Es ist immer schwer zu begreifen, dass ein ganzer Lebensabschnitt vorbei ist und der Tod eintritt. Einst bunte Landschaften, Gesichter, Gerüche und Gefühle sind nun grau in den Bildern eurer Erinnerung, und nichts kann sie wieder zum Leben erwecken. Aber was, wenn diese „Erinnerungsbilder“ den Tod in Computerspielen aus der Kindheit darstellen?
Wir leben in einer merkwürdigen Welt. Es ist nicht mehr nötig, eine Person physisch zu treffen, um einen Dialog zu führen. Oft arbeiten wir hauptsächlich in einem virtuellen Raum – einem Raum, der jenseits des Computersystems nicht existiert. Darüber hinaus nutzen wir die virtuelle Welt, um Spaß zu haben, zu lernen und unsere Erinnerungen zu speichern. Es ist daher nicht überraschend, dass viele von uns sogar nostalgische Gefühle für bestimmte ‚Orte‘ dieser virtuellen Welt empfinden, an denen wir Monate, wenn nicht Jahre, verbracht haben. Für viele Menschen, die nach 1990 geboren wurden, sind diese ‚Orte‘ Computerspiele. Als Computerprogramm stirbt ein Spiel nie – es kann praktisch immer wieder neu installiert oder gespielt werden. Was jedoch endet, ist die Zeit, in der wir unser Lieblingsspiel zum ersten Mal erlebt haben.
Erinnern wir uns an das Spiel oder an den Tag, an dem wir es gespielt haben?
Interessanterweise muss das Spiel nicht einmal gut sein, um zu einer leuchtenden Erinnerung zu werden. Jonas Berger, ein Student der Universität Tübingen, erinnert sich daran, wie er oft ein „ziemlich schlechtes“ Spiel mit seinem Freund spielte, welches dennoch gute Erinnerungen weckt: „Die Erinnerung an das Spiel ist immer mit der Zeit verbunden, in der man das Spiel gespielt hat. Die Spiele, mit denen ich nostalgisch nicht so viel verbinde, die nicht mit meiner Kindheit verknüpft sind, können für mich auch sterben“, sagt er.
Jonas bemerkt auch, dass wir dazu neigen, uns an bestimmte Momente oder sogar Perioden unseres Lebens in einem helleren Licht zu erinnern, und nicht unbedingt daran, was wirklich passierte. Ich persönlich kann dem nur zustimmen. Die einst blühenden und schönen Landschaften des Spiels The Elder Scrolls V: Skyrim (2011), die so stark mit vielen Jahren meines Lebens verbunden sind, sehen jetzt düster und alt aus. Alt wie das vergessene Spielzeug irgendwo auf dem Dachboden. Trotzdem trägt dieses Spielzeug einen Spiegel, in dem ein Bild von uns selbst aus der Kindheit für immer lebt.
Der Tod ist uns näher, als wir denken
Der Tod kommt aber nicht nur in Computerspielen vor, sondern ist im realen Leben sicherlich die schwierigste und persönlichste Erfahrung. Erinnert ihr euch, wie es sich anfühlt, etwas oder jemanden zu verlieren, der euch am Herzen liegt? Die Qual der Trauer, der Unglaube, das Gefühl, dass Gott euch betrogen hat. Oder im Gegenteil, ein ruhiges Verständnis, dass etwas zu seinem natürlichen Ende gekommen ist und in einer anderen Form weitergehen muss. Ich glaube, wir alle haben beide Reaktionen auf den Tod erlebt, weil er uns näher ist, als wir vielleicht denken.
Es wäre keine Übertreibung zu sagen, dass eine wesentliche Triebkraft der menschlichen Zivilisation darin besteht, den Tod zu bewältigen. Sei es durch das Verständnis dessen, was danach kommt, oder durch das Finden eines Weges, wie man für immer am Leben bleiben kann. Aber trotz der großen Versprechungen der Wissenschaft und vieler philosophischer Ideen können wir nur raten, was vor uns liegt, nachdem unser Gehirn aufhört, Elektrizität zu erzeugen. So bleibt uns nichts anderes übrig, als zu lernen, die (plötzliche) Sterblichkeit von allem um uns herum zu akzeptieren, da sie vielleicht eine größere Last ist als unser eigenes Ende. Ich glaube, das Leben lehrt uns, es zu akzeptieren. Es tut es, durch unsere unglaublichen Kräfte – Gedächtnis und die Wahrnehmung von Zeit und Veränderung.
„Irgendwie macht es keinen richtigen Spaß, wenn meine Schwester nicht dabei ist.“
Wir erleben den Kreislauf der Jahreszeiten, den natürlichen Verfall, wie Menschen in unser Leben treten und wieder verschwinden, unser Wachstum und eine Veränderung unserer Weltansicht. Wir sind umgeben von unzähligen Momenten, in denen uns der Tod ins Gesicht schaut, aber wir haben keine Angst vor ihnen. Meistens akzeptieren wir viele Veränderungen als unvermeidlich und oft sogar als wünschenswert. Jeder hat den Moment erlebt, in dem Spielzeuge oder alte Computerspiele verlassen wurden und ihr Leben verloren. Wir alle sind unseren alten Kinderwagen, Klamotten, Betten und sogar Überzeugungen entwachsen. Diese ‚alten Zeiten‘ konnten schön sein, aber es gibt keinen Weg zurück, und wozu auch? Wir haben die Erfahrungen der Vergangenheit längst in unser heutiges ‚Ich‘ integriert. Das Gleiche gilt für die Spiele, die in unserer Erinnerung als leuchtende ‚Postkarten‘ aus der Vergangenheit geblieben sind.
Atussa Sabahi, eine andere Studentin, teilt ihre Erinnerungen an die Zeiten, in denen sie mit ihrer Schwester The Legend of Zelda: Ocarina of Time (1998) spielte: „Wenn ich zufällig mal ein Musikstück aus dem Spiel höre, freut es mich zu hören, weil es mich an damals erinnert. Ich war ein richtig krass unbeschwertes Kind, wirklich sorgenfrei. Aber auch das Spiel selbst ist einfach gut.“ Auf die Frage, ob sie das Spiel erneut spielen möchte, antwortet Atussa positiv, doch es erscheint mehr wie ein nostalgischer Wunsch, weil sich die Realität seitdem verändert hat: „Das Spiel ist schwer, man muss wirklich Zeit haben, und die habe ich nicht mehr. Und irgendwie macht es keinen richtigen Spaß, wenn meine Schwester nicht dabei ist. Sie hat auch weniger Zeit.“
Die Annahme von Veränderungen ist die Tür zur Zukunft
Ist die Zeit grausam zu uns? Vielleicht. Oder zeigt sie uns nur, dass nichts wirklich verschwindet? Alles, was wir tun, unsere Kindheit, Spielzeuge und Menschen haben die Realität geschaffen, in der wir jetzt leben. Unsere Vergangenheit lebt weiter, aber in einer anderen Form, unterstützt die Realität und macht die Zukunft möglich. Wenn ihr also jemals übermäßig nostalgisch werdet, sagen wir, wegen des alten Spiels, das ihr früher genossen habt, freut euch, denn es hat nicht nur euch geformt, sondern erlaubt euch auch zu fragen: „Was kommt als Nächstes?“
Beitragsbild-Montage: Cross-Keys Media on Unsplash, Pixabay, Pexels
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