Nach einer beschwerlichen Reise voller Gefahren befinden sich vier mutige Abenteurer in einer atemberaubenden Schatzkammer. Doch gerade als sie sich auf die Reichtümer stürzen wollen, beginnt der Boden unter ihnen plötzlich zu beben. „Würfelt mal auf Initiative!“, tönt es aus dem Off. Das Plündern von Schatzkammern wäre eine feine Sache, wenn all die Kostbarkeiten nicht ständig von Drachen bewacht würden. Willkommen in der Welt der Pen&Paper-Rollenspiele!
Seit den 1970er Jahren begeistern sie unzählige Spieler*innen und spätestens mit der US-amerikanischen Sitcom „The Big Bang Theory“ sind sie im Mainstream angekommen. Die wohl bekannteste Variante der Pen&Paper-Rollenspiele ist das 1974 erstmals erschienene „Dungeons & Dragons“. Der Clou dabei ist, dass man zum Spielen lediglich Stift, Papier und viel Fantasie benötigt – zumindest in der Theorie. Die meisten Systeme nutzen zudem polyedrische Würfel, deren unterschiedliche Seitenzahlen die Variationsmöglichkeiten des Spielgeschehens beeinflussen. Der klassische 6-seitige-Würfel (W6) wird hierbei meist durch W4, W8, W10, W12 und W20 ergänzt, um die Spannweite möglicher Resultate zu vergrößern.
Abgesehen von Stift und Papier sollten zumindest Spielleiter*innen ein Regelwerk besitzen. Die Aufgabe der Spielleitung besteht darin, die Mitspielenden durch das Abenteuer zu führen. Sie erklären ihnen sozusagen die Welt, in der sie sich befinden, und bieten Spielercharakteren Handlungsmöglichkeiten an. Möchten Spielende mehr über die Sinneseindrücke ihrer Charaktere erfahren, dann konsultieren sie die Spielleitung. Oftmals bauen Spielleiter*innen auch Landkarten, Bilder und selbstgezeichnete Skizzen ein, um Spielenden den Zugang zu ihren Welten zu erleichtern. Je nach Setting können zudem Audioaufnahmen, Videoclips und Animationen zum Einsatz kommen – der Kreativität sind hierbei keine Grenzen gesetzt. Prinzipiell können erfahrene Spielleiter*innen ihre Regeln und Abenteuer völlig frei improvisieren oder eigene Geschichten schreiben.
Wie funktioniert ein Pen&Paper-Rollenspiel?
Das Regelwerk gibt bei Pen&Paper-Rollenspielen immer nur einen möglichen Rahmen vor. Die Möglichkeiten werden hingegen, ganz anders als beispielsweise bei Computerspielen, ausschließlich durch die Vorstellungskraft der Spielenden limitiert. Computer- und Videospiele zeichnen sich durch feste Regeln und vorgegebene Handlungsoptionen aus. Auch durch Cheats und Modifikationen können Spieler*innen diese Limitierungen nur bedingt umgehen und anpassen. Pen&Papers bieten Spielenden hingegen die Freiheit, uneingeschränkt mit Objekten und Figuren zu interagieren. Statt aus einem Pool möglicher Dialogoptionen die passendste auszusuchen, können sie sich frei mit ihrem Gegenüber unterhalten. Außerdem können sie eigens erstellte Charaktere mit Talenten und Fähigkeiten ausstatten, die sie selbst gerne besäßen oder spannend finden. Auch das Aussehen kann bei Pen&Paper-Rollenspielen völlig individuell gestaltet werden, während Videospielcharaktere technischen Limitierungen und den Entscheidungen der Gamedesigner*innen unterworfen sind.
Bei einem Pen&Paper verkörpern und beschreiben hingegen allmächtige Spielleiter*innen alle weiteren Subjekte, Objekte und metaphysischen Elemente einer Spielwelt. Außerdem bestimmen sie die Wahrscheinlichkeit, mit der ein geplantes Vorhaben gelingt. Je nach Talentwert, Regelsystem und Komplexität der bevorstehenden Handlung legen sie Werte fest, die Spielende mit ihren Würfeln beispielsweise nicht überschreiten dürfen, da ihnen die jeweilige Talentprobe sonst misslingt. Spielleiter*innen können gnädige Götter sein und Spielende für erfolgreiche Taten mit Reichtum und Macht belohnen. Sie entscheiden durch die Gestaltung ihrer Welten aber auch über Leben und Tod – oder zumindest über das Schicksal der Spielercharaktere. Pen&Paper-Rollenspiele sind äußerst immersiv, weshalb die Grenzen hierbei oft verschwimmen. Es macht Spaß, Gott zu spielen, doch es kann auch sehr anstrengend sein. Spielende erwarten, dass Spielleiter*innen glaubwürdige Welten erschaffen, unzählige Figuren individuell verkörpern und Spielwelten mit interessanten und fairen Herausforderungen bestücken. Spielleiter*innen treten dabei jedoch nicht alleine gegen die anderen Spielenden an, sondern erschaffen gemeinsam mit ihnen ein spannendes Abenteuer.
Die Magie des Papiers
Die Gestaltung der Charaktere ist dabei nur der Anfang der Möglichkeiten, die das Papier bietet. Auf Charakterbögen werden Punkte auf Grundwerte wie Stärke, Intelligenz und Geschicklichkeit verteilt. Um einen schweren Gegenstand zu heben, reicht zum Beispiel meist eine Probe auf den jeweiligen Stärkewert des Charakters aus. Durch die enorme Freiheit sind Handlungen in Pen&Paper-Rollenspielen jedoch häufig komplexer. Eine Talentprobe, wie das erfolgreiche Erklettern einer steilen Felswand, wird daher beispielsweise über eine Mischung aus Stärke und Geschicklichkeit bestimmt. Außerdem können Spielende auf spezifische Talente wie ‚Klettern‘, ‚Schleichen‘ oder ‚Zauberkunst‘ oftmals zusätzliche Punkte verteilen. So modifizieren sie Wurfergebnisse und gleichen misslungene Würfe durch Talentpunkte aus. Ist ein Charakter zum Beispiel eher ungeschickt und schafft es mit seinem Wurf nicht die Felswand zu erklimmen, dann kann er seine Talentpunkte auf den Wert ‚Klettern‘ einsetzen, um den Wurf auszugleichen. So können sich Spielende spezialisieren und ihre Mitspieler*innen mit individuellen Fähigkeiten unterstützen.
Charakterbögen geben somit Möglichkeiten vor, ähnlich wie bei einem digitalen Rollenspiel, beschränken sich jedoch nicht darauf. Spielende können individuelle Wünsche bei der Erstellung ihrer Charaktere mit der Spielleitung absprechen und auf ihren Charakterbögen vermerken. So legen sie oftmals Hintergründe fest, erhalten Boni durch die Wahl eines Berufs und sichern sich Vorteile durch Kontakte zu Händlern oder Auftraggebern innerhalb der Spielwelt. Auch die Charakterentwicklung, Erfahrungspunkte und erspielte Gegenstände werden auf Charakterbögen vermerkt. Das Papier dient dabei jedoch nicht nur als Gedächtnisstütze, sondern auch als Medium zur kreativen Entfaltung von Geschichten. Es erfährt im Rahmen eines Pen&Papers eine ganz besondere Wertschätzung, denn in kaum einem anderen Kontext vermag ein einfaches Stück Papier mit der Aufschrift „Excalibur“ für solch eine Euphorie zu sorgen.
Muss ich das Regelbuch lesen, wenn ich mir die App runterladen kann?
Pen&Paper-Rollenspiele werden heutzutage längst nicht mehr nur im heimischen Wohnzimmer und ausschließlich auf Papier zelebriert. Gamer*innen nutzen virtuelle Spieltische wie Roll20, D20pro oder Fantasy Grounds, um sie online zu spielen. Es gibt zudem zahlreiche Apps, die als Spielhilfen für Pen&Papers dienen. Ob man sich nun für das PDF oder das gebundene Regelbuch entscheidet, hängt vom jeweiligen Spielertyp ab. Häufig wird eine Mischung aus analog und digital bevorzugt, wobei Tablet-PCs und Laptops die Spielleitung meist beim Multitasking unterstützen und für die musikalische Untermalung sorgen. Spielende kommen hingegen meist tatsächlich mit Stift und Papier aus. Das Besondere ist hierbei der Charme, den selbstgemachte Objekte versprühen. Mich amüsiert die schlecht gezeichnete Magierin meiner besten Freundin beispielsweise deutlich mehr als ein polygonarmer Tauren-Krieger aus „World of Warcraft“.
Anbei findet ihr eine Partie „Dungeons & Dragons“ von Geek & Sundry mit Vin Diesel und das Pen&Paper „Der schwarze Tod“ von Rocket Beans TV im Auftrag von funk.
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Ich kannte das Prinzip der Pen&Paper-Rollenspiele zwar schon, aber finde es schön, dass das Thema mal Beachtung bekommt und vor allem, dass hier das Besondere daran hervorgehoben wird. Man muss einfach seine eigene Kreativität anregen, weshalb im Kopf eines jeden Mitspielers eine andere Welt entsteht. So ein Abend macht einfach immer wieder Spaß 🙂
Ich finde das Prinzip des Pen&Paper auch sehr interessant, da der Kreativität so gut wie keine Grenzen gesetzt werden und man sich in dieser imaginierten Welt frei bewegen kann, anders als beispielsweise in Computerspielen, in denen man bestimmten Erzählsträngen folgen muss. Da im Pen&Paper einfach alles möglich zu sein scheint, muss man sich erst einmal an die ungewohnte Art und Weise des Spielens gewöhnen, doch es macht großen Spaß – besonders da man sich in der realen Welt zum Spielen trifft und so auch Zeit mit Freunden verbringen kann.
Für jemanden der noch nie aktiv bei einem Pen&Paper Rollenspiel mitgespielt hat ist dein Beitrag ein toller Einblick. Ich kenne das von einer Freundin, die immer von ihren selbst kreiierten Charakteren schwärmt und diese auch zeichnet. Aufgeregt erzählte sie mir einmal, dass sie ihren Zettel für Dungeons&Dragons verloren hatte. Oft versteht man dann als Außenstehender dann oft gar nichts…nach deinem Beitrag ist mir die Dramatik der Situation ein bisschen bewusster geworden. Der Zettel gehört dazu! Dein Beitrag und das Video mit Vin Diesel haben mich aber jetzt zum Teil aufgeklärt. Ich persönlich fände es eher hinderlich, wenn man immer die ganzen Details im Kopf behalten muss und wenn man eins vergisst, das Spiel plötzlich wenig Sinn mehr ergibt. Das finde ich alleine schon bei anderen Rollenspielen, wie zum Beispiel Krimidinner schwer. Praktisch, wenn die Infos dann noch einmal auf dem Papier sind.
Ein sehr interessanter Artikel, vielen Dank!
In der Tat bin ich ein Big-Fan von COC (Call of Cthulhu), einer der Spiele von Pen&Paper. Der größte Unterschied zwischen Pen&Paper und Computerspielen ist, dass es die Wichtigkeit der Kommunikation miteinander betont. Man muss sich mit anderen Spielern auseinandersetzen, Informationen austauschen, gemeinsame Entscheidungen treffen und schließlich zusammenarbeiten, um ein Storyende zu erzielen, zum Besseren oder zum Schlechteren.
Ein schöner Einblick in die Fantasy World des Pen&Paper-Rollenspiels. Ich persönlich kam eher durch Serien wie „The Big Bang Theory“ und „Stranger Things“ mit diesem Thema in Berührung. Dabei verstand ich aber nie so richtig, weshalb die Spielenden sich diverse Szenarien ausdachten und diese anschließend wie in einem Märchen erzählerisch nach außen hin kommunizierten. Allerdings erklärt dein Artikel sehr schön, wie essenziell die eigene Fantasie und wie ausschlaggebend das Papier im Bereich der Pen&Paper-Rollenspiele sind. Der fiktive Charakter des Spielenden ist nicht mehr durch die Programmierung der Gamedesigner*innen limitiert, sondern kann über die Grenzen hinaus operieren. Hindernisse und Belohnungen können je nach Präferenz und dem Würfelglück variieren. Papier, Stift und Kreativität ergeben in ihrem Zusammenspiel eine spielerische Selbstbestimmung.