Autos aus Plastik? Knatternd rollen die kultigen Trabis auch heute noch über unsere Straßen. Nicht umsonst werden sie als „Plastikbomber“ oder „Rennpappe“ bezeichnet, denn die einzigartige Karosseriebeplankung der Trabis besteht aus Duroplast, einem Kunststoff.

Unten in der Tiefgarage flackert die Glühbirne an der Decke und es riecht nach Benzin. Zwischen einigen Ost-Autos von Marken wie Wolga, Lada oder Barkas stehen Walter und Lotte. Während Lotte sich in beigefarbenem Lack präsentiert, glänzt Walter in hellem Blau. Die beiden Trabants vom Modell 601, auch liebevoll Trabis genannt, gehören seit 2014 zu Bernd Guthmanns Familie. Ihre Namen verdanken sie dem DDR-Staatsratsvorsitzenden Walter Ulbricht und dessen Frau Lotte. Durch seinen Vater, der in der DDR aufgewachsen ist, hat Bernd Guthmann seine Vorliebe für Ost-Autos entdeckt. Für ihn sind die Trabis ein Stück lebendiger deutscher Geschichte.“

„Go Trabi Go“

Der Trabi war das Volksauto der Ostdeutschen. Die 26 PS starken Viersitzer prägten das Straßenbild in der ehemaligen DDR. Ausgestattet mit Frontantrieb und Kofferraum konnte der Trabi – der treue Wegbegleiter aus Plastik – in seinem Erscheinungsjahr 1957 mit West-Autos wie dem Fiat 500, dem Goggomobil oder dem Lloyd Alexander durchaus mithalten.  

Trabi Walter bei einer Ausfahrt von Bernd Guthmann. © Bernd Guthmann

Wie alle Trabis wurden auch Walter und Lotte in den Sachsenring-Werken in Zwickau von den sogenannten Wagenmachern hergestellt. Bis 1991 gingen dort über drei Millionen Trabis vom Band. Der Wegbegleiter aus Plastik verdankt seinen Namen dem ersten künstlichen Satelliten „Sputnik“ (Begleiter oder Gefährte), der von der Sowjetunion 1957 ins All geschickt wurde, also zur gleichen Zeit, als der Trabi entstand. Der Name „Trabant“ sollte symbolisieren, dass der Osten dem Westen nicht nur in der Raumfahrt, sondern auch in der Automobilindustrie weit überlegen war.

Trabi Lotte mit dem Sandmännchen, das seinen Platz sonst auf der Rückbank hat. © Daniela Wahl

Mit dem Mauerfall endete die Produktion der Trabis allerdings schlagartig. Wer Geld hatte, kaufte sich lieber ein West-Auto nach zeitgenössischem Design, mit flottem Motor und ohne lange Wartezeit. Seinen Kultstatus verlor der Plastikbomber dadurch hingegen nicht. Durch Trabi-Fans wie Bernd Guthmann, Mitglied im lokalen Trabi-Verein „Zweitakterz-Süd”, haben sich über die Jahrzehnte viele Vereine und Netzwerke gebildet. Die Bastler*innen erhalten die kultigen Autos am Leben und stellen diese regelmäßig auf Ausfahrten, Rennen oder Treffen zur Schau.  

„Wie viele Arbeiter braucht man, um einen Trabi zu bauen? Zwei: Einer faltet, einer klebt.“

Die Ost-Autos sind nicht nur aufgrund des lauten, knatternden Zweitaktmotors besonders, sondern auch wegen ihrer Karosseriebeplankung. Nicht umsonst hat das Kultauto Spitznamen wie „Rennpappe“ oder „Plastikbomber“, denn die Verkleidung der Trabis besteht aus Duroplast, einem gehärteten Kunstharz. Die Beplankung kann als Notlösung bezeichnet werden, denn in der DDR gab es zu diesem Zeitpunkt aufgrund von zeit- und systembedingten Lieferschwierigkeiten kein Tiefziehblech. Bis heute repräsentiert der Trabi deshalb die Mangelwirtschaft, die es in der DDR gegeben hat.  

Für die Herstellung dieser besonderen Karosseriebeplankung wurden zunächst fünf Schichten Baumwollfasern in einer sogenannten Krempelmaschine zu einem Vlies verarbeitet und mit Phenolharzteilchen bestreut. Das Vlies wurde dann geschichtet, durch eine Druckwalze geführt und vorgeschnitten. Anschließend wurden die Teile bei einer Temperatur von 240 Grad Celsius und 400 Tonnen Druck über zehn Minuten in die jeweilige Form gepresst. Erst durch diesen letzten Schritt verschmolz das Phenolharz mit den Baumwollfasern zu Duroplast. Die fertig gebackenen Teile wurden auf ein stabiles Metallgerippe geschraubt oder geklebt. Bei den älteren Modellen wie dem P60 wurde zusätzlich noch Holz in den Zwischenraum gebaut, um die Stabilität zu erhöhen. Die langen Presszeiten sorgten allerdings dafür, dass die Produktion der Trabis sehr arbeitsintensiv war. Aufgrund dessen mussten die Ostdeutschen ganze 12 bis 15 Jahre auf die Lieferung ihrer Trabis warten. Dieser Film aus dem Jahr 2011 erklärt anschaulich, wie die Trabis in Zwickau produziert wurden.

Leicht wie eine Feder 

Unlackiertes Autoteil aus Duroplast. © Bernd Guthmann

Hart und glatt fühlt sich die Karosseriebeplankung von Lotte an. Fast könnte man meinen, sie wäre aus Blech. Auch beim Klopfen auf das Auto ertönt ein bekanntes, dumpfes Geräusch – wie bei einem Auto aus Stahl. Täuschend echt sieht die Beplankung des Ost-Autos aus, sicherlich auch dank der beigefarbenen Lackierung. Denn Duroplast hat ursprünglich eine rostbraune Farbe. Was zudem auffällt: Kein einziger roter Rostfleck hat sich auf der Verkleidung von Walter oder Lotte breitgemacht. Grund dafür ist das Duroplast, das weder rosten noch spröde werden kann. Angepriesen wird das Material vom Hersteller für seine hohe Wärmebeständigkeit, Härte und Steifheit, denn Duroplaste sind Kunststoffe, die nach ihrer Aushärtung nicht mehr verformt werden können. Zudem ist das Material schwingungsdämpfend, schall- und temperaturisolierend. 

Leicht zu tragen: Dank Duroplast bringt der Trabi-Kotflügel nur wenig Gewicht auf die Waage. © Bernd Guthmann

In der Tiefgarage lagert Bernd Guthmann in einem separaten Raum zahlreiche Ersatzteile. Zwischen Türen, Stoßstangen und Schrauben findet er einen Kotflügel aus Duroplast. Schon beim Hochhalten wird klar, wie leicht die Teile aus diesem Material sind. Es gelingt sogar, den Kotflügel mit einem einzigen Finger zu tragen. Kein Wunder, dass Walter und Lotte nur ein Gewicht von 620 bis 660 Kilogramm auf die Waage bringen. Zum Vergleich: Ein Käfer aus dem Westen bringt es auf  730 bis 930 Kilogramm.

„Wie nennt man einen Unfall mit drei Trabis? Tupperparty!“

Die leichte Karosseriebeplankung aus Duroplast – das bringen auch zahlreiche Trabi-Witze zum Ausdruck – bietet nur wenig Schutz bei Unfällen. Bernd Guthmann weist zudem darauf hin, wie leicht das Stahlgerippe rostet. Davon kann auch Johannes Jüngert vom Trabi-Verein Stuttgart ein Lied singen. Bei der Restaurierung seines Trabis vom Modell P60 traf er unter der DuroplastBeplankung auf jede Menge Rost. Duroplast schützt nicht vor Korrosion, die im Verborgenen zwischen Duroplast und Stahl auftritt.

Schuld sind Hohlräume in der selbsttragenden Karosserie, in denen sich Schmutz und Feuchtigkeit sammelt – ein ideales Rostbiotop. Johannes Jüngert

Die geklebten Beplankungen tragen zudem ihren Teil bei, denn durch die Aushärtung des Klebers kann Wasser in den Raum zwischen Beplankung und Stahlgerippe gelangen. Während der Lack also von außen trügerisch glänzt, kann der Trabi im Verborgenen schon jahrelang vor sich hin rosten.

Beim Trabant Modell P60 von Johannes Jüngert kamen unter der makellosen Oberfläche einige rostige Überraschungen hervor. © Johannes Jüngert

In der Tiefgarage geht die Glühbirne aus. Bernd Guthmann lädt mich ein, ein kleines Stück mit seiner Lotte mitzufahren. Schon beim Einsteigen wird klar, wie klein der Trabi ist, denn Bernd Guthmann stößt fast mit dem Kopf an die Decke. Unvorstellbar für mich, wie vier Erwachsene in diesem Kleinwagen an die Ostsee gefahren sein sollen. Dennoch fühlt sich der alte Autosessel bequem an. Stolz präsentiert Bernd Guthmann seine Klimaanlage, einen kleinen, elektrisch betriebenen Ventilator aus der DDR. Passend dazu befindet sich jede Menge DDR-Zubehör auf der Rückbank. Neben Strohhut, Reiseführer und Teddybär winkt das Sandmännchen zum Abschied.  

 

Beitragsbild: Bernd Guthmann

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5 Kommentare
  1. Sophie Rücker
    Sophie Rücker sagte:

    Mein Nachbar fährt auch einen Trabi. Das Auto sieht noch aus wie früher, und das obwohl er eigentlich so alt ist. Jetzt weiß ich auch warum 🙂 Toller Beitrag!

  2. Katharina Sauer
    Katharina Sauer sagte:

    Super interessanter Beitrag. Obwohl der Trabi in Deutschland so bekannt ist, wusste ich gar nicht, dass so viel aus Duroplast gefertigt wurde. Bei der Info, dass Bernd Guthmann seine Trabis Lotte und Walter nennt, musste ich gleich grinsen 😀

  3. Lea Scherm
    Lea Scherm sagte:

    Sehr cooler und interessanter Beitrag! Das Bild, auf dem du den Kotflügel des Trabis ganz leicht trägst, verdeutlicht nochmal die Vorzüge/Leichtigkeit des Materials Duroplast. Wie du beschreibst, bringt das aber auch Nachteile mit sich bringt z. B. bei Unfällen, das kann man sich bei dem Material gut vorstellen.

  4. Anika Herzig
    Anika Herzig sagte:

    Wirklich ein schöner Beitrag. Auch wenn der Trabi eigentlich klein, laut und stinkend ist, ist er heute dennoch ein Oldtimer-Liebhaberstück wie man es anhand Herrn Guthmann sehen kann.

  5. Benjamin Frenzel
    Benjamin Frenzel sagte:

    Mit einer Karosserie aus Plastik sollte man besser keinen Unfall bauen. Wobei? 26 PS hören sich gar nicht so schmerzhaft an.

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