Aysha Joy Samuel muss hin und wieder sterben. Nicht in der realen Welt, sondern auf dem Bildschirm. Im Interview spricht die 27-jährige Schauspielerin darüber, wie man sich darauf vorbereitet zu sterben, ohne wirklich die Erde zu verlassen, und wie sich der berufliche Umgang mit dem Tod mit ihrem persönlichen Leben verbindet.

Zuletzt war Aysha zwei Jahre in der ZDF-Vorabendserie Notruf Hafenkante zu sehen, bevor ihre Rolle Daisy Petersen Anfang 2024 den Serientod starb. Zudem spielte sie Neben- und Episodenrollen, unter anderem in der Netflix-Serie Tribes of Europa, der ZDF-Krimiserie Die Chefin oder der HBO-Serie Almost Fly. Aktuell dreht sie ihren ersten Tatort. Zudem übernahm sie eine Nebenrolle im neuen Film The Phoenician Scheme von Wes Anderson.

In den Polizei- und Krimiserien, in denen du mitgespielt hast, ist oft der Tod das zentrale Thema. Wie oft bist du in Filmen, Serien oder auf der Theaterbühne gestorben? 

Puh, schon öfter. Also einmal als Kassandra, die Seherin aus der griechischen Mythologie. Dann als Daisy Petersen bei Notruf Hafenkante und bei Tribes of Europa, der Netflix-Serie. Ich bin also schon öfters gestorben (lacht).

Du warst du zwei Jahre bei Notruf Hafenkante dabei, bis du als Daisy durch eine Friseurschere gestorben bist. Wie geht man damit um, wenn man erfährt, dass man den Serientod stirbt? Gerade auch, wenn man länger mit dabei war? 

Bei Hafenkante war das schon von Anfang an klar, da ich das auch persönlich wollte. Vor allem weil es bei der Hafenkante weniger passiert, dass überhaupt jemand stirbt. Und ich hab gesagt: Wenn ich jetzt aussteige, weil ich wollte ja aussteigen, dann möchte ich gerne einen heftigen Ausstieg haben. Irgendwas, woran man sich erinnert. Deshalb haben wir entschieden: die Rolle muss sterben. Das ist heftig, aber ich finde das irgendwie auch ganz schön. Ich hab dann erst gemerkt, wieviel mir Daisy Petersen bedeutet hat. Die Rolle war einfach eine total schöne Erfahrung und es ist sehr traurig, dass sie niemals ihre Ziele erreicht hat. Aber ich fand, der Tod war irgendwie wichtig. Als finaler Abschluss. 

Du hast deine Ausbildung an der Film Acting School in Köln gemacht. Wie wird das Thema Sterben und Tod in der Ausbildung behandelt? 

Sagen wir mal so, es gibt verschiedene Techniken. Man kann beispielsweise die Chubbuck-Technik anwenden. Da benutzt man etwas aus seinem eigenen Leben, mit dem man emotional verbunden ist. Aber man sollte darauf achten, dass es nicht zu frisch ist, damit man auch wieder da rauskommt. In der Ivana-Chubbuck-Technik wird einem beigebracht, vergangene Ereignisse zu verwenden mit einem Abstand von sieben Jahren. Zum Beispiel, wenn dein Opa gestorben ist vor sieben Jahren, dann kannst du das für dich benutzen. Aber nichts, was letztes Jahr oder vor ein paar Monaten passiert ist. Dann ist die Gefahr zu hoch, dass die Emotion zu stark ist und man nicht mehr rauskommt. In der Schauspielschule haben wir eher diese Technik praktiziert. Das ist sehr intensiv, denn du gehst sehr ins Persönliche. Aber es hilft total gut die Rolle mehr zu verstehen. Denn letztendlich ist ein Charakter auch nur ein Mensch, der etwas bewältigen muss. Man muss die Verbindung der Echtheit, der Wahrhaftigkeit finden. Dass man eine Emotion nicht spielt, sondern dass man sie fühlt. 

„Also ich würde immer sagen: die Person, die zurückbleibt, hat das anstrengendste Spiel.“

Wie bereitest du dich auf eine Szene vor, in der du stirbst?

Na ja, man muss halt üben. Du planst ja nicht zu sterben. Das kannst du nicht. Ich versuche es so zu spielen, als ob es zum ersten Mal passiert. Ich gucke dann, was kommt von meinem Gegenspieler? Darauf reagiere ich und dann sterbe ich. Das Wichtigste ist, den Charakter so gut aufzubauen, dass sich das Publikum mit der Rolle verbunden fühlt. Also dich sympathisch zu machen, liebevoll, lustig oder so. Damit es für den Zuschauer ein noch größerer Schock ist, wenn du dann weg bist.

Dr. Haase (Fabian Harloff, l.) übergibt die lebensgefährlich verletzte Daisy (Aysha Joy Samuel, M.) an Dr. Jonas (Gerit Kling, r.): jede Minute zählt (Komparsen im Bild). Copyright: ZDF/Christine Schroeder

Sowohl Alana (Tribes of Europa) als auch Daisy (Notruf Hafenkante) sterben einen gewaltsamen Tod durch Stichwaffen. Wirkt sich die Art und Weise, wie man stirbt, auf den Umgang damit aus?

Ja, natürlich. Für die Zeit, in der du drehst, wird die Rolle Teil von dir. Das heißt, es hat auch Auswirkungen auf dich. Wenn ich jetzt jemanden spiele, der krank ist durch Krebs oder irgendwie sowas, dann macht das natürlich was mit einem. Da lässt man sich auch reinfallen. Das ist Method Acting auf eine Art und Weise. Man wird selbst so ein bisschen Teil der Rolle. Aber bei so einem gewaltsamen Tod… Ich meine Alana, die Rolle hatte keine Feinde. Die wollte einfach nur ihr entspanntes Leben leben, und Daisy wollte auch nur ihre Tante beschützen. Ich finde da kann man nicht wirklich sagen, dass das bei mir abgefärbt hat. Weil, das war etwas Spontanes.

Was wäre denn deine Einschätzung: Ist es schwieriger, in der Szene zu sterben oder die Person zu sein, die um die gestorbene Person trauert?

Es ist immer schwieriger, die Person zu sein, die zurückbleibt. Genauso wie im echten Leben. Da leiden nicht die Leute, die gestorben sind, sondern es leiden die Leute, die zurückbleiben. Die sich dann Vorwürfe machen, Was-Wäre-Wenn-Fragen stellen oder Geschichten von damals wieder hervorholen. Also ich würde immer sagen: die Person, die zurückbleibt, hat das anstrengendste Spiel.

„Auch wenn diese Person nicht mehr Teil meines Lebens ist, trage ich sie immer im Herzen mit mir. Besonders bei schwierigen Szenen. Das macht die Person auf eine Art unsterblich und dafür bin ich dankbar.“

Jetzt würde ich dir gerne noch zwei ein bisschen persönlichere Fragen stellen zu dem Thema. Machst du dir Gedanken über den Tod?

Ja, natürlich. Aber ich habe keine Angst vor dem Tod. Bin ich ganz ehrlich. Nicht, weil ich jetzt denke, dass es danach weitergeht, aber weil ich mir denke: Wenn es passiert, dann wird das schon das Richtige sein. Irgendwie. Wer weiß, was danach noch kommt. Ich sage immer: Ich hab das Denken im Ei. Das heißt, wir alle sind an sich ein Mensch und wir alle werden wiedergeboren. Zum Beispiel bin ich dann mal die obdachlose Frau vorm Aldi. Dann bin ich mal du. Dann bin ich mal meine beste Freundin oder meine Mutter oder was auch immer. Also ich habe eher so dieses Denken, das ich einmal jedes Leben sowieso leben muss. Damit man Verständnis hat. Deswegen sage ich: Ich bin du, du bist ich. Alles gut.

Und würdest du sagen, durch deinen beruflichen Umgang mit dem Tod ändert sich auch dein persönlicher Umgang damit? Oder ist es eher umgekehrt, dass das dein persönlicher Umgang damit, deine Arbeit mit dem Tod beeinflusst?

Na ja, sagen wir mal so… Ich greife in den Szenen, in denen jemand stirbt oder sowas ähnliches passiert, schon auf das zurück, was mir privat passiert ist. Das heißt, es tut jedes Mal total weh, weil ich halt meine persönlichen Erfahrungen mit dem Tod in die Rolle einbringe. Und dann muss ich aus der Emotion auch wieder herauskommen. Aber es dauert immer ein bisschen, weil ich dann natürlich wieder an den Moment denke, wo jemand gestorben ist in meinem Leben. Aber weil es auch schon so lange her ist, kann ich das benutzen und komme dann auch wieder aus der Emotion raus. Auch wenn diese Person nicht mehr Teil meines Lebens ist, trage ich sie immer im Herzen. Besonders bei schwierigen Szenen. Das macht die Person auf eine Art unsterblich und dafür bin ich dankbar.

Vielen Dank für das Gespräch, Aysha!

Beitragsbild: Copyright: ZDF/Boris Laewen

 

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