Wer vegan lebt, verzichtet auf tierische Produkte, oft auch mit Verweis auf den ökologischen Fußabdruck. Das immer größere Angebot an veganen Produkten umfasst nun auch Kleidungsstücke oder Schuhe aus „veganem Leder“. Wir fragen, was es damit auf sich hat und ob es eine gute und klimafreundlichere Alternative zu Echt- oder Kunstleder ist.
Vom Echtleder …
Die Lederherstellung ist als eines der ältesten Handwerke in der Geschichte der Menschheit bekannt. Leder gilt als teures Material. Denn der Gerbungsprozess ist sehr aufwendig, um das Leder haltbar und beständig zu machen. Zudem bleibt oft viel Material übrig, weil die Tierhäute Narben und starke Unebenheiten aufweisen können. Das flexible, atmungsaktive und langlebige Material findet sich in vielen Formen und Segmenten wieder. In der Modewelt zum Beispiel haben Produkte wie die Lederjacke es geschafft, geradezu einen Ikonenstatus zu erhalten. Der hohe Preis machte solche Produkte aber nicht für die breite Masse erreichbar.
Mit der Zeit geriet Echtleder daher in Verruf. Denn Tierhäute werden nicht nur als Nebenprodukt der Fleischindustrie verwendet – in manchen Ländern werden Tiere wie Ziegen und Lämmer gar nur für die Lederproduktion gezüchtet und geschlachtet. Deshalb ist auch Echtleder belastend für die Umwelt, aufgund der Haltung der Nutztiere und der falschen Handhabung von Chromsalzen bei der Gerbung . Doch ohne die chemischen Einflüsse bei der Gerbung wäre das reine Naturprodukt unbrauchbar, denn die Oberfläche hätte sonst eine hornartige Eigenschaft, die hart und verderblich wäre. Wer dennoch nicht auf Leder verzichten möchte, sollte dem Ursprung und der Herstellung des Echtleders durch eigenständige Recherche nachgehen. Nichtregierungs-Organisationen wie die Leather Working Group sind beispielsweise dafür zuständig, Umweltzertifizierungen für die lederverarbeitenden Sektoren zu vergeben.
… zum günstigen Lederimitat …
Plastik mit seinen endlosen Möglichkeiten konnte sogar Leder imitieren und wurde zum Konkurrenten für das Original, das so begehrt, aber gleichzeitig zu teuer für die Allgemeinheit war. Während der genaue Zeitpunkt der Erfindung des Kunstleders unbekannt ist, steht fest, dass besonders in der Nachkriegszeit die ersten Lederimitate auf den Markt kamen. Sie sahen dem Echtleder ähnlich und wurden deutlich günstiger vertrieben. Somit konnten auch Kund*innen mit geringeren Einkommen angesagte Produkte erwerben.
Anfangs wurde das textile Gewebe mit Polyvinylchlorid (PVC) beschichtet, das die Imitation der Echtleder Struktur ermöglichte und das Material beständig machte. Jedoch war es in der Haptik härter, luftundurchlässig und roch nach Plastik. Heutzutage wird die Beschichtung mit Polyurethan vorgenommen, das nicht nur zulässt, das Material einfacher zu bearbeiten, sondern auch flexibler und atmungsaktiver ist. Somit hat Kunstleder es zwar möglich gemacht, ein nicht-tierisches Lederimitat zu schaffen, allerdings besteht es aus PVC oder Polyurethan, die beides nicht biologisch abbaubar sind und eine starke Umweltbelastung darstellen. Diverse Weichmacher können außerdem Hautirritationen hervorrufen. Zudem galten Kunstleder-Klamotten zunehmend als billig, weshalb das Lederimitat mit dem hochwertigen Image des Echtleders nicht mithalten konnte.
… bis hin zum angesagten veganen Leder
Veganes Leder hat erst im letzten Jahrzehnt den Markt erreicht und ist kein geschützter Begriff. Daher gibt es keine offiziellen Kriterien, die vorschreiben, was das Produkt erfüllen muss, um die Materialbezeichnung zu erhalten. Auffallend ist meistens der höhere Preis, der im Vergleich zu Kunstleder verlangt wird. Daher spielt der Vermarktungsaspekt des Begriffs eine große Rolle. Kund*innen werden mit der Verkaufsstrategie in die Irre geführt, wenn sie ein hochpreisiges Produkt aus veganem Leder erwerben, das sich in Wahrheit als klassisches Kunstleder aus PVC entpuppt. Es gibt aber auch Lederimitate, die aus pflanzlichen Materialien hergestellt werden. Allerdings benötigen auch diese oftmals petrochemische Zusätze, um das Material haltbar zu machen und ein Trägermaterial aus Kunststoff das für Stabilität und Beständigkeit sorgt. Daher entsteht ein komplexes Mischgewebe, das den Recycling-Prozess erschwert.
Bei den pflanzlichen Lederimitaten gibt es jedoch drei Marken, die vegan und plastikfrei hergestellt werden: Piñatex, Zvnder und Desserto.
- Piñatex gilt als bekannteste Alternative zum Echtleder und wird aus den Fasern von Ananasblättern gewonnen, die aus Lebensmittelabfällen entstammen. Das Material wird mit dem Biokunststoff Polylactide, kurz PLA, gebunden und gilt als robust und preisgünstig. Optisch und haptisch unterscheidet sich das Material jedoch von echtem Leder, da es an Vlies erinnert.
- Die Marke Zvnder ist weniger bekannt und besteht aus den Fasern des Zunderschwammpilzes. Diese Pilzart ist vor allem in den bayrischen Wäldern zu finden. Somit handelt es sich nicht nur um ein nachhaltiges, sondern auch regionales Produkt. Das Material gilt als atmungsaktiv und die Oberfläche hat eine filzartige Eigenschaft. Leider ist diese Option nicht so beständig wie echtes Leder und auch optisch vom Leder unterscheidbar.
- Das mexikanischen Start-up namens Desserto hat Ende 2019 das Kaktus-Leder vorgestellt. Es besteht aus den Fasern des Nopal-Kaktus. Dieses Lederimitat bringt viele Vorzüge mit sich, da es ohne synthetisches Trägermaterial auskommt, Kakteen ein nachhaltiger Rohstoff mit niedrigem Wasserverbrauch sind und das Material dem echten Leder optisch sehr nahekommt. Zudem kann es mit den Eigenschaften von Echtleder mithalten. Wie das Vorbild ist es nämlich beständig, atmungsaktiv und flexibel.
Viele Echt-, Kunst- und Veganleder-Optionen, doch nur wenig klimafreundliche Alternativen …
Sowohl veganes Leder als auch Kunstleder orientieren sich am Original, dem Echtleder. Während sie keine Anteile tierischen Ursprungs enthalten, beinhaltet die meisten Lederalternativen Kunststoffe, die schlecht oder gar nicht biologisch abbaubar sind. Deshalb gilt zu bedenken, dass veganes Leder nicht automatisch die Kriterien der Nachhaltigkeit erfüllt. Die Kund*innen sollten daher genau hinschauen, wie das Material des veganen Leders für das jeweilige Produkt zusammengesetzt ist. Die veganen Lederalternativen Piñatex, Zvnder und Desserto sind gute Vorbilder, die bewiesen haben, dass es tatsächlich vegane, plastikfreie und nachhaltige Alternativen zum Echtleder gibt.
Titelbild: © stock.adobe.com
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Spannendes Thema und toller Artikel! Verrückt, dass man aus den Fasern des Zunderschwammpilzes lederähnliches Material herstellen kann. Durch deinen Artikel ist mir bewusst geworden, dass veganes Leder gegenüber Tierleder nicht nur Vorteile hat. Da muss man dann abwägen, was für einen persönlich wichtiger ist.
Ich finde es sehr schön, dass du sowohl auf die Herstellung und Verarbeitung von Leder als auch von Kunstleder eingehst und über nachhaltige Alternativen aufklärst. Ein sehr informativer und gut strukturierter Artikel!
Sehr interessantes Thema, das du vielfältig beleuchtet hast. Besonders die kritische Auseinandersetzung mit veganem Leder, das doch oft mit Nachhaltigkeit in Verbindung gebracht wird, hat mich sehr zum Denken angeregt.
Super spannender Artikel, vor allem, wenn man doch ein paar Teile aus Echt-Leder und veganem Leder im Schrank hat…Mir ist beim Lesen von deinem Artikel bewusst geworden, wie viele Facetten das Thema Leder eigentlich hat. Vor allem deine Tipps haben mir sehr gut gefallen, sowohl die Umweltzertifizierungen für Echtleder als auch die „besseren“ veganen Lederalternativen will ich mir unbedingt mal anschauen!
Eine Freundin von mir hat letztens ein Praktikum bei einem kleinen Modelabel gemacht, das ebenfalls auf veganes Leder spezialisiert ist. Das Material, das dort verwendet wurde, heißt Mirum, besteht u.a. aus Naturkautschuk und soll angeblich auch frei von synthetischen Stoffen sein. Spannend, wie viele Alternativen es mittlerweile für Echt- und Kunstleder gibt, aber gut, dass du auch die Nachteile beleuchtest!