Ein Grabstein mit dem Schriftzug "Hier könnte Ihre Werbung stehen".

Von der klassischen Telefonbuchanzeige bis zum innovativen Online-Auftritt: Werbung für Bestattungsunternehmen muss auffallen. Weil immer gestorben wird, ist der Markt hart umkämpft. Effektive Marketingstrategien sind daher gefragt. Wie kann die Branche überhaupt für sich werben, ohne ethische Tabubrüche zu riskieren? Oder sind diese sogar notwendig, um Aufmerksamkeit zu bekommen? Werbeexperte Erasmus Baumeister gibt Antworten.

Seit fast dreißig Jahren ist Baumeister Inhaber einer Agentur, die sich ausschließlich auf Bestattungsdienste konzentriert. Gemeinsam mit seinem 60-köpfigen Kölner Team entwickelt er Werbekampagnen und Kommunikationsstrategien für Bestatter im ganzen deutschsprachigen Raum, auf allen Ausspielwegen. Im Interview gewährt der 56-Jährige Einblicke in seinen Arbeitsalltag, erklärt aktuelle Trends der Branche und geht auf seine Prinzipien bei der Entwicklung von Bestattungswerbung ein. Er ist davon überzeugt, dass die Zukunft den Qualitätsbestattern gehört.

In Deutschland sind Werbeagenturen, die sich nur auf Bestattungsunternehmen spezialisieren, überschaubar vertreten. Warum fokussieren Sie sich bei Ihrer Arbeit auf diesen Bereich?

Ich habe BWL und Kunstgeschichte studiert. Als ich 26 war, gegen Ende meines Studiums, ist mein Vater dann gestorben. Dadurch bin ich zum ersten Mal mit der Bestattungsbranche in Berührung gekommen und war schockiert, welche Räumlichkeiten, Produkte und verstaubten Ideen mir Ende der 90er bei einer Bestattung angeboten wurden. Das fand ich wirklich sehr seltsam und wunderlich. Aber die Branche hat mich fasziniert und deshalb habe ich begonnen, mich näher mit diesem Markt zu beschäftigen. Ich habe dann gemerkt, die Branche braucht genau das, was ich studiert habe: den Marketingbereich aus meinem BWL-Studium und diesen kreativen, christlichen Gedanken aus der Kunsthistorie. Durch mein Studium der Kunstgeschichte kannte ich auch die Bestattungskulturen der Menschheit sehr gut, aber eben nicht die gegenwärtigen. Durch diese persönliche Erfahrung habe ich mir dann Gedanken gemacht, wo es beruflich hingehen kann, und habe als Ex-Student und Ein-Mann-Betrieb begonnen, mit Ideen bei ein paar Bestattern aufzuschlagen. Die Werbeideen, die ich vor dreißig Jahren hatte, sind heute noch zu abgedreht. Das war schwer erfolglos, aber mit der Zeit habe ich den tatsächlichen Bedarf gesehen und dafür Konzepte entwickelt.

Erasmus Baumeister, Inhaber einer Werbeagentur für Bestattungsunternehmen.

Erasmus Baumeister entwickelt seit fast dreißig Jahren Werbekonzepte für Bestatter in Deutschland, Österreich und der Schweiz. (© Agentur Baumeister)

Mittlerweile arbeiten Sie seit fast dreißig Jahren in der Branche. Wie hat sich der deutschsprachige Werbemarkt für Bestattungsdienste in den letzten Jahrzehnten gewandelt?

Die Branche hat sich gar nicht so stark verändert, wie man vielleicht denkt. Wenn es um Tod und Abschied geht, sind die Menschen erstaunlicherweise immer noch extrem konservativ. Egal ob in der Großstadt oder der Provinz, egal ob die Angehörigen jung oder alt sind. Die Beerdigung wird meistens so gewollt, wie die Menschen es schonmal gesehen haben und kennen. Nur liegt das dann oft schon zwanzig Jahre zurück. Dabei ist heutzutage so gut wie alles möglich. Andere Länder sind da teilweise schon viel weiter. In den Niederlanden beispielsweise sind die Trauerfeiern viel bunter und individueller. Die finden dann oft auch nicht in der Friedhofskapelle, sondern zu Hause im Garten statt. Sowas ist in Deutschland immer noch absolut exotisch, und das wird auch noch einige Zeit dauern. Die Branche ist wahnsinnig langsam.

„Die Bestattung ist ein fürchterlich selten konsumiertes Produkt.

Was macht die Bestattungsbranche aus Marketingsicht aus?

Die Bestattung ist ein fürchterlich selten konsumiertes Produkt. Das kaufe ich mir nicht dreimal in der Woche, wie ich zum Bäcker gehe, sondern vielleicht alle zwanzig Jahre oder noch nie. Deshalb hat der Endkunde überhaupt keine Ahnung davon, was möglich ist. Die Überschrift ‚Bestattung‘ ist schon anti genug. Damit beschäftigt man sich nur, wenn man es wirklich braucht. Deshalb muss das Leistungsspektrum eines Bestatters klar und deutlich werden. Wir betreuen aktuell über 1700 Bestattungsunternehmen jeder Größenordnung, vom Existenzgründer bis zum Unternehmen, das 20.000 Bestattungen jährlich macht. Unser Ziel ist es, solche Kampagnen zu entwerfen, die auch Menschen ohne aktuellen Trauerfall erreichen. Damit die Menschen schonmal innerhalb der Familie darüber sprechen.

Welche Botschaften sollte Bestattungswerbung denn bestenfalls vermitteln?

Ich will den Gedanken beleben, dass die Bestattung und Trauerfeier auch den Hinterbliebenen guttun muss. Die Oma hat nichts mehr von den Blumen, der Musik und dem Sarg. Man kann sich natürlich fragen, wie Oma es am liebsten gehabt hätte, aber das sollte nicht der Hauptgedanke sein. Wir möchten deshalb Instrumente entwickeln, um die potenzielle Zielgruppe, die definitiv jeder ist, zu sensibilisieren und zu informieren. Da müssen oft auch Fehlinformationen über Kosten aus dem Weg geräumt werden. Das Aufklärungspotenzial in dieser Branche ist wirklich hoch. Denn ein Abschied ist ein niemals zu wiederholender Vorgang, deshalb sollte dabei auch immer die Wichtigkeit des Ganzen betont werden.

Mehrere Printanzeigen, die für Bestattungsunternehmen werben.

„Jeder Kunde, jede Region ist anders“, meint Baumeister. Je nach Bedarf entwickelt er ganz unterschiedliche Werbekonzepte. (© Agentur Baumeister)

Welche Medien und Kanäle eignen sich denn am besten, um für Bestattungsunternehmen zu werben?

Das ist eine Mischung aus verschiedenen Werbeformen. Die klassische Printanzeige in der Tagezeitung beispielsweise funktioniert in unserer Branche immer noch gut. Denn wer heute noch auf Papier liest, befindet sich meistens schon in der zweiten Lebenshälfte, ist über 50, und damit genau die Zielgruppe des Bestatters. Das sind die Leute, die sich die individuelle Bestattung der Eltern noch leisten können und wollen. Aber auch der Social Media-Bereich wird immer erfolgreicher. Und da gilt eben: Text tötet. Man braucht viele Bilder, die erstmal entertainen und den Kunden einfangen, bevor man mit dem Anti-Thema Bestattung kommt.

Sie wollen informieren und sensibilisieren, gleichzeitig aber auch die Dienstleistungen effektiv bewerben. Wie weit darf Bestattungswerbung Ihrer Meinung nach gehen und welche Rolle spielt dabei Pietät?

Ziemlich weit. Ich halte gar nichts davon, immer dieses Pietät-Mäntelchen über alles zu stülpen, denn das führt zu nichts. Pietät ist was für Ältere. Im eigentlichen Sinne bedeutet Pietät sorgsamer Umgang mit dem Körper des Verstorbenen. Das ist ja selbstverständlich. Deshalb hat Pietät im Bereich Kommunikation gar nicht so viel zu suchen. Das würde ich eher als normale Umgangsformen bezeichnen. Aber Tod, Trauer, Sterben betrifft nun mal jeden, deshalb dürfen wir da nicht vorsichtig herumeiern. Wir müssen das Thema direkt ansprechen und auf den Punkt kommen, ohne jemanden zu erschrecken oder zu provozieren. Und das vertragen die Menschen heutzutage auch, das habe ich in den letzten Jahren einfach gemerkt. Vor sieben, acht Jahren war das noch nicht der Fall, aber mittlerweile funktioniert das sehr gut.

„Gegen eine laute Kriegserklärung als Werbekonzept spricht erstmal nichts.“

Im Laufe der letzten Jahre haben sich also auch die Grenzen des Machbaren in der Bestattungswerbung weiter verschoben?

Ja klar, die Bestattungsdienste trauen sich heute teilweise mehr und wollen auch direkter in der Kundenansprache sein. Das machen wir natürlich immer vom Kunden abhängig. Wir schlagen ihnen aber durchaus sehr innovative Ideen vor, wenn wir wissen, dass sie dafür das Standing haben und auch die Resonanz darauf vertragen können. Das ist dann häufig auch ein Prozess, weil die meisten Kunden betreuen wir eben nicht einmalig, sondern über viele Jahre. Da spricht dann auch erstmal nichts gegen eine laute Kriegserklärung als Werbekonzept. Wenn ich in Berlin – einem übel umkämpften Markt – mehr möchte als Bestatter, geht es nur mit einer Kriegserklärung. Die hat dann aber immer noch Stil und Niveau. Denn wenn man als Bestatter eine Rechnung über mehrere tausend Euro schreibt, muss auch die Qualität des öffentlichen Auftritts stimmen.

Müssen Sie sich an gesetzliche Regelungen oder Branchenrichtlinien halten, wenn Sie für Bestattungsdienste Werbung konzipieren?

Nein. Der Bestatter kann werben wie jedes andere Unternehmen, das etwas verkaufen will. Und wenn der Bestatter in die maximale Provokation gehen will, kann er das tun, solange er die Reaktionen verträgt. Es gibt zwar die Verbände, hauptsächlich den Bundesverband der deutschen Bestatter in Düsseldorf, die der Meinung sind, viel vorschreiben zu dürfen, aber das sind nichts weiter als Empfehlungen. Manche halten sich daran, aber das liegt im persönlichen Ermessensspielraum. Grundsätzlich ist man in der Bestattungswerbung völlig frei.

Wo liegt Ihre persönliche Grenze, die Sie bei der Entwicklung einer Werbekampagne nicht überschreiten würden?

Ich würde nie über reißerische, blutige Unfallopfer gehen und darüber dann ‚Bestatter‘ schreiben. Aber solange die Qualität stimmt, kann man sich alles erlauben.

Auch wenn sich die Bestattungsbranche laut Ihnen nur sehr träge weiterentwickelt, gibt es immer wieder Veränderungen. Wie blicken Sie auf den zukünftigen Werbemarkt für Bestattungsdienste?

Die Qualität wird eine immer wichtigere Rolle spielen. Sowohl bei der Bestattung selbst als auch bei der Werbung. Deshalb arbeiten wir mit keinem einzigen Discount-Anbieter zusammen, das ist die völlig falsche Herangehensweise. Natürlich kann man sich 590 Euro auf die Scheibe schreiben, aber für den Preis kann es der Bestatter sowieso nicht leisten. Das ist ein reines Lockangebot, das den Kunden verarscht. Und man zieht auch nur Menschen an, denen es egal ist, beziehungsweise die dann nicht zahlen können oder wollen. Den Discount-Bestatter wird es in fünf, sechs Jahren nicht mehr geben in Deutschland. Denn der Entsorgungsbestatter kommt in Zukunft mit einem 40-Tonner aus Rumänien und holt 200 Särge auf einmal ab, inklusive Überführung, Kremierung und angeblicher Friedhofsleistung, was dann die rumänische Müllkippe ist. Die Zukunft wird also ganz klar dem Qualitätsbestatter gehören. Und die Werbung muss sich immer mehr an Menschen richten, denen die Bestattung noch etwas bedeutet, und die es sich leisten können.

 

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Beitragsbild: Pixabay (Bearbeitung von Falk Soukup)

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