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Krieg und Hippietum, Unterdrückung und Emanzipation, Politisierung und Popkultur – die Geschichte der letzten hundert Jahre war eine ziemlich wilde Achterbahnfahrt. Jedes Jahrzehnt zeichnet sich dabei durch sein ganz eigenes Lebensgefühl aus. Ein Gefühl, das sich immer auch deutlich auf den Köpfen seiner Zeitzeugen zeigte. Über kurz in den 20ern oder lang in den 60ern, die Frisur war Verlängerung der Persönlichkeit, politisches Statement oder manchmal sogar Protest. Zwischen Prüderie und Paris Hilton liegt immerhin ein ganzes Jahrhundert. Im Folgenden erwartet euch eine haarige Zeitreise. Und wer den ewigen Kreislauf der Mode durchschaut hat, der weiß: Der Blick zurück in die Geschichte der Haartrends könnte sich lohnen…

 

1910

Gibson Girl Zeichnung des Künstlers Charles Dana Gibson

Quelle: Wikipedia

Unsere Geschichte beginnt 1910 mit dem Gibson Girl: der idealtypischen Darstellung einer eleganten, jungen Dame. Benannt ist sie nach dem amerikanischen Cartoonisten und Illustrator Charles Dana Gibson, von dem auch die obige Zeichnung stammt. Die bevorzugte Gibson-Girl-Frisur ist ein Knoten oben auf dem Kopf, so hoch aufgetürmt wie nur möglich. Abgesehen von der voluminösen Haarpracht war es für das Gibson Girl unabdingbar, einen tadellosen Ruf zu genießen. Über 20 Jahre hinweg zeichnet Gibson ikonische Abbilder der Weiblichkeit, während die Suffragetten für das Frauenwahlrecht und mehr Unabhängigkeit auf die Straße ziehen.

 

1920

Flapper Girl aus den 20er Jahren

Quelle: Getty

Die Goldenen Zwanziger stehen für den Wirtschaftsaufschwung nach dem Krieg. Sie werden beherrscht durch Rausch, Lebensfreude und die Emanzipation der Frauen. Viele hatten in der Kriegsindustrie gearbeitet, erstmals eigenes Geld verdient und damit ein gewisses Maß an Selbstbestimmung erlangt. Entgegen der gesellschaftlichen Normen schneiden sich die „Flappers“ ihre langen, als weiblich geltenden Haare ab. Zudem tauschen sie das enge Korsett gegen weich fallende Kleider. Denn diese Frauen trinken, rauchen und treiben Sport, um sich über die altehrwürdigen Regeln des „guten Benehmens“ hinwegzusetzen. Die beliebtesten Frisuren heißen damals: Bubikopf, Garcon oder Eton-Schnitt. Hauptsache kurz und anders.

 

1930

Foto von Vivien Leigh mit kurzem Lockenhaarschnitt

Quelle: Getty

In der ökonomisch schweren Zeit der 30er Jahre ist kein Platz mehr für die Lebenslust der Flappers. Mit dem New Yorker Börsencrash beginnt die Weltwirtschaftskrise. Es folgt eine Zeit der Rückbesinnung auf alte Ideale und traditionelle Werte. Die Androgynität wird abgelegt und die Haare werden wieder länger, wie man hier bei Vivien Leigh sieht. Die Erfindung der Dauerwelle erfreut sich großer Beliebtheit.

 

1940

Frau mit Haarnetz-Frisur aus den 40er Jahren

Quelle: Pinterest

Der Zweite Weltkrieg prägt auch die Haarmode der 40er Jahre stark. Der Alltag ist bestimmt durch ständige Sorgen und den Kampf um das Überleben. Aus diesem Grund muss es auf dem Kopf praktisch zugehen: Zöpfe, Haarnetze oder Kopftücher sind jetzt angesagt.

Betty Grable mit der Frisur Victory Rolls

Quelle: Getty

Sollte es in den 40ern dann doch ein wenig schicker sein, orientiert man sich an Leinwandheldinnen wie Rita Hayworth oder Betty Grable (Bild). Die Victory Rolls haben Konjunktur: zwei nach oben gedrehte Rollen, die aufeinander zugewickelt sind. Ursprünglich war eine Victory Roll ein akrobatisches Flugzeug-Manöver, das die Piloten vollführten, wenn sie erfolgreich aus der Schlacht zurückkehrten.

 

1950

Marilyn Monroe mit blonden Locken

Quelle: Getty

Mit Ende des Krieges wurden auch die praktischen Frisuren abgelegt. Die 50er Jahre stehen für Rock ’n‘ Roll und Swing. Die Haartrends dieser Zeit spiegeln ein neues Lebensgefühl von Freiheit wieder. Ob Marilyn Monroe mit ihren kurzen, blonden Locken…

Frisur aus den 50ern: Beehive.

Quelle: Pinterest

…oder die aufwändig hochtoupierten „Beehives“ (dt. Bienenkörbe) auf den Köpfen der Damen – das Motto ist ebenfalls Glamour.

 

1960

Janis Joplin mit wilder Hippiemähne und Zigarette in der Hand.

Quelle: Getty

Vietnamkrieg, Studentenunruhen und Bürgerrechtsbewegung. Die Jugend der 60er Jahre verlangt nach moralischer und sexueller Selbstbestimmung. Sie zweifeln Autoritäten an und entwerfen eine Gegenkultur: Hippies stehen für Pazifismus, Toleranz und eine freie Gesellschaft. Die Anhänger dieser Bewegung tragen ihre Haare deswegen lang und offen wie Janis Joplin. Ein Zeichen von Freiheit und Unabhängigkeit.

Bürgerrechtsaktivistin Angela Davis mit Afro.

Quelle: Getty

Auch die afroamerikanische Bürgerrechtsbewegung setzt auf ein haariges Statement. Der Afro ist das Zeichen für Gleichberechtigung. Die natürliche Krause, wie Aktivistin Angela Davis sie trägt, wird schließlich zum Symbol gegen die Anpassung an das „weiße Ideal“ und gegen Unterdrückung.

 

1970

Farrah Fawcett mit der 70er Frisur "feather cut".

Quelle: Getty

In den 70ern setzt sich die Emanzipation fort, Menschen politisieren sich und gleichzeitig beginnt die Disco-Ära. Viele kulturelle Strömungen beeinflussen zu dieser Zeit die Gesellschaft. Ebenso vielfältig wie die Kultur ist damals auch die Haarkunst. Ob lang, kurz, gelockt oder geföhnt – erlaubt ist, was gefällt. Und besonderen Gefallen findet der „feather cut“ von Farrah Fawcett. Der Schnitt, bei dem die Haarenden ab der Schläfe in Flügel geföhnt werden, geht um die Welt.

 

1980

Madonna mit großer Schleife im Haar. Bild aus den 80ern.

Quelle: Getty

Neon, Schulterpolster und seltsame Frisuren. Die 80er Jahre sind das Jahrzehnt des pulsierenden Lebens und der modischen Freiheit. Madonna wird zur Stilikone.

Cindy Lauper mit gelb-rot-blauen Haaren.

Quelle: Getty

Es geht ziemlich schrill und knallbunt zu, auch auf dem Kopf von Cindy Lauper: Vokuhilas, Dauerwellen und Regenbogenfarben gehören in den 80ern zum guten Ton. Es wird toupiert, geföhnt, gesprayt und gefärbt was das Zeug hält. Eine Strategie, die Gefahren des Kalten Kriegs zu verdrängen?

 

1990

Jennifer Aniston mit dem erfolgreichen "Rachel-Cut"

Quelle: Getty

Die 90er Jahre sind dann geprägt von einer Neuordnung: Der Kalte Krieg ist zu Ende und das Internet vernetzt die Welt. Popkulturell glänzt dieses Jahrzehnt unter anderem mit der Sitcom „Friends“. Es gibt wohl keine Frisur, die global jemals so erfolgreich war wie der „Rachel-Cut“. Schauspielerin Jennifer Aniston bringt den Stufenschnitt ihres Seriencharakters „Rachel“ auf die Köpfe eines ganzen Planeten.

 

2000

Mädchen mit auffälliger "Emo" Frisur in verschiedenen Farben.

Quelle: Pinterest

9/11 und Paris Hilton sind hingegen zwei ganz große Themen der 2000er, was augenscheinlich für ein Übermaß an Emotionen sorgt…

Christina Aguilera mit gekrepptem Haar und roten Strähnchen.

Quelle: The Gloss

Firmen wie Google, YouTube und Facebook starten in den Nullerjahren durch und wirklich jeder trägt einen MP3-Player bei sich. Aber ob diese Entwicklungen in Zusammenhang mit Kreppeisen und roten Blocksträhnchen steht, bleibt auch für Christina Aguilera ungeklärt.

 

2010 bis heute

Victoria's Secret Model Candice Swanepoel mit langen Beachwaves.

Quelle: Getty

Nach unserem Blick in die Geschichte sind wir wieder in der Gegenwart und damit unter anderem bei den Beachwaves von Victoria’s Secret Model Candice Swanepoel angekommen. Rückblickend fällt eines auf: In den letzten acht Jahren haben wir eine Trend-Zeitreise durchlebt. Ob Hippiemähnen der 60er, Kurzhaarschnitte der 20er oder einen Hang zur 90er Ästhetik – die Vergangenheit ist auf Stippvisite.

Miley Cyrus mit Kurzhaarschnitt und Undercut.

Quelle: Short Biography

Kombiniert werden die Klassiker (wie hier bei Miley Cyrus) mittlerweile gerne mit dem „undercut“, einer ausrasierten Haarpartie.