Alle Deutschen kennen Geisterbahnen auf dem Rummelplatz, mit Springteufeln und Gespenstern auf dem Förderband. Amerikanische „haunted houses“ bieten mit echten Schauspieler*innen Geister aus Fleisch und Blut. Anna Pladson, amerikanische Geisterhaus-Schaupielerin in Minneapolis (und Schwester der Autorin), erzählt.

Protokolliert von Kristie Pladson

Mein erstes Geisterhaus-Projekt war eine alte Kirche, die wir 2014 in ein Spukhaus verwandelt hatten, um Spenden zu sammeln. Das Kirchengebäude hatte diese perfekte, gruselige alte Turnhalle samt Umkleideräumen im Untergeschoss, die wir mit blutigen Handabdrücken bedeckten. Von dort ließen wir die Besucher*innen starten und ihren Weg aufwärts durch die Kirche suchen, während jemand fortwährend gruselige Musik auf der Orgel spielte. Allerdings mussten wir jeden Samstagabend alles wieder runterreißen für den Gottesdienst am Sonntag.

Als Teil meines Theater-Studiums haben wir 2015 ein Geisterhaus für Valley Scare, einen Halloween-Vergnügungspark, neu designt. Unser Thema war „Die Insel des Dr. Moreau“, eine Geschichte von einem Arzt, der Menschen tierische Eigenschaften verleiht. Wir wandelten ein früheres Spuk-Ferienlager („Camp WeKillOu“) um. Auf diese Weise hatten wir mehrere Gebäude, mit denen wir arbeiten konnten, was eher untypisch ist. Mit jedem Gebäude konnte man einen neuen Schritt der Mensch-Tier-Verwandlung nachvollziehen. Im ersten Gebäude waren Schauspieler*innen in Doktorkitteln – es gibt nämlich Menschen, die wirklich Angst vor Ärzt*innen haben – und solche in Krankenhaus-Nachthemden, denen Hörner aus der Stirn wuchsen und dergleichen mehr. Draußen hatten wir dann Leute in Käfigen, und von da an wurde es nur noch bizarrer. Ich spielte eine Frau, die in einen Oktopus verwandelt worden war, darum saß ich in einem Wassertank und hatte Tentakel.

2016 haben wir auch ein „normales“ Theaterstück in einer historischen Villa aufgeführt, das aber auch wie ein Geisterhaus-Schauspiel wirkte. Die Zuschauer*innen folgten unserer Darbietung und wurden von ihr durch dieses beängstigende, dunkle, alte Haus geführt. Das Stück war „Blaubarts Puppenhaus“, eine Kombination aus Ibsens „Ein Puppenhaus“ und einer Legende von Blaubart dem Piraten – beides Geschichten, die von gefangengehaltenen Frauen handeln. Die Villa war das „Puppenhaus“ und wir Schauspieler*innen stellten die darin gefangenen Puppen vor.

Pladson (ganz links) in „Blaubarts Puppenhaus“; Foto: Mike Neuharth, 2016

Geisterhäuser faszinieren mich, weil sie diese seltsame Form von Theater sind, mit der alle etwas anfangen können. Es gibt so viele Leute, die von sich sagen, dass sie Theater nicht mögen oder verstehen. Geisterhäuser dagegen schauen sie sich an. Die sind aber Theater. Es sind kurze Stücke, vielleicht nur fünf Minuten lang, aber sie sind immersives Theater. Wenn Du in ein Geisterhaus gehst, weißt Du, dass Dir dort Angst eingejagt wird. Wenn Du ins Theater gehst, hast Du keine Ahnung, was passieren wird. Du weißt nicht, ob Du weinen oder lachen oder was Du sonst erleben wirst. Bei einem Geisterhaus weißt Du, woran Du bist. Es geht darum, dass Du erschreckt wirst, und dass Du schon vorher weißt, dass Du erschreckt wirst.

Geisterhaus-Schauspieler*innen müssen präsenter bleiben als Schauspieler*innen auf einer normalen Bühne. Du kannst Dich nicht so tief in Deine Rolle fallenlassen, weil Du stets Deine Zuschauer*innen im Blick behalten musst. Sie sind Dir so viel näher, es ist dunkler, vielleicht ist da Nebel, man sieht schlecht, und es ist viel intimer. Zusätzlich bist Du wahrscheinlich dabei, etwas Gefährlicheres als der*die durchschnittliche Bühnenschauspieler*in zu machen. Du musst tief genug in der Rolle sein, um ihnen Angst einzujagen, aber auch wieder nicht so tief, dass Du Dich vergisst und sie berührst oder gar verletzt. Du brauchst ein gewisses Maß Selbstbeherrschung. Denn manchmal hast Du da Typen die mit echten Motorsägen rumrennen. Sie nehmen die Kette runter, klar, aber wir machen es so realistisch wie nur irgend möglich. Auf der Bühne würde man so weit nicht gehen.

In gewisser Hinsicht ist Geisterhaus-Schauspielerei schwieriger als Bühnenschauspielerei, weil Du eine Vorführung in Endlosschleife zeigst. Du musst es hinbekommen, drei Minuten lang absolut präsent zu sein, und dann, wenn die Gruppe weg ist, durchzuatmen und das Gleiche nochmal darzubieten – und nochmal, und nochmal, den ganzen Abend.

Anna Pladson, Spukhaus-Schauspielerin; Foto: Anna Sibenaller 2017

Geisterhäuser haben versteckte Ausgänge und Codewörter, um Besucher*innen wieder rauszubekommen, wenn sie es nicht mehr aushalten. Wenn man zum Beispiel „chicken“ sagt, stoppt alles. Alle Schauspieler*innen halten an, das Licht geht an oder es kommt jemand mit einer Taschenlampe und führt die Person aus dem Haus.

Es gibt eine ganze Liste an Sachen, die für die Besucher*innen verboten sind, weil es sehr leicht passieren kann, dass etwas ein böses Ende nimmt: Es sind beengte Räume, Leute werden klaustrophobisch, dazu kommt dann noch der Kunstnebel, und die Leute flippen aus. Das ist ja der Sinn der Sache. Wir pushen die Leute soweit sie nur können. Wenn sie damit dann nicht mehr umgehen können, musst Du Deinerseits wiederum einen Plan B haben.

Menschen werden echt komisch in Geisterhäusern. Sie sagen furchtbare Dinge zu Dir. Ich war als ein Oktopus verkleidet, darum haben die Leute mich kaum angesprochen. Aber zu meinen Freund*innen, die Arztkittel oder Nachthemden trugen, sagten sie „You’re fucking ugly!“ und solche Sachen. Ich glaube, die Besucher spielen sich so auf, weil sie verunsichert sind und versuchen, Kontrolle zurückzugewinnen.

Pladson als Oktopus bei Valley Scare; Foto: Valley Scare, 2015

Trotz der Bezeichnung handeln unsere „Geisterhäuser“ nicht wirklich von Gespenstern und Geistern, einfach weil die so schwer darzustellen sind. Wie kreierst Du ein schwebendes Ding? Du kannst etwas auf eine Leinwand projizieren, aber es kann Dir nicht nahe kommen. Es ist zu schwierig, einen Geist physisch darzustellen. Er sollte luftig und leicht sein und durch Dich und durch Wände hindurch schweben. Wie soll man das nachbilden? Gespielte Gespenster sind schwer. An echte Gespenster glaube ich aber 100 Prozent. Es gibt ein Theater, das ich kenne, da spukt es wirklich und mehrere meiner Freund*innen haben dort die selben Geister gesehen.

Beitragsfoto, Anna Pladson in der Spukkirche; Cody Nelson, 2014

Ein Einblick in den ValleySCARE Spukhäuser 2016:

5 Kommentare
  1. Hannah V.
    Hannah V. sagte:

    Beitrag zu Ende gelesen – rein in den Flieger. Ich will ins Spukhaus! Danke für den sehr interessanten Beitrag, der Lust auf mehr macht.

  2. InaM
    InaM sagte:

    Das klingt nach einem echten Adrenalin-Kick für die Besucher*innen. Erinnert mich an eine Erfahrung im Berliner Gruselkabinett am Anhalter Bahnhof. Leider gibt es das heute nicht mehr. Scheinbar gibt es in Deutschland weniger Gruselfans als in den USA. Danke für den Blick hinter die Kulissen!

  3. ananas
    ananas sagte:

    Super interessanter Blick hinter die Kulissen einer Schauspielerin. Schade, dass es so etwas nicht auch in Deutschland gibt. Falls ihre Truppe mal eine Tour durch Deutschland macht, bin ich dabei 🙂

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  1. […] Vergleichbare Empfindungen entstehen zum Beispiel bei einer Fahrt in der Achterbahn oder einem Besuch in der Gesiterbahn. Voraussetzung ist immer, dass wir neben der momentanen Erfahrung von Angst ein grundlegendes […]

  2. […] und Geister spuken durch ihre Werke, wie durch eine Geisterbahn. Ob Caspar, das freundliche Zeichentrick-Gespenst aus den USA, oder ein klassischer […]

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