Mit Hilfe digitaler Effekte ist es mittlerweile möglich, gealterte Schauspieler durch De-Aging-Effekte zu verjüngen oder gar verstorbene Stars „wiederauferstehen“ zu lassen. So bleiben die Publikumslieblinge den Zuschauenden erhalten – und natürlich auch den Studios, die durch die Kassenmagneten immer noch ihren Hauptprofit machen. Ist das eine gute Idee?
Der Tod ist in der Kunst schon immer ein zentrales Thema gewesen. Der Film bietet nun durch seine konservierenden und technisierteren Eigenschaften nicht nur neue Wege, um von Tod und einem möglichen Leben danach zu erzählen, sondern seit kurzem auch Möglichkeiten, dem Tod von der Schippe zu springen. Zwar ist die Idee nicht neu: Schon in den 1990ern haben Filme sich derartige Möglichkeiten zunutze gemacht, ob aus der Not eines verstorbenen Schauspielers heraus oder gar als rhetorisches Mittel. Aber der neueste Schritt in dieser Entwicklung eröffnet neue Welten: Das digitale Comeback, das sich etwa Firmen wie die neu gegründete „Worldwide XR“ zum Geschäftsmodell machte, soll Stars vergangener Zeit wiederbeleben und bekannte Gesichter durch neueste Animationsmöglichkeiten und Verschmelzung mit Performance-Capture-Technik wieder auf die Bühne oder Leinwand zaubern, und das bis in alle Ewigkeit und mit immer neuem Content – soweit die Idee.
Alte Aufnahmen eines Stars werden in eine KI eingespeist, die dann ein (Gesichts-)Modell jenes Stars erstellt. Dieses Modell wird auf ein Körperdouble gelegt, das den Part des Verstorbenen incognito spielt, mittels eben jener Performance-Capture-Technik, die schon digitale Figuren wie Gollum aus Der Herr der Ringe (2001-2002, R: Peter Jackson) oder die blauen Na’Vi von Pandora aus Avatar (2010, R: James Cameron) zum Leben erweckte. Sie ermöglicht das Einfangen der Bewegung jedes Muskels eines Schauspielenden über hochsensible Sensoren an einem Ganzkörperanzug, der diese Daten an eine Software schickt und dann auf jedwede digitale Figur anwenden kann – etwa eben auch auf das digitale Modell eines verstorbenen Stars.
Getroffen hat diese Technik schon einige Stars, etwa wurde Bruce Lee 2013, exakt 40 Jahre nach seinem Tod, für einen Whiskey-Werbespot mithilfe eines ihm ähnlich sehenden Schauspielers und digitaler Technik reanimiert. Die verstorbene Amy Winehouse soll als Hologramm auf die Bühne zurückkehren, wie es seit 2022 die in die Jahre gekommenen Mitglieder von ABBA in London und Michael Jackson bereits 2014 vormachen, ebenfalls als Holo-Rekreationen ihrer selbst, nur eben in dem Alter, in dem man sie auf dem Höhepunkt ihrer Karriere kennt. Selbst James Dean wurde nun erneut für das Vietnamkriegsdrama Finding Jack (2020, R: Anton Ernst, Tati Golykh) zurückgeholt, was natürlich aufgrund dieser unorthodoxen Castingentscheidung eines längst verstorbenen Superstars Aufmerksamkeit generiert. Aufmerksamkeit durch Nostalgie. Diese technische Möglichkeit ist einerseits, wie im Falle von Bruce Lee, natürlich erstmal ein Werbegag – aber auch da schon sorgte die Wiederbelebung für viele Diskussionen, schließlich war Bruce Lee überzeugter Gegner von Alkohol.
Frühstück bei RoboCop – Audrey Hepburns Wiedergang wirkt weniger smooth, als es das Spiel des Stars war.
Nur ein Jahr später, 2014, war eine computergenerierte, verjüngte Version von Audrey Hepburn in einer Schokoladenwerbung zu sehen, ganz im Stile der alten Romanzen, allerdings roboterhaft unauthentisch. Dennoch war klar, was möglich sein würde. So ließ Robin Williams in seinem Testament verfassen, dass Abbilder seines Körpers oder seiner Stimme nach seinem Ableben zum Zwecke neuen Contents niemals wiederhergestellt werden dürfen. Der Superstar der Comedy hatte in der Disney-Produktion Aladdin (1992, R: John Musker, Ron Clements) den gewitzten Dschinnie synchronisiert und dabei, wie man es aus seinen anderen Werken kennt, improvisiert. Als Disney das vorhandene Material dann auch für die Direct-to-DVD-Fortsetzungen nutzte, obwohl Williams bei diesen gar nicht beteiligt sein wollte – und freilich auch nicht bezahlt wurde –, ging er in einen jahrelangen Rechtsstreit. Andere Stars lassen vertraglich festlegen, dass ihre Abbilder nicht im Zusammenhang von Sexualität, Gewalt oder Drogen gebracht werden dürfen. Und doch haben sich alle Stars der Marvel-Filme und aller anderer jüngeren Disney-Produktionen einem Ganz-Körperscan unterzogen – von Studioseite aus mit der Begründung, nur so die komplizierten visuellen Effekte herstellen zu können – aber was da ist, könnte natürlich genutzt werden.
Das wohl bekannteste Beispiel für digitale Wiederbelebung ist Carrie Fisher, die drei Jahre nach ihrem Tod (im Jahr 2016), als Prinzessin Leia in der Star-Wars-Episode 9: The Rise of Skywalker (2019, R: J. J. Abrams) auf der Leinwand zu sehen war. Hierfür wurden unveröffentlichte Aufnahmen der beiden vorangegangenen Teile, gemischt mit digitalen Effekten, sowie der Verwendung von Doubles, sowohl on set, als auch als Performance Capture Modell verwendet. Dies galt als Hommage an Carrie Fisher und wurde von weiten Teilen der Fans auch als solche aufgefasst.
Allerdings sorgten darauffolgende Ankündigungen, sie auch in weiteren Fortsetzungen und Spin-Offs einzusetzen, für Furore. Denn bis dahin wurden derartige Methoden nur eingesetzt, wenn ein Schauspieler während oder gar bei einem Dreh starb und man die Geschichte zumindest zu Ende erzählen wollte, auch in Reminiszenz an den Verstorbenen. Der erste dieser Art war Brandon Lee in The Crow, der wenige Tage vor Ende des Drehs am Set einen tödlichen Unfall erlitt und von seinem Stunt-Double Chad Stahelski ersetzt wurde. Mit Hilfe von Computertechnologie konnte Brandon Lees Gesicht auf das Gesicht Stahelskis gesetzt werden.
Häufig wurden nachh dem Tod eines Schauspielers während eines Drehs Skripte umgeschrieben, sodass nur das Nötigste animiert werden musste, so auch für Philip Seymour Hoffman in Die Tribute von Panem: Mockingjay (2014, R: Frances Lawrence), Roy Scheider in Iron Cross (2022, R: Joshua Newton), der am Set bereits mit Make-up und späteren Animationen sein Gesicht bekam, und Oliver Reed in Gladiator (2000, R: Ridley Scott), wobei letzterer mithilfe bereits existierender Einstellungen und der geschickten Umstrukturierung seiner Szenen reanimiert wurde.
Ohne große Skriptänderungen hingegen wurde Paul Walker für seine Rolle in Fast & Furious 7 (2013, R: James Wan) nach seinem Tod während der Dreharbeiten durch seinen jüngeren Bruder zurück ins Leben gerufen. In etwa 260 Aufnahmen ist dieser mit dem darüber animierten Gesicht Paul Walkers zu sehen. Da das so gut funktionierte, entwickelte man in letzter Sekunde dann doch noch ein ganz neues Ende, das Paul Walker auf harmonische Weise aus dem Franchise schrieb. Das wäre sogar eine fantastische Weise gewesen, diese Technik vorzustellen, da hier auch dramaturgisch ein wichtiger Schlusspunkt für ein Franchise hätte gesetzt werden können – schließlich kann es kein Fast & Furious ohne einen geben, der Fast ist, oder? Nun, anscheinend doch – denn trotz des treffenden Endes für das Franchise wurden mittlerweile noch drei Fortsetzungen produziert, die immer wahnwitziger wurden und die Existenz der Figur von Paul Walker ständig andeuten. „Digital Necromancy“ wurde das zu Recht von Kritikerseite genannt. Nichtsdestotrotz wird ein 11. und 12. Teil angekündigt, diesmal sogar mindestens mit einem kompletten, handlungstragenden Auftritt des verstorbenen Darstellers.
Digitale Auferstehung nicht mehr nur aus der Not heraus
Im Gegensatz zu den akuten Todesfällen gibt es aber auch Filme, in denen die Stars schon längst tot waren. Als rhetorisches Mittel, wie es der Regisseur ausdrückte, wurde etwa Laurence Olivier in Sky Captain and the World of Tomorrow (2004, R: Kerry Conran) verwendet. Zu diesem Zeitpunkt war Olivier bereits ganze 13 Jahre tot, füllte aber mit Hilfe von von existierenden Filmaufnahmen und visuellen Effekten die Rolle des Dr. Totenkopfs, eines körperlosen Kopfs.
Diese Nutzung ist jedoch selten, häufiger werden verstorbene Schauspieler wieder erweckt, um Nostalgie hervorzurufen. So wurde Peter Cushing, der 1977 im ersten Star Wars die Rolle des Imperial Officer Grand Moff Tarkin spielte und 1994 verstarb, 2016 in Rogue One: A Star Wars Story als Tarkin wiederbelebt. Er ist zu sehen neben einer ebenfalls computergenerierten 19-jährigen Carrie Fisher.
Dieser Trend scheint aber gerade erst Fahrt aufzunehmen: besonders massiv betrifft das nicht mal Wiederauferstehungen, sondern ganz im Sinne des Hollywood’schen Jugendwahns die Verjüngung derer, denen man ihr Alter nun zu sehr ansieht. Die ausführliche Anfangssequenz von Indiana Jones and the Dial of Destiny (2023, R: James Mangold) zeigt einen verjüngten Harrison Ford, erschaffen durch einen Schauspieler, der anschließend Harrison Fords junges Gesicht aufgesetzt bekam.
Ganz ähnlich ist dies auch im jüngsten Fluch-der-Karibik-Film zu beobachten – Salazars Rache (2017. R: Joachim Rønning, Espen Sandberg), in dem Johnny Depp den De-Aging-Prozess durchmachte. Besonders auffällig ist hier: Die Szene wäre nicht mal wirklich für den Plot relevant gewesen. Zwar erfährt man, wieso der Antagonist des Films einen Groll auf Jack Sparrow hegt, aber gerade in einem teils surrealen Fantasyfilm wäre durchaus die Freiheit gewesen, Johnny Depp entweder in seinem tatsächlichen Alter als Jack Sparrow durch seine eigene Vergangenheit wandeln zu lassen. Das hätte sogar eine interessantere Szene ergeben. Oder aber man hätte sich der jahrtausendalten Technik der Mauerschau durch Dialogbericht bedient. Oder eben schlicht einer Um- bzw Zusatzbesetzung, die man dann ja vielleicht sogar für weitere Abenteuer des jungen Jack Sparrows nutzen hätte können. So ist übrigens eine ganze Serienauskopplung von Young Indiana Jones (1984 – 1989) entstanden. Doch das tat man nicht, weil hier scheinbar ein anderer Fokus gesetzt wurde.
Bloßer Nostalgietrend oder Blick in die Zukunft?
Nun stellt sich die Frage: Welcher Fokus? Und warum der Aufwand? Reicht das Bedienen von Nostalgie und das Generieren von Aufmerksamkeit hier wirklich als Antwort – oder ist da nicht mehr dahinter?
Disney hat die Ganzkörperscans mittlerweile als Vertragsbedingung für Schauspieler aufgenommen. Und mit ihrem Hintergrund als großes Animationsstudio, das gerne so kostengünstig wie möglich agiert, liegt die Vermutung nahe, dass es bald große Produktionen nur noch aus der Konserve geben könnte. Mit namenlosen Darsteller*innen, deren Körper und Gesichter dann ersetzt werden durch diejenigen der großen Stars. Filme, deren Inhalt sowieso nicht mehr an echten Locations gedreht werden muss bzw. kann. Die 360-Grad LED-Leinwand-Vaults, ebenfalls aus dem Hause Disney, machen da ihr Weiteres dazu. So nutzt man nur zu gern das Mega-Budget eines Blockbusters, um diese Techniken weiterzuentwickeln, aber auch um sie einem breiten Publikum peu à peu vorzustellen und sie etwa an die Erscheinungsform dieser neuen Alten zu gewöhnen.
Natürlich spielt hier auch eine wichtige Rolle, dass, sollte dieser Gewöhnungsprozess gelingen, irgendwann die Kosten für die ersetzten Stars, die bei Großproduktionen nunmal mindestens ein Drittel der Produktionskosten umspannen, wegfallen würden – allerdings ohne die Zugkraft des bekannten Gesichtes zu verlieren. Freilich ist das aber nicht nachhaltig gedacht und überhaupt paradox: Schließlich gab es auch mal eine Welt ohne Harrison Ford oder Johnny Depp und Glück und Tüchtigkeit haben dazu geführt, dass sie entdeckt wurden und dass viele Filme entstanden sind, oftmals auf sie zugeschnitten. Das ist zwar auch ein kaufmännischer Hintergedanke, aber zumindest einer, dem mit künstlerischer Integrität begegnet wurde. Diese fällt, so ist zu befürchten, durch das digitale Comeback weg, ebenso die Möglichkeit für neue Schauspieler, sich ihren Platz zu erkämpfen und selbst in den Status großer Stars zu kommen. Starnamen würden dann bald nichts weiter sein als Markennamen.
Das wäre schade, denn gleichzeitig gibt es auch Großproduktionen, die diesen Sinn für Anstand nicht vermissen lassen – selbst aus dem Hause Disney. So wurde Black Panther-Darsteller Chadwick Boseman nach seinem unerwarteten Tod in Wakanda Forever (2022, R: Ryan Coogler) nicht wiederbelebt, nicht mal umbesetzt, sondern sein Tod in einer Dialogsequenz erzählt und die Staffel dann an eine andere wichtige Nebenfigur weitergegeben, die den Film dann mehr als würdig trug. Oder auch im Harry Potter-Franchise, in dem Dumbledore-Darsteller Richard Harris zwischen Teil Zwei und Drei verstarb und schlicht durch Michael Gambon umbesetzt wurde.
Vielleicht ist es nicht immer sinnvoll, den Tod austricksen zu wollen, sondern ihn als Teil des Kreislaufs des Lebens anzuerkennen und auch in unsere Kunst aufzunehmen. Selbst wenn diese Kunst mittlerweile zu einem großen Teil Content zum Geldverdienen ist.
Beitragsbild: Disney / Screenshot Pirates of the Caribbean: Dead men tell no tales (2017, USA) 01:03:52
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