Unser gesamtes Leben kann digital festgehalten werden und ist auch nach unserem Tod einsehbar. Diese digitale Unsterblichkeit kann beruhigend sein oder gruselig – je nachdem, wen man fragt. Wir haben uns bei jungen Menschen aus Tübingen umgehört.
Für immer leben, niemals sterben müssen – das klingt für manche attraktiv. Bei der Europawahl trat dieses Jahr die Partei für schulmedizinischen Verjüngungsforschung an, die diese Zukunftsvision ermöglichen will. Ihr Ziel ist es, mehr in die Forschung zu investieren, um gegen das Altern vorzugehen. Dadurch soll der Mensch weit über die eigentliche Lebenserwartung hinaus leben können. Medizinisch gesehen sind wir zwar noch nicht an dem Punkt, aber technologisch sind wir nicht so weit davon entfernt. Mithilfe moderner Technologie wie Social Media, Deepfakes und ähnlichem kann eine digitale Version von uns auch nach unserem Tod weiterleben.
Aber wie stehen eigentlich andere dazu? Wir haben uns bei Studierenden der Universität Tübingen umgehört und ihnen diese Frage gestellt: Wenn du stirbst, würdest du wollen, dass eine digitale Version von deinem Leben weiterhin existiert? Zum Beispiel in Form einer Gedenkseite auf Instagram, einem Deepfake, welches den Angehörigen Trost spendet?
Hier sind ihre Antworten.
Maike, 24, Hebammenwissenschaft:
Ich möchte kein digitales Nachleben von mir, also auch keinen Instagram-Account, der in den Gedenkzustand versetzt wird oder etwas ähnliches. Ich weiß nicht, was mit meinen Daten passiert, wenn ich nicht mehr da bin und das finde ich gruselig. Außerdem glaube ich, dass meine Angehörigen irgendwann mit meinem Tod umgehen können und es deswegen nicht brauchen.
Miriam, 27, Anglistik und Internationale Literaturen:
Ich habe mir noch nie so wirklich Gedanken darüber gemacht, wie mit der Erinnerung an mich umgegangen wird, wenn ich tot bin. Aber ich glaube, ich fände es ganz cool, wenn es auf meinem Grabstein einen QR-Code zu einer digitalen Gedenkseite gäbe. Mit Fotos oder Videos von mir, damit sich die Besucher*innen ein Bild von mir – abseits der Daten auf dem Stein – machen können. Sprich also keine gestellten Bilder, sondern mehr so wie ein Trailer von meinem Leben. Mehr digitales Gedenken brauch ich aber auch nicht – Deepfake fände ich schon eher gruselig, auch wenn ich tot bin und es eigentlich nicht mehr in meiner Hand liegt. Dann würde ich lieber durch meine Arbeit und meine Werke in der gesellschaftlichen Erinnerung bleiben.
Carlos, 22, Medienwissenschaft und Allgmeine Rhetorik:
Ich habe nie viele Gedanken an meine Überbleibsel verloren. Die Idee mit digitalen Mitteln eine anhaltende Erinnerung zu schaffen klingt sehr süß, ich bin aber gleichzeitig der Meinung, dass die Art und Weise, wie wir uns erinnern, Einfluss auf die Erinnerungen selbst habt. Je mehr ich mir Gedanken darüber mache, desto mehr scheint es wie eine Art Outsourcing des Erinnerns auf eine glorifizierende Weise. Die digitale Beisetzung wirkt aufgesetzt. Eine private Website oder Cloud mit Bildern von meiner Familie und mir – das klingt gut. Ich will gar nicht unsterblich sein, nur meinen Verwandten Trost spenden. Das alles analog zu halten wäre mir aber sehr wichtig.
Caroline, 26, Molekular-Medizin:
Grundsätzlich klingt der Gedanke erstmal befremdlich, vor allem, wenn man selbst nicht über die Inhalte wie beispielsweise bei Deepfakes entscheidet. Ich könnte mir aber vorstellen, dass es meinen Angehörigen bei der Verarbeitung weiterhilft. Solange sich alle darüber einig werden, wären digitale Abschiede wie eine Gedenkseite für mich durchaus denkbar.
Elenie, 20, Erziehungswissenschaft:
Nach meinem Tod möchte ich schon, dass sich Menschen an mich erinnern, aber ich möchte nicht scheinbar weiterleben. Der Gedanke, dass es ein Deepfake von mir gibt, finde ich persönlich gruselig. Mein Instagram-Account kann gerne so weiter existieren, aber er sollte nicht weitergeführt werden. Ich will nicht, dass neue Bilder und Videos von mir veröffentlicht werden und ich nicht kontrollieren kann, was es ist. Ich könnte mir vorstellen, dass der Account in einen Gedenkzustand versetzt wird und er als ein Erinnerungsort dient. Aber ich möchte nicht für immer leben und deswegen muss ich es auch nicht im Internet.
Tim, 21, Allgemeine Rhetorik:
Nach kurzem Überlegen möchte ich nicht, dass eine digitale Version von mir nach meinem Tod weiterhin aktiv ist. Beispielsweise alte Instagram–Posts von mir sehe ich dabei so wie Bilder und Videos als Erinnerungsstücke, die den Hinterbliebenen zum Erinnern erhalten bleiben sollen. Neuer Content in meinem Namen wie etwa eine Erinnerungspage möchte ich nicht, da nur vermutet werden kann, was in meinem Sinne wäre und nach meinem Tod mein „kreativer Schaffensprozess“ abgeschlossen ist. Deshalb finde ich Deepfakes auch in dem Zusammenhang (und überhaupt) kritisch.
Wie man merkt, sind die Meinungen divers. Sie stellen nur einen Bruchteil aller Einstellungen dar, die es zu diesem Thema gibt. Insgesamt ist aber erkennbar, dass das Bedürfnis nach Kontrolle über die eigenen Daten vorhanden ist, auch nach dem Tod. Auch wenn das Streben nach Unsterblichkeit immer wieder ein Thema für den Menschen ist, scheint das Bedürfnis danach zumindest unter Tübinger Studierenden nicht allzu hoch zu sein.
Wie steht ihr zu diesem Thema? Lasst es uns gerne in den Kommentaren wissen. Folgt uns gerne auf Instagram. Mehr zum Thema findet ihr außerdem hier.
Beitragsbild: Clara Kühne