Plastik kann bei der Behandlung von Krankheiten, etwa der Skoliose, eine wichtige Rolle spielen. Die Verkrümmung der Wirbelsäule kann durch ein Skoliose-Korsett korrigiert werden. Wie es sich anfühlt, dieses Stück Plastik ständig am Körper zu tragen und es als täglichen Begleiter zu akzeptieren, erzählt Marie Schuelk* im Interview.
Marie bemerkte ihre Skoliose, als sie in der Schule beim Sitzen „immer in eine gewisse Richtung absackte“, wie sie sich erinnert. Da auch ihre beste Freundin Skoliose hat, vermutete sie, dass es auch bei ihr so sein könnte. Ein Orthopäde bestätigte ihren Verdacht mit seiner Diagnose. Mit 14 Jahren bekam sie ein Korsett zur Behandlung und trug dieses bis zu ihrem 19. Lebensjahr täglich bis zu 23 Stunden. Nach dem Schulabschluss behielt sie das Korsett nur noch nachts gegen Rückenschmerzen ab, um sich schließlich mit 21 Jahren zu entwöhnen. Heute trägt sie kein Korsett mehr und berichtet stattdessen von ihren Erfahrungen.
Um ein Korsett herzustellen, macht ein Korsett-Bauer einen Abdruck vom Oberkörper des Betroffenen. Dafür fertigt er entweder einen Gipsabdruck an oder nimmt die einzelnen Werte mit einem Laser ab, wodurch eine 3D-Zeichnung in einem Computer entsteht. Danach wird ein Rohling produziert. Dieser Rohling hat noch viel Plastikmasse und ist sehr groß. Damit das fertige Korsett entsteht, wird er vom Korsett-Bauer angepasst. In verschiedenen Positionen zeichnet er einzelne Parts an, die er anschließend abschleift. Die Wirkung des Korsetts wird durch Pelotten erzeugt. Dabei handelt es sich um Erhöhungen innerhalb des Korsett, welche die Wirbelsäule gerade drücken sollen.
Kannst du den Moment beschreiben, als du das Korsett das erste Mal angezogen hast?
Ich kann mich noch sehr gut an das erste Mal erinnern, als ich meinen Rohling anzog. Ich muss sagen, das war eines der schlimmsten Erlebnisse, die ich bisher hatte. Dieses Gefühl kann man gar nicht richtig beschreiben: Der Rohling ist extrem einengend. Man legt sich am Anfang hin und bekommt ihn angezogen und bekommt einfach keine Luft. Nachdem dann das Korsett angepasst wurde und ich das Korsett mit nach Hause genommen hatte, waren die ersten Monate ziemlich schwierig. Ich steigerte jeden Tag die Tragezeit. Am Anfang war es nur eine halbe Stunde und dann wurde es immer mehr. Anfangs konnte ich in dem Korsett auch nur liegen, also ich konnte nicht aufstehen. Das habe ich mit der Zeit gelernt, und wenn man das Korsett dann regelmäßig trägt, ist es einfach ein ganz anderes Gefühl, also das gehört dann einfach zu einem.
Wie sah dein Korsett aus?
Ich habe damals mein Korsett mit ganz vielen Fotos von meinen Freunden, von meiner Familie und mit Zeichnungen beklebt. Dadurch habe ich es ein bisschen individualisiert.
„Ich hatte sehr viel Unterstützung von meiner Familie und meinen Freunden.“
Gab es Momente, an denen du das Korsett gar nicht tragen wolltest?
Bei den meisten wird Skoliose am Anfang der Teenager-Jahre festgestellt, das war bei mir ja auch so. Da ist es natürlich noch ein bisschen schwieriger sich mit so einem Thema auseinanderzusetzen und Abstriche für die Gesundheit zu machen. Ich habe das aber eigentlich ganz gut akzeptieren können, weil mir auch durchaus bewusst war, dass meine Skoliose sich stark verschlechtern würde, wenn ich das Korsett nicht tragen würde. Meine Skoliose hat sich sowieso schon verschlechtert, obwohl ich das Korsett 23 Stunden am Tag anhatte. Es gab aber trotzdem Momente, in denen ich das Korsett ausgezogen habe.
Wann denn?
Zum Beispiel im Sommer, wenn es unglaublich warm war. Ich habe mich aber schon immer wieder motiviert es anzuziehen, weil ich wusste in welche Richtung es geht, wenn ich es nicht trage. Und da war mir meine Gesundheit wichtiger und ich habe sehr viel Unterstützung von meiner Familie und von meinen Freunden bekommen. Ich glaub das war der Punkt, warum ich mich immer wieder motiviert hab.
„Das war dann einfach ein täglicher Begleiter, den ich akzeptiert habe.“
War es unangenehm, Plastik ständig so nah am Körper zu haben?
Das Korsett trägt man nicht direkt am Körper, es wird ein Korsett-Hemd darunter getragen. Das ist entweder ein sehr enges T-Shirt oder ein sehr enges Top. Beide haben absolut keine Nähte, weil durch die Pelotten bekommt man an Nähten Druckstellen auf der Haut, die dann auch sehr schmerzhaft sein können. Um das zu umgehen, trägt man ein Korsett-Hemd. Es kommt auch immer darauf an, wie das Korsett aussieht. Ich hatte mehrere Korsetts im Laufe der Zeit. Eines hatte einen Bügel, der meine Schultern nach hinten gehalten hat, um die Haltung zu verbessern. Dieser Bügel war direkt auf der Haut und das kann unangenehm sein. Vor allem, wenn man im Sommer schwitzt. Dadurch entsteht natürlich eine gewisse Reibung, was die Haut extrem beansprucht. Da ist das Plastik schon sehr unangenehm. Das Plastik speichert auch die Wärme extrem. Man fühlt sich manchmal, als hätte man eine kleine, tragbare Sauna an. Ansonsten habe ich mich aber an das Korsett sehr gut gewöhnt. Das war dann einfach ein täglicher Begleiter, den ich akzeptiert habe. Die Schmerzen, die das Korsett anfangs verursacht hat, sind auch weniger geworden.
Welche Vorteile hat es, dass das Skoliose-Korsett aus Plastik ist?
Dadurch konnte man das Korsett besser pflegen. Man konnte das einfach abwaschen, was natürlich im Sommer geschickt war. Man trägt es zwar nicht direkt auf der Haut, aber trotzdem am Körper. Ich finde es einfach hygienischer, wenn man das regelmäßig abwäscht.
„Ich fand es immer schön, wenn Leute mir Fragen gestellt haben.“
Was ist das Merkwürdigste, das dir in Bezug auf das Korsett passiert ist?
Ich fand es immer schön, wenn Leute mir Fragen gestellt haben, offen mit mir über das Thema geredet haben und Interesse gezeigt haben. Ich hatte kein Problem damit, Fragen zu beantworten. Es war ab und zu dann aber doch eine sehr lustige Frage dabei. Ich wurde zum Beispiel mal gefragt, ob ich mit dem Korsett duschen gehe. Dann habe ich erklärt, dass ich das Korsett durchaus ausziehen kann und dass es nicht für immer an meinen Körper gebunden ist.
* Zum Schutz der Interviewten haben wir ein Pseudonym gewählt. Der richtige Name ist der Redaktion bekannt.
Beitragsbild: © Maxine Schneider
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Auch ich musste so ein Korsett nach meiner wirbelversteifung vier Monate tragen durfte aber nicht sitzen
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