Einmal im Leben olympisches Gold oder eine Weltmeisterschaft gewinnen – für Profisportler*innen sind das Karriereträume. Umso bitterer ist es, wenn nach unzähligen Stunden Trainingseifer und literweise vergossenem Schweiß das Ziel zum Greifen nahe scheint – und innerhalb des Bruchteils einer Sekunde unerreichbar wird. Zwischenbetrachtung präsentiert: Sieben geplatzte Träume im internationalen Profisport aus den letzten beiden Jahrzehnten.

 

Wechselritt der Gefühle: Erst die Gold-, dann gar keine Medaille

Bettina Hoy erlebt 2004 einen sportlichen Alptraum

Durchlebt 2004 mit ihren Mannschaftskolleg*innen einen sportlichen Alptraum: Vielseitigkeitsreiterin Bettina Hoy. © Wikimedia Commons/Public Domain

Olympiasieger*innen stehen für gewöhnlich mit breitem Grinsen auf dem Podest und lauschen ihrer Nationalhymne, während das frisch errungene Edelmetall um den Hals baumelt. So erleben auch die deutschen Vielseitigkeitsreiter*innen um Bettina Hoy ihren Doppel-Triumph bei den olympischen Sommerspielen in Athen 2004: Das Team gewinnt Mannschafts-, Hoy Einzelgold. Doch drei Tage nach ihrem Sieg für die Ewigkeit müssen die Reiter*innen die Medaillen zurückgeben – nach einer der umstrittensten Entscheidungen in der olympischen Geschichte. Weil die damals 41-jährige Hoy bei ihrem Ritt in der Mannschaftsentscheidung die Startlinie vor Ablauf des Countdowns überquert und die Uhr beim Durchreiten der Lichtschranke nicht wie üblich auf ‚Null‘ springt, wird die Gültigkeit der beiden Goldmedaillen nachträglich vom internationalen Sportgerichtshof aberkannt. Der deutsche Mannschaftschef Reinhard Wendt spricht von einer „Katastrophe“ – Alptraum träfe es auch ganz gut.

 

Superstar Nowitzki bleibt der große Wurf verwehrt

Dirk Nowitzki scheitert mit dem Nationalteam an Griechenland

Dirk Nowitzki bleibt in seiner Karriere mit dem Nationalteam der ganz große Coup verwehrt. © Wikimedia Commons/Public Domain

Bei der Basketball-Europameisterschaft 2005 in Serbien-Montenegro erreicht Deutschland überraschend das Finale. Der überragende Protagonist auf deutscher Seite heißt Dirk Nowitzki. Mit seinen 2,13 Metern Körpergröße führt der gebürtige Würzburger das DBB-Team fast im Alleingang ins Endspiel: Im Halbfinal-Krimi gegen Spanien liegt das Team von Bundestrainer Dirk Bauermann vier Sekunden vor der Schlusssirene mit einem Punkt zurück – bis Nowitzki in unwiderstehlicher Manier die siegbringenden Punkte wirft. Finalgegner Griechenland ist dann allerdings eine Nummer zu groß für die deutsche Auswahl. Durch die 62:78-Niederlage müssen Nowitzki und Co. den Traum vom zweiten deutschen Europameistertitel nach 1993 begraben. Einen Trostpreis gibt es dann aber doch noch für den deutschen Starspieler: Mit insgesamt 183 Punkten sowie durchschnittlichen 10,6 Rebounds pro Spiel wird er zum besten Spieler des Turniers gewählt.

 

Deutschland, (k)ein Sommermärchen

Deutschlands Traum vom Heimtitel platzt gegen Italien

Statt der DFB-Elf erfüllt sich Italien den Traum vom WM-Finale im Berliner Olympiastadion. © Wikimedia Commons/Public Domain

„Die Welt zu Gast bei Freunden.“ So lautet der Slogan der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland. Im Gastgeberland herrscht vier Wochen lang Ausnahmezustand. Was nicht zuletzt an der Performance der DFB-Elf liegt. Das Team von Jürgen Klinsmann spaziert durch die Gruppenphase und räumt in den folgenden K.O.-Duellen erst Schweden, dann Argentinien aus dem Weg. Der Traum vom Heim-Finale und vierten WM-Titel lebt – und zerplatzt am 4. Juli kurz vor Mitternacht im Dortmunder Signal-Iduna-Park. Gegen ein starkes Italien hält Deutschland bis kurz vor Ende der Verlängerung ein 0:0. Alle bereiten sich aufs Elfmeterschießen vor. Alle außer Fabio Grosso. Im Anschluss an eine Ecke wird der italienische Außenverteidiger traumhaft von Andrea Pirlo freigespielt – und erzielt mit einem Schlenzer vorbei an den verdutzt schauenden deutschen Abwehrspielern das Tor seines Lebens. Jens Lehmann im Tor ist chancenlos. Kurz darauf erhöht Italien auf 2:0. Das Spiel ist aus, Deutschland raus.

 

Kein Happy End für Lisicki – Steffi-Graf-Nachfolge verpasst

Sabine Lisicki ist nach ihrem verlorenen Wimbledon-Finale enttäuscht

Verpasst die Steffi-Graf-Nachfolge im Wimbledon-Finale 2013: Tennisspielerin Sabine Lisicki. © Wikimedia Commons/Public Domain

Wimbledon, Sommer 2013: Beim prestigeträchtigsten Tennisturnier der Welt im Süden Londons kämpft sich die damals 23-jährige Sabine Lisicki bis ins Endspiel vor. In zwei furiosen Wochen auf den Courts an der Church Road bezwingt die Berlinerin unter anderem Starspielerin Serena Williams. Zum ersten Mal seit Steffi Grafs Triumph bei den French Open 1999 hat eine deutsche Tennisspielerin wieder den Sieg bei einem Grand-Slam vor Augen. Doch im Finale gegen die Französin Marion Bartoli erwischt Lisicki einen gebrauchten Tag. Auf dem ehrwürdigen Centre Court ist sie im ersten Satz chancenlos, nach nur 29 Minuten steht ein 6:1 für Bartoli auf der Anzeigetafel. Zwar holt sich Lisicki gleich zu Beginn des zweiten Satzes ein Break, doch die Hoffnung auf das Comeback währt nur kurz: Bartoli nimmt Lisicki postwendend zwei Mal den Aufschlag ab – und verwandelt nach 81 Minuten ihren vierten Matchball zum Sieg.

 

Historisch starkes DEB-Team gleitet an der Sensation vorbei

Deutschlands Eishockey-Nationalmannschaft verpasst die Olympia-Sensation

In Pyeongchang zeigt sich das deutsche Eishockeyteam eiskalt – und gleitet haarscharf an der Olympia-Sensation vorbei. © Wikimedia Commons/Public Domain

„Eishockey-Sensation“ titelt der Spiegel, die Welt spricht gar vom „Eishockey-Wunder“. Es sind Begriffe, die im Sportjournalismus beinahe inflationär gebraucht werden. Und doch könnten sie für das, was sich bei den olympischen Winterspielen  im Februar 2018 abspielt, passender nicht sein. Beim Eishockeyturnier im südkoreanischen Pyeongchang trumpft das deutsche Team groß auf: Nach einem Sieg gegen den amtierenden Weltmeister Schweden trifft die DEB-Auswahl im Halbfinale auf Kanada – und bezwingt den Rekord-Olympiasieger furios mit 4:3. Wie im Rausch gleitet die Mannschaft von Bundestrainer Marco Sturm ins olympische Finale. Silber sicher, Gold vor Augen, führt Deutschland gegen Endspielgegner Russland zwischenzeitlich mit 3:2 und kratzt in Überzahl an der Mega-Überraschung. Doch Russland schlägt zurück und erzielt in der Verlängerung das entscheidende Tor zum 4:3. Das DEB-Team scheitert knapp, ein kleiner Traum geht aber doch in Erfüllung: Nach Olympia-Bronze 1976 wird die Silbermedaille von Pyeongchang zum größten Erfolg der deutschen Eishockeygeschichte.

 

Kristina Vogel grausam ausgebremst

Bahnradsportlerin Kristina Vogel wird 2018 grausam ausgebremst

Bis zu ihrem Unfall die erfolgreichste deutsche Bahnradsportlerin: Die zweifache Olympiasiegerin Kristina Vogel. © Wikimedia Commons/Public Domain

Bahnradfahrerin Kristina Vogel verpasst am 26. Juni 2018 kein Finale, auch keine Goldmedaille. Und doch ist das, was sich an diesem Sommertag in Cottbus ereignet, ein besonders tragisch geplatzter Sporttraum. Beim Sprint-Training auf einer Betonbahn kollidiert Vogel bei voller Geschwindigkeit (60 km/h) mit einem niederländischen Fahrer, der sich ebenfalls auf der Bahn befindet. Als sie aufwacht, spürt Vogel, dass etwas nicht stimmt. „Da war mir sofort klar, das war’s. Das mit dem Laufen wird nichts mehr“, erinnert sich die heute 30-Jährige. Nach Wochen im Krankenhaus und Tagen im künstlichen Koma bewahrheiten sich Vogels Befürchtungen: Die mit elf Weltmeistertiteln und zwei Olympiasiegen bis dato erfolgreichste Bahnradfahrerin der Welt ist querschnittsgelähmt. Wenige Monate darauf äußert sie sich erstmals zu ihrem Unfall und den Folgen: „Ich habe großes Glück, dass ich noch lebe und voll funktionsfähige Arme habe. Egal, was das Schicksal für einen bereit hält, das Leben geht weiter.“

 

Fischerboot verhindert Herrmanns Vendée-Globe-Triumph

Die Vendée Globe gilt als härteste Segelregatta der Welt

Bei der Vendée Globe lassen die Teilnehmer*innen unter anderem das Kap der Guten Hoffnung in Südafrika hinter sich. © Wikimedia Commons/Public Domain

In 80 Tagen um die Welt. Was Phileas Fogg im Roman von Jules Verne kann, kann Boris Herrmann schon lange. Im Gegensatz zum englischen Gentleman nutzt Herrmann auf seiner Reise um den Globus aber nur ein Gefährt. Mit seiner Hochseeyacht „Seaexplorer“ nimmt der Oldenburger im November 2020 als erster Deutscher an der wohl härtesten Segelregatta der Welt teil: der Vendée Globe. Von Frankreich aus startend, lässt Herrmann in weniger als drei Monaten das Kap der guten Hoffnung, das Kap Leeuwin und das Kap Hoorn hinter sich. Dabei geht es vornehmlich durch die besonders rauen Gewässer der Antarktis. 24.000 Seemeilen insgesamt. Nonstop. Es läuft gut für Herrmann. Sehr gut. 85 Seemeilen vor dem Ziel lebt auf einmal sogar der Traum vom Gesamtsieg. Doch dann das böse Erwachen: In der Dunkelheit der Nacht kollidiert Herrmann mit einem Fischtrawler. Er verliert den möglichen Podestplatz, gewinnt aber die Sympathien unzähliger Deutscher, die sein Abenteuer mitverfolgt haben. Nach 80 Tagen und 15 Stunden auf hoher See läuft Herrmann im Start- und Zielhafen Les Sables-d’Olonne ein.

 

Titelbild: ©pixabay

 

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Kopf mit bunter Wolke Träume

2 Kommentare
  1. Julia Faisst
    Julia Faisst sagte:

    Sehr spannender Beitrag! Von den meisten „sportlichen Alpträumen“ hatte ich schon gehört, als sie passiert sind, aber es war jetzt nochmal sehr interessant, sie alle gesammelt in einem Beitrag zu haben. Obwohl der Beitrag natürlich emotional gesehen schwere Kost ist – gerade bei Bettina Hoy, Kristina Vogel und Boris Herrmann kann ich mir gar nicht ausmalen, wie sich so eine Erfahrung anfühlt, nachdem man so viel investiert hat.

  2. Jonas Drews
    Jonas Drews sagte:

    Ein paar ganz ganz bittere Momente der Sportgeschichte!
    Das tat schon manchmal weh beim lesen.
    Nichtsdestotrotz fein ausgewählt und anregend verfasst!

Kommentare sind deaktiviert.