Ausfälle sozialer Netzwerke haben gravierende globale Folgen. Nicht nur werden Menschen von ihren Angehörigen abgeschnitten, Unternehmen lahmgelegt oder mitunter sogar die Gesundheitsversorgung beeinträchtigt. Auch auf individueller Ebene lassen uns solche Situationen häufig ratlos zurück. Wenn wir in eine beunruhigende Stille blicken und uns fragen: Was jetzt?

Der Blick wechselt hektisch hin und her zwischen den drei WiFi-Balken in der oberen rechten Ecke des Displays und der sich immer weiterdrehenden „Loading“-Animation.

Genervtes Seufzen.

App schließen und neu öffnen.

„Ist mein WiFi das Problem?“

 Ins Mobilfunknetz wechseln.

Frustration

Handy neustarten.

Das Gefühl abgeschnitten zu sein.

Mit einem besonders gravierenden Ausfall von WhatsApp, Instagram und Facebook hatten wir im Corona-Herbst von 2021 zu kämpfen. Am 04. Oktober waren die drei Meta-Dienste für mehr als sechs Stunden nicht erreichbar – und das weltweit.

Im Nachhinein stellte sich heraus: Fehlerhafte Konfigurationsänderungen an den Backbone-Routern, die den Netzwerkverkehr zwischen den Rechenzentren des Konzerns koordinieren, führten zu einer Unterbrechung der Verbindungen und einer faktischen Abkopplung der Server vom Internet.

Folge des Malheurs? Der Aktienkurs fiel kurzzeitig um 50 Milliarden US-Dollar. Die deutsche Telekom verzeichnete achtmal mehr versendete SMS als sonst. Und X (ehemals Twitter) explodierte mit Memes zum Ausfall.

Von ratlosen Unternehmern, verzweifelten Ärzten und ausgeschlossenen Meta-Mitarbeitenden

Doch das tatsächliche Ausmaß ging weit darüber hinaus. In vielen Ländern des Globalen Südens ersetzt die Kundenkommunikation mittels sozialer Netzwerke häufig Websites als E-Commerce-Plattform. Als Konsequenz mussten Millionen kleine Unternehmen ausbleibende Geschäfte hinnehmen.

Auch abseits fehlender Umsätze können die Folgen eines Ausfalls ernst sein. So wird WhatsApp etwa in Haiti genutzt, um sich über Bandengewalt in bestimmten Stadtvierteln zu informieren oder um mit Verwandten im Ausland Überweisungen abzustimmen. Flüchtende nutzen das Kommunikationstool, um wichtige Informationen, beispielsweise zu sicheren Schlafplätzen, auszutauschen. Und wieder andere verlassen sich auf WhatsApp, um mit ihren Angehörigen im Ausland in Kontakt zu bleiben, etwa in krisengebeutelten Ländern.

In Entwicklungsländern verlässt sich teilweise sogar das Gesundheitssystem auf die Dienste des allgegenwärtigen Meta-Konzerns. So nutzen viele Ärzt*innen die Plattform zur Kommunikation untereinander, mit Patienten oder sogar zur Koordination medizinischer Dienste.

Auch Meta-Mitarbeiter*innen hatten mit den Folgen des Ausfalls zu kämpfen. Diese kamen teils nicht mehr in ihre eigenen Büroräume, da die Zugangskarten nicht mehr funktionierten. Auch interne Kommunikationstools waren offline, was eine schnelle Lösung des Problems massiv erschwerte. Die Arbeit im Konzern quasi stillgelegt – und das mitten in einer akuten Krisensituation.

Sind wir zu abhängig?

Während dies nur einige Beispiele für mögliche Konsequenzen sind, kann das tatsächliche Ausmaß der Schäden des Ausfalls im Oktober 2021 nicht mal ansatzweise abgeschätzt werden.

Der Vorfall zeigt jedoch eines: Digitale Kommunikationsdienste sind weltweit zu einem essenziellen Bestandteil unseres alltäglichen Lebens geworden. Und die Folgen eines Ausfalls gehen weit über ein paar ausbleibende Chat-Nachrichten hinaus. Die schwelende Gefahr eines erneuten Ausfalls befeuert daher regelmäßig Diskussionen um eine zu große Abhängigkeit von einem einzigen Unternehmen.

Denn die Globalität digitaler Infrastruktur stellt neben großen Chancen auch ein gewisses Risiko dar, wie der Ausfall von 2021 eindrucksvoll zeigt. Drei Milliarden Menschen können von einem simplen Konfigurationsfehler ins digitale Vakuum verbannt werden.

Drei

Milliarden.

Abgrund einer beunruhigenden Stille

Doch was passiert mit uns, wenn da plötzlich nichts mehr ist?

Wenn unsere digitale Identität nicht mehr präsentierbar,

unsere sozialen Kontakte nicht mehr kontaktierbar

und unsere Unterhaltung nicht mehr abrufbar ist?

Ein Riss bildet sich. Eine Erweiterung unseres Selbst abgetrennt – brutal und ohne Vorwarnung. Es scheint fast so, als wäre etwas gestorben, das Teil von uns geworden ist.

Hinter diesem Riss tut sich etwas auf – eine zutiefst beunruhigende Stille in deren tiefen Abgrund wir blicken.

Zurückgeschleudert in ein prä-digitales Zeitalter stellen wir uns die Frage:

Was jetzt? 

Beitragsbild: Unsplash

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