Ein aufgeklappter Laptop steht auf einem Schreibtisch und zeigt die Logos von studiVZ, ICQ und Google+.

Der Aufstieg und Fall von Social-Media-Giganten wie ICQ, Google+ und studiVZ zeigen die gnadenlose Dynamik der digitalen Welt. ICQ verlor den Anschluss an innovative Konkurrenten, Google+ scheiterte trotz Googles Macht an Nutzerflaute und Datenschutzproblemen, und studiVZ konnte sich gegen Facebook nicht behaupten. Eine Chronik des Sterbens, die zeigt, wie schnell Erfolg in Vergessenheit geraten kann.

Das rote Symbol von studiVZ leuchtete 2006 auf zahlreichen Bildschirmen in WGs und Wohnheimen. Nachrichten, Partyeinladungen und Fotos fluteten die Profile. Nur wenige Jahre später öffneten viele junge Menschen Google+, in der Hoffnung, Freund*innen zum Wechsel zu bewegen. Gleichzeitig verwaisten die Kontaktlisten auf ICQ weltweit. Die einstigen Marktführer der Social-Media-Welt verblassen, überholt von der rasanten Entwicklung und wechselnden Nutzergewohnheiten. Was haben diese sozialen Netzwerke falsch gemacht? Warum hielt ihr Hype nur für kurze Zeit? Eine Suche nach Gründen.

ICQ: Der Pionier des Instant Messaging

In den späten 1990ern und frühen 2000ern war ICQ der King der Instant-Messaging-Welt. So gut wie jede*r, der damals online war, nutzte die Plattform. Ihr unverwechselbarer Benachrichtigungssound „Uh-oh“ war allgegenwärtig. ICQ, kurz für „I Seek You“ (dt.: „Ich suche dich“), wurde 1996 von einem israelischen Startup ins Leben gerufen und war das erste Programm, das das Versenden von Sofortnachrichten über den Computer und später das Handy für die Massen zugänglich machte. Mit seiner einzigartigen User Identification Number und Features wie Chatrooms und Dateiübertragung setzte ICQ neue Standards. 1998 wurde das Netzwerk von dem amerikanischen Medienkonzern AOL übernommen, das zunächst den weiteren Erfolg zu sichern schien. Ein Trugschluss, wie sich wenig später herausstellte.

Auf einem Handy ist die Webseite von ICQ geöffnet.

Wer nach dem 26. Juni 2024 die Webseite von ICQ aufruft, wird mit dem Ende des Social-Media-Dienstes konfrontiert. Nach 28 Jahren ist Schluss. (© Falk Soukup)

AOL brachte nicht die erhoffte Innovation. Statt auf die Weiterentwicklung des Dienstes konzentrierte sich das Unternehmen auf die Monetarisierung. ICQ verlor dadurch zunehmend an Attraktivität. Anfang der 2000er Jahre stiegen zudem zahlreiche neue Messaging-Dienste auf, darunter MSN und Yahoo. Mit ähnlichen Funktionen und benutzerfreundlicheren Oberflächen gewannen sie schnell an Popularität und setzten ICQ unter Druck. Trotz treuer Nutzerschaft wanderten viele Menschen auf die neuen Plattformen ab. Spätestens mit Facebook änderten sich die Kommunikationsgewohnheiten der Nutzer*innen dann spürbar. Der spezialisierte Messenger ICQ, der die SMS nicht ablösen konnte (was WhatsApp später gelang), verlor endgültig an Bedeutung. Auch ein Relaunch brachte nicht das erhoffte Comeback, sodass das Netzwerk schließlich im Juni 2024 eingestellt wurde.

ICQ war ein Pionier, der die Art und Weise, wie wir online kommunizieren, revolutionierte. Doch der schnelle technologische Wandel, der zunehmende Konkurrenzdruck und strategische Fehlentscheidungen führten dazu, dass sich der Dienst selbst abschaffte. Durch das Aufkommen des Breitbandnetzes Ende der 90er Jahre wurde AOL als Anbieter von Internet-Zugängen immer unbedeutender. Der Fall von ICQ zeigt, wie wichtig kontinuierliche Innovation und Anpassung an neue Technologien sind, um in der schnelllebigen Welt der digitalen Kommunikation zu überleben.

StudiVZ: Das deutsche Facebook

In den 2000er Jahren war studiVZ, kurz für „Studiverzeichnis“, das unangefochtene soziale Netzwerk für deutsche Studierende. Es bot ihnen eine Plattform, um sich zu vernetzen, auszutauschen und über das Uni-Leben zu informieren. Innerhalb kürzester Zeit gewann die Plattform an Popularität und hatte 2007 – nur zwei Jahre nach ihrer Gründung – bereits über eine Million Nutzer*innen. Die Idee hinter studiVZ war einfach, aber effektiv: Es bot eine ähnliche Funktionalität wie Facebook, das zu dieser Zeit in Deutschland noch weitgehend unbekannt war, jedoch speziell zugeschnitten auf die Bedürfnisse von Studierenden (z.B. durch Organisationsmöglichkeiten für Uni-Veranstaltungen).

Die Bedienoberfläche von studiVZ.

Eine Startseite, die vielen aus früheren Zeiten vertraut vorkommt: studiVZ war Anfang der 2000er ein Must-have für Studierende. (© archive.org)

Der Erfolg der Plattform nahm allerdings immer weiter ab, als Facebook ab 2008 auch in Deutschland Fuß fasste. Im Gegensatz zu studiVZ war Facebook international ausgerichtet und bot kontinuierlich neue und innovative Features (z.B. die „Pinnwand“ für Nutzer*innen), während studiVZ weitgehend statisch blieb. Viele Nutzer*innen wechselten zu Facebook, da sie dort auch mit Familie und Freund*innen außerhalb des Landes in Kontakt bleiben konnten. Zudem gab es immer wieder Berichte über technische Schwierigkeiten und Ausfälle. Auch die verstärkten Werbeanzeigen innerhalb des Netzwerks degradierten die Nutzer*innen zunehmend zu reinen Werbeobjekten. Durch diese beeinträchtigten Nutzererlebnisse kehrten viele Menschen der Plattform frustriert den Rücken. Als 2009 bekannt wurde, dass sensible Nutzerdaten nicht ausreichend geschützt waren, sorgte das zusätzlich für einen immensen Vertrauensverlust bei den Massen und für weitere Abwanderungen.

Schlussendlich war studiVZ zu stark auf den deutschen Markt fokussiert und verpasste die Chance, international zu expandieren. Das Netzwerk reagierte zu spät auf die Bedrohung durch Facebook. Es fehlte an strategischer Weitsicht und der Bereitschaft, sich den neuen Marktbedingungen schnell anzupassen. Der einstige Liebling der deutschen Studierenden blieb damit hinter den Erwartungen zurück und musste den Platz für flexiblere Netzwerke räumen. Seit 2022 ist studiVZ abgeschaltet.

Google+: Der gescheiterte Riese

Als Google+ im Juni 2011 an den Start ging, wurde es als das nächste große Ding im Social-Media-Bereich gefeiert. Es war Googles ambitionierter Versuch, den Netzwerk-Giganten Facebook herauszufordern. Durch die nahtlose Integration mit anderen Google-Diensten wie YouTube, Gmail und Google Drive konnte Google+ schnell eine beträchtliche Nutzerbasis aufbauen. Innerhalb weniger Wochen hatten sich Millionen von Nutzer*innen registriert, und viele sahen in Google+ eine ernsthafte Konkurrenz zu Facebook, dessen Datenschutzpraktiken zu dieser Zeit stark in der Kritik standen. Trotz des anfänglichen Hypes begann der Niedergang von Google+ relativ schnell.

Zwei Menschen halten Schilder nach oben, auf denen die Logos von Facebook und Google+ abgebildet sind.

Hat das Rennen gegen Facebook verloren: Google+ startete als vielversprechende Social-Media-Plattform, konnte die Erwartungen aber nicht erfüllen. (© Freepik)

Einer der größten Kritikpunkte war die erzwungene Integration von Google+ mit anderen Google-Diensten. Nutzer*innen mussten beispielsweise ein Google+-Profil erstellen, um Kommentare auf YouTube zu hinterlassen. Diese Zwangsmaßnahmen führten zu Unmut und Ablehnung bei den Menschen, die sich bevormundet fühlten. Dadurch blieb die tatsächliche Aktivität auf Google+ trotz hoher Registrierungszahlen gering. Das Netzwerk war für die Menschen somit wenig attraktiv. Auch insgesamt bot der Social-Media-Dienst zu wenig, um sich deutlich von Facebook abzusetzen. Viele Nutzer*innen sahen keinen Grund, von einer etablierten Plattform zu einer neuen zu wechseln, die größtenteils ähnliche Funktionen zu bieten hatte. 2018 wurde schließlich bekannt, dass Google+ jahrelang unter schwerwiegenden Datenschutzlücken litt. Dieser Skandal beschleunigte den Niedergang des Netzwerks. Google stellte den Dienst daraufhin 2019 für Privatpersonen ein.

Selbst die größten und mächtigsten Unternehmen der Welt sind nicht gegen die Herausforderungen des Social-Media-Markts immun. Erzwungene Maßnahmen, fehlende Alleinstellungsmerkmale, schwache Nutzeraktivität, Datenschutzprobleme und der starke Wettbewerb führten dazu, dass Google+ nie wirklich Fuß fassen konnte.

Lehren aus dem Niedergang

Die Geschichten von ICQ, studiVZ und Google+ bieten Einblicke darüber, wie schnelllebig und unberechenbar die Welt der sozialen Netzwerke sein kann. Jedes dieser Netzwerke hatte das Potenzial, das digitale Leben von Millionen zu verändern. Doch letztlich endeten sie im Niedergang, teilweise aufgrund ähnlicher Fehler, aber auch durch individuelle Schwächen. Diese Schicksale zeigen, dass das Überleben in der Welt der sozialen Netzwerke keine Selbstverständlichkeit ist. Die Geschichte dieser Netzwerke ist somit nicht nur ein Nachruf auf vergangene Erfolge und Misserfolge, sondern auch eine wichtige Lektion für bestehende und zukünftige soziale Netzwerke, um in der schnelllebigen Social-Media-Welt am Leben bleiben zu können.

 

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Beitragsbild: Pixabay (Bearbeitung von Falk Soukup)

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