Tod im Metaversum: Neue Technologien, die Erweiterung der Städte und die Zerstörung der Natur – das alles führt im Spielfilm Ready Player One (2018) und im Anime Sword Art Online (2012) zur Flucht in virtuelle Welten, die den Menschen Kontrolle und Unsterblichkeit durch personifizierbare digitale Avatare vorgaukeln. Um in diesem utopischen Metaversum schwelgen zu können, müssen wir in der Zukunft einfach nur die VR-Brille aufsetzen.

Im Science-Fiction-Metaversum von Ready Player One (2018) von Regisseur Steven Spielberg entkommen die Menschen den grauen Slums der dystopischen Realität, indem sie in die bunte, virtuelle Oasis eines Online-Multiplayer VR-Spiels fliehen. Dort können sie ihre Fantasie grenzenlos ausleben. Sie können alles machen, können überall hin. Können sein, wer oder was sie sein wollen, den digitalen Avatar gestalten, wie es ihnen beliebt. Das Geschlecht online wechseln, sich verjüngen oder älter machen, ein Emoji als Gesicht haben oder einen Totenkopf als Brustkorb. In die Realität kehren sie nur für biologische Bedürfnisse zurück: ein Schläfchen, ein Snack, ein Gang zur Toilette.

Player Wade Owen Watts „Parzival“ setzt seine VR-Brille auf und betritt die virtuelle Welt Oasis. Quelle: Tenor GIF Keyboard

Zwischen Realität und Virtualität: der Reiz eines Metaversums

Die Oasis gibt den User*innen das Gefühl von Kontrolle über die eigene Sterblichkeit. Wer im echten Leben dahinsiecht, aber ständig eingeloggt ist, bemerkt vom eigenen Verfall wenig. Zumindest so lange nicht, bis man dann im Metaversum Probleme bekommt zu agieren. Denn die Player*innen bewegen sich in der Realität auf einem sogenannten „omnidirektionalen“ Laufband, um den eigenen Avatar im Metaversum zu steuern.

Während sich Player Wade Owen Watts „Parzival“ auf dem Laufband in der Realität bewegt, bewegt sich sein Avatar zeitgleich in der Oasis. Quelle: Tenor GIF Keyboard

Theoretisch kann man grenzenlos oft einen eigenen Avatar erstellen. Wird der Avatar in der Oasis aber besiegt, lebt dessen Wirt zwar weiter und der Avatar kann wiederbelebt werden, jedoch ist online alles verloren – Items, Geld, Rüstungen. Die User*innen müssen komplett von vorne anfangen, sich alles neu aufbauen – eben ganz in der Tradition von Videospielen. Diese Erinnerung an die Sterblichkeit und das Wegnehmen aller Besitztümer ist für die Player*innen in dieser dystopischen Zukunft allerdings gravierend. Die meisten leben fast durchgehend in der Oasis. Die virtuelle Welt sehen sie als ihre Realität und den Avatar als ihr wahres Ich. Ohne diesen sind sie nichts. Der Irrtum der Unsterblichkeit, die sich jede*r im Metaversum einbildet, fliegt plötzlich auf. Dieser Verlust treibt manche Player*innen in der Realität in den Wahnsinn.

Playerin Samantha Evelyn Cook „Art3mis“ loggt sich aus der Oasis aus. Quelle: Tenor GIF Keyboard

Gar nicht mal so abwegig: unsere Zukunft mit VR

Wie realistisch ist ein solches Szenario? Wie weit ist Mark Zuckerbergs Idee vom Metaversum, wie weit sind Computerspiele von solchen Filmfantasien entfernt? Die Vorstellung von einem steuerbaren Avatar in einer virtuellen Welt ist nicht neu. Auch die Aussicht auf eine Zukunft wie in Ready Player One ist gar nicht mal so abwegig. VR-Brillen sind bereits seit mehreren Jahren im Umlauf und Zuckerbergs Metaversum befindet sich im Aufbau. Noch einen Schritt weiter geht die Online-Welt Aincrad in Teil 1 der ersten Staffel des Animes Sword Art Online (ソードアート・オンライン). Dieser Anime basiert auf einer Light-Novel-Reihe des Science-Fiction-Autors Reki Kawahara und wurde bereits im Jahr 2012 veröffentlicht.

Player Kazuto Kirigaya „Kirito“ loggt sich in der virtuellen Welt Aincrad ein. Quelle: Tenor GIF Keyboard

VR noch extremer: den physikalischen Körper in der Wirklichkeit zurücklassen

In Sword Art Online (SAO) verwenden die Player*innen in der fiktionalen Realität ein sogenanntes NerveGear. Das ist ein Gerät, das die sensorischen und motorischen Areale im Gehirn auslesen und stimulieren kann. Das Einloggen und Handeln in der virtuellen Welt Aincrad unterscheidet sich dementsprechend von Spielbergs Oasis-Fiktion: Um SAO spielen zu können, muss der echte Körper gar nicht bewegt werden. Umso besser eignet sich diese virtuelle Welt also, um der Realität zu entkommen und sich selbst zumindest in der Theorie unsterblich, jung und agil zu machen. Denn das zunächst harmlos wirkende, immersive VR-MMORPG (Virtual-Reality-Massive-Multiplayer-Online-Roleplaying-Game) wird am ersten Tag der Veröffentlichung zur tödlichen Realität: Der Entwickler des Spiels verkündet, dass die Player*innen Aincrad erst verlassen können, nachdem sie die Endgegner aller 100 Ebenen besiegt haben. Durch einen Scan des NerveGears erscheint außerdem jede*r Player*in ab sofort in der wahren Gestalt. Zuvor körperlich erhaltene Vorteile in der Online-Welt werden dementsprechend wieder zunichte gemacht. Denn von nun an entspricht jeder digitale Avatar den realen physikalischen Körpern der User*innen und nicht den zuvor erstellten agilen, sportlichen Avataren.

Die tödliche Verbindung von Virtualität und Realität: Sterblichkeit in Sword Art Online

Konträr zur Oasis-Fiktion von Ready Player One bedeutet der Tod des Avatars in Aincrad nach der Ankündigung des Entwicklers in SAO auch den Tod in der fiktionalen Realität. Denn das NerveGear ist darauf programmiert, die Nerven im Gehirn derer zu zerstören, deren virtuelle Avatare im Spiel sterben. Sogar das mutwillige Entfernen durch andere in der fiktionalen Wirklichkeit führt zum realen Tod der Player*innen. Ganz zu schweigen davon, dass alle echten Körper in der realen Welt in Krankenhäusern künstlich am Leben gehalten werden müssen, da der Zustand der Player*innen einem Koma gleicht. Diese sind also in der virtuellen Spielwelt gefangen. Die Protagonist*innen Kirito und Asuna schaffen es, das Spiel nach ungefähr zwei Jahren zu beenden. Von den 10.000 ursprünglichen Player*innen überleben in der narrativen Realität lediglich 6.147, die anderen sterben im Spiel und somit auch in der fiktionalen Wirklichkeit.

Playerin Yuuki Asuna „Asuna“ opfert sich in Aincrad für Player Kazuto Kirigaya „Kirito“ , damit er das Spiel beenden kann. Quelle: Proxer.me  © K.K.A-1 Pictures

Mehrfach leben und wiederauferstehen: die Flucht ins Fantastische

Sowohl Ready Player One als auch Sword Art Online zeigen eine fantastische, aber auch besorgniserregende Zukunft des wachsenden Metaversums. Die Flucht in die Virtualität verändert unser Bewusstsein und Denken über unsere eigene Sterblichkeit in einer Art, wie wir uns das bisher nur durch Zukunftsprognosen in Film und Fiktion ausmalen können. Ein Metaversum wie die Oasis scheint bisher wahrscheinlicher als das von Aincrad, aber auszuschließen ist letzteres nicht. Am Ende stellt sich die Frage, wie wir mit der eigenen Sterblichkeit umgehen können und ob wir mit Kreationen wie der Oasis oder Aincrad nicht einfach nur vor der Konfrontation mit dem Thema Sterblichkeit davonlaufen. Wir schaffen uns mit einem Metaversum lediglich ein zweites Parallelleben; verdoppeln unsere Sterblichkeit in der Hoffnung auf die allersehnte Unsterblichkeit des eigenen Daseins. Liegt die Lösung wirklich in der Flucht in die Virtualität? Antworten auf unsere Frage finden wir wohl erst dann, wenn Science-Fiction zur Realität wird – oder vielmehr, zur Virtualität.

Playerin „Sachi“ (wahrer Name unbekannt) stirbt in der virtuellen Welt Aincrad und somit auch in der fiktionalen Realität. Quelle: Tenor GIF Keyboard

 

© Titelbild: Alphacoders: Ready Player One + Alphacoders: Sword Art Online

Ihr habt noch nicht genug von unseren Afterlife-Beiträgen? Dann folgt uns auf Instagram! Mehr zum Thema findet ihr außerdem hier.

 

0 Kommentare

Dein Kommentar

An Diskussion beteiligen?
Hinterlasse uns Deinen Kommentar!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert