kleinen Seitentür versteckt. Hinter dieser Tür ist nicht nur eine Art Sakristei für den Pfarrer oder die Pfarrerin, sondern auch ein Technikpult mit zwei Bildschirmen aufgebaut. Von hier aus kann das Bestattungs-Team die Trauerfeiern nicht nur auf Wunsch audiovisuell mitschneiden, sondern auch aus verschiedenen Perspektiven live streamen. Zunächst ein seltsamer Gedanke, denke ich, aber eigentlich eine praktikable Idee. Vor allem zu Coronazeiten sei dies ein tolles Mittel gewesen, um auch Menschen von weither oder von zu Hause aus zuzuschalten, erklärt mir Johannes Müller.
„Die Möglichkeit zum Livestream gibt es schon relativ lang im Haus des Übergangs. Dies wurde als Medienereignis durch die Coronazeit stark gepusht, wird aber jetzt nach Corona seltener nachgefragt. Was häufiger gewünscht ist, ist eine Videoaufzeichnung, die auch mobil gemacht werden kann, wenn die Trauerfeier zum Beispiel in der Kirche oder auf dem Friedhof ist.“
Außerdem hängt mittig im Raum ein Beamer, mit dem es möglich ist, Bilder der Verstorbenen, Videozusammenschnitte und Grußbotschaften zu projizieren. Natürlich kann eine installierte Musikanlage auch den gewünschten musikalischen Rahmen schaffen. Müller meint allerdings, dass viele noch immer Musiker*innen am Klavier, an der Orgel oder der Trompete bevorzugen. Wir verlassen das „Haus des Übergangs“.
#Bestatter auf Social Media
Social Media hat auch den Beruf des Bestatters und der Bestatterin erreicht und so hat auch Rilling & Partner einen eigenen Facebook und Instagram-Account. Ich will wissen, warum es für ein Bestattungsunternehmen wichtig ist, auf Social Media vertreten zu sein. Johannes Müller, der als Marketing-Manager für den Bestattungsdienst arbeitet, erklärt mir, dass sie Social Media hauptsächlich für die Suche nach neuen Mitarbeitenden und für das Vernetzen mit anderen Dienstleister*innen nutzen. So sorgt man bei der jungen Zielgruppe für Aufmerksamkeit und Florist*innen, Musiker*innen und Sarghersteller*innen verlieren das Unternehmen nicht aus dem Blick. Stellenausschreibungen sind bei dem Instagram-Kanal ganz oben angepinnt. Außerdem wird mit Posts auf kommende Kulturveranstaltungen im Haus des Übergangs hingewiesen, die mehrmals im Jahr stattfinden. Es geht darum, gesehen zu werden.
Kleiner Seitenblick: Der Internetstar Luis Bauer macht vor, wie auch ein Bestatter mit Social Media bekannt werden kann. Auf TikTok und Instagram schafft er Aufmerksamkeit für seinen Beruf und erreicht damit über eine Millionen Follower. Der 19-Jährige Influencer klärt über Berufs-Mythen auf und gibt Einblicke in seinen vielschichtigen Arbeitsalltag. Manchmal ein wenig dramatisch, aber grundsätzlich der Branche sehr zuträglich, so die Einschätzung von Johannes Müller.
Auf meine Frage hin, ob Bestatter mittlerweile schon Medienkompetenz für Gedenkseiten, Livestreams und Bildbearbeitungsprogramme haben müssen, meint er nur schmunzelnd, dass man zumindest „offen für Medien“ sein sollte, auch in diesem Beruf.
„Wir versuchen schon, dass alle alles können, aber natürlich gibt es Spezialisierung. Also wenn sich jemand bewerben würde, der vorher schon Veranstaltungstechniker war, das wäre natürlich der Jackpot.“
KI erstmal nicht im Gebrauch
Vor allem durch die Coronapandemie hat sich das Bestattungshaus medientechnisch ausgestattet, um den Kontakt zu Angehörigen trotz Schutzmaßnahmen eng zu halten. Mit der schnell fortschreitenden Entwicklung der KI könnte es bald weitere Innovationen für digitales Nachleben geben. Chatbots, Stimmenimitation, oder Avatare von Verstorbenen können auf die Trauerbewältigung große Auswirkung haben. Da solche Imitationen noch zu Lebzeiten initiiert und produziert würden, sei es eine Entscheidung der Lebenden und daher für Bestatter selbst von nicht allzu großer Bedeutung, so zumindest die Einschätzung von Johannes Müller. In der Phase zwischen Tod und Grablegung, in welcher der Bestatter oder die Bestatterin zum Einsatz kommen, spielt KI für Rilling & Partner keine nennenswerte Rolle.
Der Mensch im Mittelpunkt
Bestattung goes digital? Zumindest in Teilen. Mit Livestreams, Videomitschnitten, Diashows und aktiven Social-Media-Kanälen treten Rilling & Partner und viele weitere Bestattungsdienste zunehmend in die digitale Welt der Medien ein. Trotzdem steht das physische Miteinander, gemeinsam in einem Raum Abschied von einem analogen Menschen in der realen Welt zu nehmen, im Mittelpunkt. Auch wenn das Trauern und die Trauerfeiern mittlerweile digital möglich sind, so ist die Beerdigung eines menschlichen Körpers ein physischer Akt. Die Trauerkarten aus Papier und das gerahmte Portrait neben dem Sarg sind Zeichen dafür, dass das Analoge in der Bestattung noch immer Bestand hat.
Beitragsbild/Collage: Maren Seehuber; Myriams-Fotos Pixabay
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Sehr spannender Beitrag!